Hybrid IT Management

Das Rezept gegen Cloud-Chaos

15.07.2020
Von 
Iris Lindner ist freiberufliche Journalistin für Elektronik und Automatisierung.
Hybrid IT mag vielleicht nach Durchgangsphase klingen, doch die Experten sind sicher: Die Unternehmen werden auch in Zukunft nur halbe Sachen machen. Und das hat gute Gründe.
Gutes Management ist das Fundament dafür, dass in einer hybriden Cloud-Welt nicht das Chaos ausbricht.
Gutes Management ist das Fundament dafür, dass in einer hybriden Cloud-Welt nicht das Chaos ausbricht.
Foto: Photobank Gallery - shutterstock.com

Die IT-Welt ist und bleibt hybrid. Zum einen, weil es immer Anwendungen geben wird, für die lokale Infrastrukturen vorgehalten werden müssen. So wie es auf der einen Seite die Regulatorik nicht immer zulassen wird, sämtliche Daten in die Cloud zu verschieben, so ist es auf der anderen Seite auch nicht möglich, alle Services aus der Cloud zu beziehen. Zum anderem lässt sich mit Hybrid IT das Beste aus beiden Welten verbinden. Und weil Hybrid IT nicht nur die gemeinsame Verwendung von On-Prem-Anwendungen und Public-Cloud-Services umfasst, sondern auch Multi-Cloud-Strukturen beinhaltet, bietet die hybride Welt Anwendern die Freiheit, Services und Applikationen zu verbinden und dort laufen lassen, wo es am sinnvollsten ist.

Um diese Freiheit den eigenen Bedürfnissen anpassen zu können, braucht es jedoch ein gut ausgearbeitetes Betriebsmodell und vor allem einen Überblick in Form eines Hybrid IT Managements. Wie schnell die unternehmensinterne IT diesen verlieren kann, zeigte sich in der Vergangenheit nur zu oft: Fachbereiche haben gerne auf eigene Faust Services aus der Cloud bezogen, um ihr Business schneller voranzubringen. Die Folgen waren Schatten-IT und ein unüberschaubarer Zoo an Software-as-a-Service (SaaS)-Produkten. Wer dies von Anfang an vermeiden möchte, der sollte auf dem Weg in Richtung Cloud-Services zuerst einen Schritt zurückgehen und überlegen, warum man eigentlich Public-Cloud-Infrastrukturen nutzen möchte.

Informationen zu den Partner-Paketen der Studie 'Hybrid IT Management'

Gute Gründe für die Cloud

Noch vor drei, vier Jahren verfolgte vor allem der Mittelstand die Absicht, mit der Cloud Kosten zu senken. Heute steckt eher die Absicht dahinter, über Cloud-Technologien neue und innovative Themen für das Business zu implementieren. Aus der Kostendiskussion wurde also eine intensive Suche nach dem Zweck. Treibt der Schritt in die Cloud die Digitalisierungsstrategie des Unternehmens voran, oder braucht der eigene Betrieb schlichtweg Dienste, die man selbst nicht bereitstellen kann oder will? Weil etwa der Zahn der Zeit unaufhörlich am Data Center nagt und die eigene IT-Infrastruktur nicht mehr für moderne Anwendungen taugt? Die Gründe, die Unternehmen dazu bewegen, in die Cloud zu gehen, lassen sich in drei Modelle unterteilen:

  1. Beim taktischen Ansatz geht es darum, Analytics aus der Cloud für eine Applikation zu nutzen oder einen speziellen Workload in der Cloud haben. Der Vorteil: kaum Änderungen am Betriebsmodell. Für diesen Ansatz kommt sehr oft ein hybrides Modell infrage.

  2. Mehrere Workloads oder ganze Anwendungen wie Security und Netzwerk in die Cloud bringen, das ist die Intention des strategischen Ansatzes.

