MWC 2018: So bewältigt Visa die Digital Disruption

Visa und Allianz starten Mobile Payment Service Allianz Prime

28.02.2018
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Eine eher ungewöhnliche Partnerschaft gaben Allianz und Visa während des Mobile World Congress (MWC 2018) bekannt: Gemeinsam bringen sie die Mobile-Payment-App Allianz Prime. Ferner setzt Visa verstärkt auf Payment-Dienste für IoT-Services.
Visa verkündete auf dem Mobile World Congress eine Partnerschaft mit der Allianz in Sachen Mobile Payment.
Visa verkündete auf dem Mobile World Congress eine Partnerschaft mit der Allianz in Sachen Mobile Payment.
Foto: Hill

Loyalty-Programme mit Kreditkarte? Eigentlich nichts Neues, fast jede namhafte Airline bietet einen entsprechenden Service und bei Autobauern gehört die eigene Kreditkarte schon langem zum guten Ton im Angebot der hauseigenen Finance-Töchter. Doch wenn eine Versicherung wie die Allianz auf der größten Mobilfunkmesse MWC in Barcelona die Einführung einer eigenen Kreditkarte ankündigt, dann lässt das aufhorchen.

Doch die Erklärung ist relativ einfach, die Allianz befindet sich wie viele andere Unternehmen voll in der Phase der digitalen Transformation (siehe auch "MWC 2018: Accenture-Studie zur digitalen Disruption"). Während andere Newcomer über das Internet das klassische Geschäft des Versicherers angreifen, steht der vor dem Dilemma, dass er über seine Kunden zu wenig weiß und mit ihnen - von der jährlichen Rechnung einmal abgesehen - keinen Kontakt hat. Doch ohne Daten lässt sich kaum neues Business generieren. Was liegt also näher, als selbst ein Loyalty-Programm aufzulegen?

Der Bentley war zwar ein Eyecatcher auf dem Visa-Stand, die Moblie-Payment-Implementierung per Tablet aber nicht unbedingt state of the art.
Der Bentley war zwar ein Eyecatcher auf dem Visa-Stand, die Moblie-Payment-Implementierung per Tablet aber nicht unbedingt state of the art.
Foto: Hill

Neue Wege muss auch Visa gehen: Das Unternehmen durchlebt ebenfalls disruptive Zeiten. Internet-Größen und Startups machen der Kreditkartenfirma das klassische Business streitig, so dass sie ebenfalls mit neuen Services aufwarten muss und zudem Antworten auf moderne Technologietrends wie IoT braucht.

Partnerschaft mit Allianz

Gemeinsam bieten Visa und Allianz Partners - als Dritter ist Wirecard mit im Boot - Verbrauchern eine neue Bezahllösung. Die App "Allianz Prime" vereint mobiles Bezahlen und ein Loyalty-Programm und ist damit eine Neuerung in der Versicherungsbranche. Die App verfügt über eine integrierte Sicherheitstechnologie, die von Visa entwickelt wurde. Diese ersetzt sensible Kartendaten durch einen eindeutigen digitalen Identifikator ("Token").

Die Abwicklung der Transaktionen und die Integration des Loyalty-Programms übernimmt Wirecard als Allianz-Partner für digitale Finanztechnologie. Allianz Prime wurde als globale Plattform entwickelt. Testen können die App vorerst ausgewählte Allianz-Kunden in Italien. Neben dem Bezahlen per Handy sollen Allianz-Prime-Nutzer außerdem von einem attraktiven Loyalty-Programm, einer intelligenten Ausgabenkontrolle sowie Digital Payments Protection von Allianz Partners profitieren.

