Virtuelle Vorstellungsgespräche

Trendsetter Videokonferenz-Bewerbung?

02.04.2020
COVID-19 wirkt sich auch darauf aus, wie Vorstellungs- und Bewerbungsgespräche geführt werden. Die Jobbörse Indeed sieht im krisenbedingten Trend zum Homeoffice eine Chance fürs Recruiting.
Videokonferenzen könnten sich im Zuge der Coronavirus-Krise zu einem wichtigen Recruiting-Standard auch für die Zukunft entwickeln.
Videokonferenzen könnten sich im Zuge der Coronavirus-Krise zu einem wichtigen Recruiting-Standard auch für die Zukunft entwickeln.
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Der Ausbruch des neuartigen Coronavirus COVID-19 beeinträchtigt seit Wochen weltweit jeden Aspekt des täglichen Lebens. Viele Unternehmen haben für ihre Mitarbeiter Homeoffice angeordnet. Das bringt nicht nur technische Herausforderungen mit sich, sondern macht auch eine Neubewertung und Anpassung bestehender Prozesse erforderlich.

Der Aufruf zur sozialen Distanzierung etwa schafft eine neue Situation für Personal wie auch für Bewerber. Bewerbungsgespräche finden zunehmend über Videokonferenzen statt. Das bedeutet für den gesamten Bewerbungsprozess ein Umdenken, erklärt Paul Wolfe, Senior Vice President Human Resources bei Indeed: "Unternehmen müssen die Methodik der Bewertung ändern und die Eignung der Bewerber mit Hilfe von Videochats, digitalen Einstellungstests und anderen Online Tools beurteilen." Sie müssen, so der Insider, prüfen, welche Art von Aufgaben sie den Kandidaten im Verlauf der Bewerbung stellen können. Gleichzeitig sei es wichtig, zu überlegen, wie sie das Arbeitsumfeld und die Unternehmenskultur ohne einen Besuch vor Ort präsentieren können. Kollegen und ihr Umfeld seien ein entscheidender Faktor bei der Jobwahl und der Mitarbeiterzufriedenheit, wie auch die Indeed-Studie "Meaning of Work" gezeigt habe.

Virtuelle Bewerbung - Online Tools unterstützen

Nicht alle Schritte aus dem Bewerbungsprozess können zu 100 Prozent auf den virtuellen Raum umgelegt werden. Häufig gibt es aber digitale Optionen, die sich gut als Ersatz eignen - oder sogar besser funktionieren. Bewerber auf Stellen im Technologiesektor müssen beispielsweise, so Wolfe, im Laufe der üblichen Bewerbungsrunden technische Herausforderungen lösen und Fragen an einer Tafel beantworten. Diese Art von Gesprächen finde in der Regel persönlich statt. Solche Aufgabenstellungen, etwa um die Programmierfähigkeiten eines Bewerbers zu prüfen, können in der Regel aber auch mindestens gleichwertig durch Online Tools abgebildet werden.

Paul Wolfe: "Im Idealfall stellen Unternehmen fest, dass ihre Produktivität nicht unter einem Wegfall der Präsenzpflicht leidet und dass sie ihren Mitarbeitern dadurch eine neue Flexibilität ermöglichen können. Dann könnte Home-Office in Zukunft der neue Standard werden - ganz freiwillig."
Paul Wolfe: "Im Idealfall stellen Unternehmen fest, dass ihre Produktivität nicht unter einem Wegfall der Präsenzpflicht leidet und dass sie ihren Mitarbeitern dadurch eine neue Flexibilität ermöglichen können. Dann könnte Home-Office in Zukunft der neue Standard werden - ganz freiwillig."
Foto: Paul Wolfe - Indeed

Anhand solcher Aufgaben können die Personaler und beurteilenden Kollegen dem Indeed-Manager zufolge nicht nur die technischen Fähigkeiten des Bewerbers einschätzen, sondern aus der Herangehensweise auch Schlüsse zu dessen allgemeinen Kompetenzen ziehen. Soll ein Kandidat eine Aufgabe in Zusammenarbeit mit anderen lösen, biete sich dafür eine digitale Kollaborationslösung an.

