Unruhige ERP-Zeiten

SAP und ihre sieben größten Probleme

20.10.2008
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

5. Akquisitionen - groß oder klein?

Oracle-Chef Lawrence Ellison setzt weiter auf eine aggressive Akquisitionsstrategie, während sich SAP bislang nur mit Business Objects einen Milliarden-Zukauf geleistet hat.
Oracle-Chef Lawrence Ellison setzt weiter auf eine aggressive Akquisitionsstrategie, während sich SAP bislang nur mit Business Objects einen Milliarden-Zukauf geleistet hat.

Auch in einem anderen Bereich hinterlässt der Vertriebsmann Apotheker deutliche Spuren. Die SAP-Verantwortlichen haben in der Vergangenheit immer wieder betont, in erster Linie organisch wachsen zu wollen, und sich damit wiederholt die Kritik der Börsianer eingehandelt, sie agierten zu vorsichtig und bieder am Markt. Die Zukäufe der vergangenen Jahre hatten fast ohne Ausnahme einen produkttaktischen Hintergrund und dienten dazu, das eigene Portfolio um technisches oder industriespezifisches Know-how zu ergänzen. Es gehe nicht darum Kunden oder Wachstum zu kaufen, hieß es gebetsmühlenartig in der Konzernzentrale. Dennoch klang immer wieder durch, dass auch Akquisitionen ihren Beitrag zur Erreichung der ehrgeizigen Zielvorgaben beitragen könnten, und zuletzt haben die Walldorfer mit der milliardenschweren Übernahme von Business Objects ihre selbst auferlegten Regeln gebrochen.

Im Gegensatz zum großen Rivalen Oracle haben die Badener allerdings keine Erfahrung darin, große Brocken zu verdauen. Im Zuge der Integration des Business-Intelligence-Spezialisten verlief längst nicht alles so glatt, wie es sich die Beteiligten wohl erhofft hatten. Gerade die Bereinigung des Produktportfolios und die gemeinsame Roadmap sorgten für Unruhe unter den Anwendern.

Erzrivale Oracle

SAP und Oracle verbindet schon seit Jahren eine tiefe Rivalität. Oracle-Chef Lawrence Ellison lässt keine Gelegenheit aus, seinem deutschen Gegner Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Teilweise machten es die Walldorfer dem Multi-Milliardär dabei allerdings recht einfach. Anfang 2005 hatte SAP den US-amerikanischen Serviceanbieter TomorrowNow übernommen. Ziel des Deals war es, Wartungsdienste für Applikationen von Peoplesoft und J.D. Edwards anzubieten. Beide Anbieter waren kurz zuvor von Oracle geschluckt worden. Um den Third-Party-Support anbieten zu können, arbeitete die SAP-Tochter nicht ganz sauber. Im vergangenen Jahr ließ Oracle die Bombe platzen und zerrte SAP vor den Kadi. Der Vorwurf: Tomorrow habe sich Zugang zu Oracle-Systemen verschafft und dort illegal Materialien wie Patches und Dokumentationen herunter geladen. SAP musste in der Folge Unregelmäßigkeiten einräumen und gab unzulässige Downloads zu. Den Vorwurf eines systematischen Missbrauchs wiesen die Walldorfer jedoch zurück.

Oracle will seinen Konkurrenten jedoch nicht so schnell vom Haken lassen und lehnte bislang alle Bemühungen um eine gütliche außergerichtliche Einigung ab. Während SAP daran gelegen sein muss, die Geschichte möglichst schnell vom Tisch zu bekommen, tut der US-Konkurrent alles, um den Prozess in die Länge zu ziehen. So haben die Oracle-Verantwortlichen ihre Klage kontinuierlich um neue Vorwürfe erweitert. Mittlerweile geht es um Industriespionage, über die angeblich auch die SAP-Spitze in Walldorf genau informiert gewesen sei. Der Schaden, den Oracle eigenen Angaben zufolge erlitten hat, geht angeblich in die Milliarden. SAP zog mittlerweile die Notbremse und hat den Geschäftsbetrieb von TomorrowNow eingestellt. Der Prozess rund um die Fehltritte der Service-Tochter dürfte sich jedoch noch Jahre hinziehen und könnte für SAP mit einer empfindlichen Geldstrafe plus damit verbundenem Image-Verlust im so wichtigen US-Markt enden.

Angesichts der hochgesteckten Erwartungen werden die SAP-Oberen verstärkt darauf achten müssen, ihr Wachstumstempo zu halten. Keine leichte Aufgabe, vor allem auch deswegen, weil sich das deutsche Softwarehaus an der Performance seiner ärgsten Wettbewerber messen lassen muss. Hier sorgte in den vergangenen Jahren in erster Linie Oracle für Furore. Der US-amerikanische Softwarekonzern hat in den zurückliegenden Jahren rund 30 Milliarden Dollar in Akquisitionen investiert und über 50 Softwarefirmen geschluckt, darunter Schwergewichte wie Peoplesoft, Siebel und Bea Systems. Mit den Übernahmen hat Firmenlenker Lawrence Ellison in erster Linie sein Produktportfolio abseits der Datenbank rund um Middleware und Applikationen ausgebaut und damit auch die Wachstumsfantasien der Börsianer immer wieder aufs Neue beflügelt.