  3. Und schließlich gibt es noch die Unternehmen, die einen transformationalen Ansatz verfolgen, weil sie beispielsweise in den nächsten Jahren aus ihrem Data Center raus müssen. Der Sprung aus diesem Data-Center-Take-out kann ein hybrider Ansatz sein, der dazu dient, die Anwendungsdaten in eine Cloud-native-Welt zu bringen.

Nur wenige Organisationen sind getrieben von transformationalen Hintergründen oder gehen gar komplett Cloud-native. Das hängt natürlich auch davon ab, ob das Unternehmen aus einem Bereich wie Finanzen oder Versicherungen kommt, einer Regulatorik unterliegt oder ob es eine Digital-Native-Firma ist. Unternehmen wie Zalando, Trivago oder Booking.com werden es mit ihrer Handvoll an Anwendungen immer einfacher haben, in die Cloud zu gehen, als zum Beispiel die Deutsche Post oder die Telekom. Da man hierzulande bekanntermaßen eher relativ konservativ und vorsichtig agiert, wird also am häufigsten über den taktischen in den strategischen Ansatz gewechselt.

Neben diesen Ansätzen gibt es auch einen praktischen Grund, sich für die Cloud zu interessieren: die Agilität. Man kann dort viel schneller und einfacher Services beziehen, braucht keine Hardware zu beschaffen, kein Know-how aufzubauen und keine Admins vorzuhalten, die sich um den Betrieb kümmern müssen. Kurzum: Dass man den Full-Managed-Service aus der Cloud bekommt, ist ein starkes Argument für Unternehmen, für die die IT nur Hilfsmittel für ihr Kerngeschäft ist.

Die neue IT

Ob es nun die Vorzüge der Elastizität in der Cloud, die Kostenvorteile, interessante Funktionen, die man schnell und unkompliziert beziehen kann, das Deployment oder die Time to Market ist - erst wenn die Frage nach dem 'Warum' geklärt und strategisch richtig abgegrenzt ist, kann man prüfen, welche Applikationen sich tatsächlich für den Cloud-Ansatz eignen. Allerdings muss man zwischen Frontend- und Backend-Strategien unterscheiden und das Thema Workplace vom Backend trennen. Denn: Die Rolle der IT ändert sich generell.

Während es früher die Aufgabe der IT war, die Systeme am Laufen zu halten, muss sie sich heute auf den Anwendungsbetrieb konzentrieren und das Business besser unterstützen. Voraussetzung dafür ist, das Partner-Ökosystem zu verstehen und zu managen. Schaut man sich die Managementkonsolen der verschiedenen Clouds an, kommt man sehr schnell zu dem Schluss, dass da einiges zu tun ist. So überlässt man zum Beispiel das On- und Off-Boarding von Mitarbeitern am besten der IT, damit diese auch für den Fall, dass sich die Rolle eines Mitarbeiters innerhalb des Unternehmens ändert, den Überblick über dessen Datenzugriff behält. Ebenso ist es Aufgabe der IT, eine Governance vorzugegeben und festzulegen, wer neue Ressourcen erstellen darf. Sich in der hybriden Welt ein Stück weit zu lösen und die Business-Bereiche dazu zu befähigen, selbst Container zu erstellen, ist in der hybriden Welt für die IT eine wichtige Voraussetzung.

Leitplanken für das Business zu kreieren, um die Flexibilität zu gewährleisten, bedeutet auch, die Organisation im Unternehmen entsprechend zu modernisieren. Doch aufgrund der Geschwindigkeit, die die Cloud bietet, tun sich viele Unternehmen noch schwer, mit dem Aufbau gemischter Teams, DevOps und einer agilen Organisation hinterherzukommen. Aktuell sind in der IT bimodale IT-Infrastrukturen dafür noch ein probates Mittel. Aber auch da muss man mit Hybrid-Technologien einen Zwischenschritt einlegen, der es erlaubt, die Organisation nachzuziehen.

Studie "Hybrid IT Management": Sie können sich noch beteiligen!

