CW-Roundtable zum mittelständischen ERP-Markt

16.01.2002

Jaeschke: Gehen Sie mal in ein Stahlwerk und steuern Sie das mit SAP. Das geht nicht. Es hat seine Gründe, warum SAP dort nur einen kleinen Marktanteil hat.

Eitel: Ich sehe, was unsere Kunden nutzen. Manche unserer internationalen Kunden nutzen die Finanzmodule von SAP. Aber im Produktions- und Logistikbereich ist die Software einfach zu wuchtig. Deshalb können wir als strategischer Partner internationaler Kunden dieses Segment erfolgreich mit unserem fokussierten Angebot für Customer- und Supplier Management bedienen. Die Integration mit Fremdanwendungen ist daher wichtig, und die Techniken dafür gibt es heute. Wir werden in unserer Branche zu einer stärkeren Industrialisierung und Arbeitsteilung zwischen den Software- und Diestleistungsanbietern kommen. Das ist eine ganz normale Entwicklung, wie sie bei unseren Kunden schon längst stattgefunden hat und weiter optimiert wird. Das heißt, die immer noch junge Softwarebranche kann hier von ihren Kunden und adressierten Zielmärkten hervorragend lernen.

Ernst: Das Wachstum bei SAP wird nicht mehr so weitergehen, weil der Markt bei großen Unternehmen mittlerweile gesättigt ist. Daher muss SAP diversifizieren und in Branchen gehen. Wir müssen das nicht. In mehr als 50 Prozent der mittelständischen Firmen ist zurzeit kein namhaftes Unternehmen mit seinen Produkten vertreten. Aber anders als Brain oder PSI konzentrieren wir uns nicht nur auf die ERP-Kernfunktionen, sondern setzen auf umfassende Lösungen. Unsere Kunden kriegen alles aus einer Hand – inklusive Dokumenten-Management, Customer-Relationship-Management, Supply-Chain-Management und so weiter. Nur wenn wir das gesamte Produkt unter Kontrolle haben, können wir auch internationalisieren und die Software lokalisieren, ohne uns mit Partnern abstimmen zu müssen.

Merten: Der Mittelstand hat immer mehr Schnittstellen – und zwar nach außen. Deshalb will er umso mehr, dass ihm die Integrationsproblematik intern erspart bleibt. Unsere Kunden wollen eine einheitliche Lösung aus einem Guss – dazu gehört aber auch die Finanzbuchhaltung. Wir überlassen der SAP im Mittelstand gar nichts, auch nicht die Buchhaltung. Wenn wir uns konzentrieren, dann auf Branchen, aber nicht im Umfang der betriebswirtschaftlichen Funktionen, die wir liefern.

Wilhelm: Wir alle bedienen unseren Markt noch wie ein Sondermaschinenbauer. Wir erstellen für jeden Kunden eine eigene Lösung. Es gibt nur ganz wenige Unternehmen, die fast ausschließlich den Standard nutzen. Aber das wird sich ändern, weil sich die Unternehmen eine individuelle Lösung irgendwann nicht mehr leisten können. Die erfolgreichsten ERP-Anbieter setzen auf Partner: Im unteren Segment Navision, im oberen SAP. Wenn das bei den beiden funktioniert, warum soll die Strategie für andere dann falsch sein?

CW: Die Wartung von Software ist doch auch teuer: Ständig neue gesetzliche Anforderungen, neue Technologien – da kann es sich doch nicht rechnen, wenn jedes Unternehmen sein eigenes Produkt hat. Jemand, der eine Softwareanpassung für 10 000 Kunden macht, ist doch besser gestellt als jemand, der nur 100-mal für Wartung kassiert. Wie lange können Sie sich Ihre eigenen Produkte noch leisten?