Zahlen wir künftig per Wearables, wie dem Garmin Pay?
Zahlen wir künftig per Wearables, wie dem Garmin Pay?
Foto: Hill

Wie tief sich Visa bereits in der digitalen Transformation befindet, zeigt auch die Personalpolitik des Unternehmens. "Legten wir früher bei Neueinstellungen auf einen Finanz-Background wert, so suchen wir jetzt speziell Leute mit vertikalen Branchenkenntnissen", erklärt Avin Arumugam, Senior Vice President IoT, Programs and Venture bei Visa. Das Unternehmen will verstärkt in die neuen IoT-Märkte und dort Zahldienste für Consumer etablieren. Arumugam ist überzeugt: "Spätestens 2019/2020 wird das IoT-Consumer-Segment das erforderliche Business-Momentum aufweisen, so dass sich der Aufbau eines globalen Eco-Systems rechnet."

Die Proof of Concepts stehen

Sicher wird diese Entwicklung nicht alle vertikalen Märkte gleich schnell durchdringen. "Am schnellsten dürfte es die Bereiche Wearables, Connected Cars und Appliances betreffen", prognostiziert Arumugam. Um diese Märkte besetzen zu können, hat Visa mittlerweile nicht nur über 60 Proof of Concepts mit Partnern entwickelt, sondern auch seine IT-Politik geändert. Galt die Abrechnungs- und Transaktionssoftware, die im Hintergrund die Kreditkartenzahlungen abarbeitet, früher als Buch mit sieben Siegeln, so hat sich die Company in den letzten Jahren diesbezüglich fundamental geändert. Offene APIs sollen es Dritten ermöglichen auf Basis der Visa-Plattform neue IoT-Services und -Anwendungen zu entwickeln.

Dazu zählen Anwendungen wie etwa Supersmart im Berliner Visa Innovation Lab. Gemeinsam mit einem israelischen Startup entwickelte man einen Service, der an Amazon Go erinnert. Mit einem entscheidenden Unterschied, der nach Ansicht von Visa eher den Gewohnheiten deutscher Consumer entspricht: Beim Verlassen des Ladens wird der smarte Einkaufskorb kurz auf einen Kontrollpunkt gestellt und der Kunde erhält wie gewohnt eine detaillierte Rechnung mit gekauften Produkten und Preisen.

Bei Audi zahlt künftig der Rückspiegel

Als passives IoT-Device mit integriertem Token kann auch Schmuck künftig zum Mobile Wallet werden.
Als passives IoT-Device mit integriertem Token kann auch Schmuck künftig zum Mobile Wallet werden.
Foto: Hill

Einen anderen Payment-Dienst von Visa können demnächst Audi-Fahrer testen: Die Ingolstädter wollen in ihren Fahrzeugen eine Art Spiegel verbauen, der künftig per Mobile Payment Zahlunstransaktionen für Tanken, Parken oder die Maut auslöst. Der Clou dabei: Der Fahrer wird per Gesichtserkennung authentifiziert. Die Kreditkartendaten erhält der Spiegel entweder über das Mobile Wallet des Smartphones, wenn dieses mit dem Fahrzeug gekoppelt wird, oder sie werden als Token im Spiegel hinterlegt.

Zahlen per Ring

Auf das Token-Prinzip setzt Visa auch bei einem anderen Payment-Szenario - einem Ring zum Bezahlen. Im Gegensatz zu anderen Wearables wie etwa Garmin Pay handelt es sich dabei um ein passives IoT-Device. Getestet wird das Schmuckstück bereits gemeinsam mit der griechischen Nationalbank.

Blockchain taugt zum IoT-Bezahlen nicht

Auffallend ist, dass Visa beim Bezahlen im IoT-Umfeld am Token-Prinzip festhält, während viele andere mittlerweile das Blockchain-Konzept als Allheilmittel anpreisen. "In Sachen Speed, Durchsatz und vorhandenen Standards ist das Token-Konzept der Blockchain deutlich überlegen", verteidigt Arumugam die Strategie, "zumal für uns bei jedem Bezahlsystem gilt: Keep it simple." Ferner biete ein Token dem Consumer mehr Flexibilität, da er es selbst aktivieren und deaktivieren könne. Deshalb sieht er für die Blockchain im B2B-Umfeld Anwendungsgebiete aber nicht bei IoT im Consumer-Umfeld.