Unruhige ERP-Zeiten

SAP und ihre sieben größten Probleme

20.10.2008
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

4. Umbruch im Management

Ob das SAP-Management dazu bereit ist, scheint fraglich. Bis dato verteidigt das Management sein neues Supportmodell hartnäckig. Auf die Kritik der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG), Kunden wollten keinen Enterprise Support als Pflicht, entgegnete SAP-Chef Kagermann: "Wir sind ein Standardsoftwareanbieter mit Standardkonditionen." Viele Eskalationen von Kundenproblemen resultierten aus unzureichendem Support. Obwohl viele Nutzer die Vorteile heute noch nicht erkennen würden, sei SAP bereit, den Nachweis zu erbringen, dass der verordnete Enterprise Support etwas bringt.

Ab Mai 2009 übernimmt Leo Apotheker allein das Ruder bei der SAP.
Ab Mai 2009 übernimmt Leo Apotheker allein das Ruder bei der SAP.
Foto: SAP

Diese Aufgabe wird vor allem dem künftigen starken Mann bei SAP, Leo Apotheker, zufallen. Nachdem sich im Frühjahr vergangenen Jahres der Technikspezialist Shai Agassi mangels Perspektiven von SAP verabschiedet hatte, kürte die Firmenspitze den in Paris lebenden SAP-Vorstand zum Kronprinzen. Aktuell fungiert Apotheker neben Kagermann als Co-Vorstandssprecher. Im Mai kommenden Jahres, nach dem Abschied Kagermanns, übernimmt er das SAP-Ruder allein.

Durch den Personalwechsel im Chefsessel könnte sich im Konzern einiges ändern. Mit Apotheker nimmt ein Vertriebsspezialist die Fäden in die Hand. Nach Kagermann, der sich aus der Produktentwicklung an die Konzernspitze vorgearbeitet hatte, dürften mit Apotheker als alleiniger Vorstandssprecher einige Veränderungen innerhalb des Softwareunternehmens wie auch in dessen Auftreten nach außen einhergehen. Wurzelte sein Vorgänger noch stark in der Technik, machte Apotheker schnell klar, wo seine Prioritäten liegen: In den kommenden Jahre gehe es darum, die Ernte einzufahren. Nachdem sich der Hersteller in den zurückliegenden Jahren vor allem darauf konzentriert habe, neue Technik zu entwickeln, müssten sich die daraus resultierenden Produkte nun verstärkt in barer Münze auszahlen.

Mit dem Amtsantritt Apothekers richtete SAP seinen Vorstand internationaler aus. Neben dem neuen Vorstandssprecher der SAP finden sich der ehemalige USA-Chef Bill McDermott, der Ex-Business-Objects-CEO John Schwarz sowie der dänische Entwicklungsspezialist Jim Hagemann Snabe in dem erweiterten Führungsgremium. Andere langjährige SAP-Manager nehmen ihren Hut. Neben Kagermann wird auch Peter Zencke, verantwortlich für die Entwicklung der Anwendungsplattform rund um E-SOA und die neue Mietsoftware Business ByDesign, im kommenden Jahr den Konzern verlassen. Insidern zufolge gibt es auch Gerüchte, dass alte SAP-Haudegen wie der Finanzvorstand Werner Brandt und Gerhard Oswald, verantwortlich für den globalen Service und Support, ihren Abschied planen.

Diese Veränderungen werden vor allem in den Reihen der deutschen Belegschaft misstrauisch beobachtet. Immer wieder klangen Befürchtungen durch, SAP vernachlässige seinen Heimatmarkt und werde sich in Zukunft zu Lasten der hiesigen Niederlassungen stärker auf dynamischere Märkte wie die USA, Indien oder China konzentrieren. Auch von kulturellen Gräben unter den SAP-Beschäftigten ist immer wieder die Rede. Angeblich werfen junge Niederlassungen in aufstrebenden internationalen Märkten der deutschen Zentrale Schwerfälligkeit und mangelnde Flexibilität vor. Die SAP-Verantwortlichen hatten derlei Spekulationen immer vehement zurückgewiesen.

Experten zufolge ist die Handschrift Apothekers bereits deutlich zu spüren. Neben der starken Vertriebsbetonung trimmt der 55-jährige Manager die gesamte SAP-Organisation auf mehr Effizienz. Insider berichteten wiederholt von rigiden internen Bewertungsrichtlinien, nach denen die SAP-Mitarbeiter in verschiedene Leistungsschubladen eingeordnet würden. Es sei ein deutlicher Bruch in der SAP-Kultur erkennbar, hieß es von verschiedenen Seiten. Das SAP-Management wies auch diese Vorwürfe deutlich zurück.

Ob Apotheker der richtige Mann ist, die Risse intern wie auch zum Kunden zu kitten ist zweifelhaft. Dazu kommt die angespannte wirtschaftliche Situation, die offenbar die Nerven des SAP-Managements blank legt. Bislang bewies Apotheker jedenfalls kein glückliches Händchen in Sachen Kundendiplomatie. Die deutliche Kritik der DSAG am neuen Wartungsmodell konterte der designierte SAP-Chef mit der Bemerkung: "Nicht die Anwendervereinigungen kaufen die Lizenzen, sondern die Kunden."

Diese Äußerung sorgte für Unmut unter den SAP-Kunden. "So schafft man Feindbilder", lautete die Antwort im CW-Forum. "Der feine Unterschied zwischen Anwendervereinigungen und Kunden scheint mir entgangen zu sein", heißt es weiter. "Ziehen Sie die Notbremse und stoppen Sie Herrn Apotheker", fordert ein anderer Forumsteilnehmer.