Unruhige ERP-Zeiten

SAP und ihre sieben größten Probleme

20.10.2008
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

6. Roadmap - was kommt nach ERP?

Dabei hatte der Konzern seinen Kunden zur weiteren ERP-Strategie schon vor Jahren eine klare und transparente Roadmap vorgelegt, was die Wartungszyklen seiner Applikationen betraf. Auch die Zusicherung, den aktuellen ERP-Kern stabil zu halten, fand in Anwenderkreisen ein positives Echo. Das Schreckgespenst aufwändiger und teurer Migrationen, das Generationen von SAP-Administratoren schlaflose Nächte bereitet hatte, schien damit bis auf weiteres gebannt. Erweiterungen des aktuellen ERP-Release werden im Rahmen sogenannter Enhancement-Packages ausgeliefert, die sich laut Hersteller einfach in bestehende SAP-Installationen einpflegen lassen sollen.

Allerdings sind die Walldorfer ihren Kunden immer noch weit voraus. Seit Jahren predigt der Konzern die Vorzüge seiner E-SOA-Infrastruktur rund um die Business Process Platform (BPP) mit der Integrationsplattform Netweaver und dem Enterprise Servcies Repository (ESR). Damit besäßen die Anwenderunternehmen die notwendige Flexibilität, ihr Geschäft an die sich ständig ändernden Marktbedingungen anzupassen und so im weltweiten Wettbewerb zu bestehen, warben die SAP-Verantwortlichen für ihre neue Softwaregeneration. Den Weg dorthin haben bis dato allerdings die wenigsten Anwender gefunden. Zwar haben mittlerweile die meisten Anwenderunternehmen - nicht zuletzt auch aufgrund der finanziellen Anreize seitens der SAP - einen neuen ERP-Vertrag unterschrieben. Auch die Zahl der technischen Upgrades aus der alten R/3- in die neue ERP-Welt wächst stetig. Den Umbau in Richtung Service-orientierte Architekturen (SOA) haben indes die wenigsten in Angriff genommen. Das ist mit einer ERP-Umstellung allein nämlich nicht getan. SOA gibt im Grunde nur Sinn, wenn die Unternehmen auch ihre Prozesse genau unter die Lupe nehmen und auf mehr Effizienz trimmen.

Die SAP-Verantwortlichen bemühen sich allerdings, ihre Kunden auf diesem Weg zu unterstützen. Dabei spielt eine Reihe von Communities eine wichtige Rolle. Neben dem SAP Developer Network (SDN), auf dem sich laut Herstellerangaben schon über 900 000 Entwickler tummeln, gibt es eine sechsstellige Zahl von Business Process Experts (BPX) und verschiedene "Industry Value Networks" (IVNs). Damit will der Konzern Kunden, Anwender und andere Softwarehersteller an einen Tisch bekommen, um Standards für einzelne Branchen zu entwickeln, die wiederum in die SAP-Produktentwicklung einfließen sollen. Der Konzern will also vom Branchen-Know-how seiner Kunden profitieren.

In den Chefetagen in Walldorf wird man sich also weiter in Geduld üben müssen, bis die Anwender nachziehen. Dabei muss die SAP genau auf die Bedürfnisse seiner Kunden hören und vor allem in der Lage sein, den Anwenderunternehmen genau zu belegen, welche Vorteile - auch in monetärer Hinsicht - die neue Softwarewelt bietet. Und irgendwann muss die Konzernführung auch die Frage beantworten, ob und wann der nächste Release-Wechsel ansteht. Trotz aller Visionen rund um Software as a Service und Cloud Computing bleibt das Lizenzgeschäft vorerst die wichtigste Cash-Cow der etablierten Softwareanbieter.