Zum Thema Hybrid IT Management führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Frau Regina Hermann (rhermann@idgbusiness.de, Telefon: 089 36086 384) und Frau Nicole Bruder (nbruder@idg.de, Telefon: 089 360 86 137) gerne weiter. Informationen zur Hybrid IT Management-Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF).

IT-Kosten immer im Blick

Bei all den On-demand-Möglichkeiten, die man in der Cloud hat, wird man irgendwann zudem feststellen, dass diese meist gar nicht so günstig ist, wie ursprünglich gedacht. Wer bei den IaaS-Modellen anfängt, einzelne Funktionen in die Cloud zu schieben, merkt ziemlich schnell, dass man noch dieses und jenes braucht. Und plötzlich ist man dabei, das halbe Rechenzentrum aus der physischen Welt in der Cloud nachzubauen. Es reicht also nicht, nur die Effizienz zu monitoren, sondern auch die Kosten, die die Opportunitätskosten mit einschließen. Das konsequente Kosten-Monitoring wird sicher auch eine Rückholbewegung zur Folge haben: eine Repatriation von Applikationen, die nicht die notwendige cloud-typische Elastizität oder Funktionalität mitbringen, weshalb ein Cloud-Betrieb zu teuer ist.

Bei Legacy-Applikationen hingegen, die eigentlich primär nicht cloud-geeignet sind, ist ein Lift & Shift mit einem Refactoring in der Cloud zu beobachten. Das Umbauen der Anwendungen, sofern diese den Geschäftsprozess unterstützen, sowie moderne Microservices werden in Zukunft eine große Rolle spielen, wodurch aber auch die Komplexität der Infrastruktur zunehmen wird. Ideal wäre hier dann eine Plattform, die jeweils für den einzelnen Workload entscheidet, wo dieser denn am besten laufen soll. Ansätze dafür gibt es, aber bis eine einheitliche Administrationsplattform verfügbar ist, die die unterschiedlichen Cloud-Services zusammenbringt, muss noch vieles über APIs zusammengebaut werden.

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Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Ein gut gemeinter Tipp der Experten lautet, die Microservices nicht auf eine einzelne Cloud festzutackern und im Vorfeld sehr genau zu überlegen, wie tief man in die Anwendung einsteigt und eventuell ein Lock-In damit eingeht. Nutzt der Kunde für seine Applikation spezielle hyperscaler-spezifische Funktionen, gestaltet sich nämlich ein Wechsel später nicht mehr so einfach. Noch dazu gestaltet sich ein solcher weder vertraglich noch technisch simpel. Durch den Umzug entstehen erhebliche Migrationskosten. Wird die Datenbank des Hyperscalers genutzt, hätte der Umzug eine Migration zur Folge. Durch Containerisierung von Applikationen und Kubernetes wird die Tiefe der Verankerung etwas verringert, die Herausforderung ist und bleibt aber das Datenmanagement.

Open-Source-Datenbanken einzurichten, ist zwar eine verfügbare Option, das generelle Ziel sollte aber sein, eine passende Datenstruktur für hybride Umgebungen zu schaffen, die man sich beliebig zusammenstellen kann. Die Klassifizierung nach Kunden-, Geräte-, Transaktions- oder Monitoring-Daten sowie eine Sourcing-Strategie für die Datenhaltung können helfen, flexibler zu agieren, falls es tatsächlich zu einem Hyperscaler-Wechsel kommen sollte.

Dabei ist es ratsam, die Datenhaltung nicht nur aus dem Operating heraus zu betrachten, sondern vor allem auch den Zugriff darauf für Entwicklung, Applikationen und Services. Getrieben von den großen Internet-Giganten gibt es bereits neue APIs, die unabhängig von der eingesetzten Datenstruktur sind. Und das muss auch vorhanden sein, damit die Applikation in verschiedenen Umgebungen eingesetzt werden kann, ohne den Code ändern zu müssen - und die hybride IT-Welt etwas leichter zu managen ist.