Vorstellungsgespräch per Videokonferenz - die Vorteile

Bislang haben Unternehmen zur Rekrutierung in den frühen Runden eines Bewerbungsprozesses häufig auf Telefongespräche gesetzt. Werden allerdings sämtliche Bewerbungsrunden für alle Kandidaten auf Videokonferenzen umgestellt, hat das diverse Vorteile. Wolfe: "Wenn man den Bewerbern schon früh im Prozess von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, anstatt nur zu telefonieren, kann das zu einer verbesserten Einschätzung der Kandidaten beitragen. Mimik und Gestik sagen mehr über Persönlichkeit und Motivation aus als nur die Stimme." Umgekehrt könne auch für die Bewerber ein virtuelles Vorstellungsgespräch wesentlich angenehmer sein als die sehr förmliche Situation in einem Büro. Die gewohnte Umgebung senke den Stresspegel, dadurch seien Bewerber weniger nervös und können mit mehr Selbstvertrauen auftreten. Gerade für Jobs, in denen die technische Ausstattung eine große Rolle spiele, sei es für die Bewerber hilfreich, ihr eigenes Setup zu verwenden. Das ist in der Regel stark individualisiert und ergonomisch auf sie zugeschnitten, um ihnen optimale Arbeitsbedingungen zu bieten.

Zudem sind Kandidaten bei formellen Treffen in der Regel verschlossener und bedachter darauf, sich sehr bewusst selbst darzustellen. In den heimischen vier Wänden dagegen verhalten sie sich tendenziell authentischer, sodass die zuständigen Kollegen besser einschätzen können, wie gut sie sich in das Team einfinden würden. Darüber hinaus nennt Wolfe noch einen Vorteil: Ein vollständig digitalisierter Bewerbungsprozess sorge für Chancengleichheit unter allen Bewerbern. In der Vergangenheit fanden Bewerbungsgespräche auf unterschiedlichen Wegen statt, teilweise virtuell, teilweise persönlich. Durch die Umstellung auf einen einheitlichen Prozess erfahre jeder Bewerber die gleichen Voraussetzungen für das Vorstellungsgespräch und den gleichen Umgang mit den zuständigen Kollegen.

Die aktuelle Situation bedingt durch das Coronavirus sei zwar temporär, ein Ende gegenwärtig noch nicht absehbar. Nichtsdestotrotz lohnt sich nach Meinung Wolfes ein Ausblick auf die Zeit danach: "Im Idealfall stellen Unternehmen fest, dass ihre Produktivität nicht unter einem Wegfall der Präsenzpflicht leidet und dass sie ihren Mitarbeitern dadurch eine neue Flexibilität ermöglichen können. Dann könnte Homeoffice in Zukunft der neue Standard werden - ganz freiwillig."

Hier noch einige Empfehlungen, wie sich Bewerber im virtuellen Vorstellungsgespräch ebenso professionell vorstellen können wie persönlich:

  • Energie zeigen. Emotionen können via Kamera anders wirken als im direkten persönlichen Kontakt, möglicherweise weniger intensiv. Umso wichtiger ist es, die gleiche Begeisterung an den Tag zu legen wie im persönlichen Gespräch.

  • Die Bekleidung sollte ebenso wie für ein reguläres Vorstellungsgespräch professionell gewählt werden.

  • Ablenkungen sollten möglichst vermieden werden - ein aufgeräumter Arbeitsplatz hilft dabei.

  • Eine Überprüfung der Technik ist unerlässlich. Funktionieren Mikrofon, Kamera und Lautsprecher? Ist die Internetverbindung stabil? Ist die Anwendung aktuell? Ein Ausfall der Technik oder ein automatisches Update der Anwendung mitten im Gespräch und der damit verbundene Abbruch der Videokonferenz ist sehr unangenehm für beide Seiten. (pg/fm)