KI-basierte Tools zur Bewerberauswahl

So verändert sich Recruiting mit KI

19.12.2019
Von 


Philipp Riedel ist CEO der Personalberatung AVANTGARDE Experts. Das Unternehmen vermittelt Fach- und Führungskräfte und verfügt über Standorte in München, Hamburg, Köln, Stuttgart und Dubai. Zu den Kunden zählen nationale und internationale Markenkonzerne, mittelständische Betriebe sowie Agenturen und Start-ups.
Die Künstliche Intelligenz in der Personalabteilung durchforstet Lebensläufe und analysiert Videodaten. Sie findet den Perfect Fit und zieht Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Bewerber. Doch wo steht der Recruiter in dieser Utopie ohne Papierkram und Datenchaos? Gemeinsam mit KI wird seine Arbeit noch anspruchsvoller, doch er kann seine Zeit auch effektiver nutzen.

Der grundlegende Bedeutungswandel des Recruiters vom Spürhund zum Datendeuter wird eine Spur der Disruption durch so manch angestaubte Personalabteilung ziehen. Zudem wächst sein Stellenwert immer weiter, da unbesetzte Stellen in Zukunft einer der größten Wachstumshemmer für Unternehmen darstellen.

Das Recruiting befindet sich in einer Schwellenphase, in der Big Data und KI das Personalwesen zwar immer weiter durchwirken, viele eingespielte Strukturen und Prozesse behaupten sich aber immer noch hartnäckig.

Vom Verwalter zum Gestalter

Die zielgruppengerechte Direktansprache über verschiedene Kanäle, das Active Sourcing, ist bereits die wichtigste Aufgabe im Berufsalltag eines Recruiters und gewinnt zukünftig durch die Unterstützung von intelligenter Technologie noch weiter an Bedeutung. Der Recruiter erstellt gezielt Talent Pools mit geeigneten Personen. Ihre mittel- und langfristige Pflege, der Ausbau und die Betreuung benötigen jedoch Fingerspitzengefühl und müssen somit zu seinem Handwerkszeug gehören. Der Recruiter muss eine aktive, gestalterische Rolle in der Kandidatenansprache einnehmen, um damit auch passive oder zögerliche Bewerber für das Unternehmen zu gewinnen.

Die Künstliche Intelligenz nimmt dem Recruiter langwierige Arbeit ab und vereinfacht die Vorauswahl. Damit bleibt ihm mehr Zeit für die sorgfältige Auswahl, wirklich passender Bewerber.
Die Künstliche Intelligenz nimmt dem Recruiter langwierige Arbeit ab und vereinfacht die Vorauswahl. Damit bleibt ihm mehr Zeit für die sorgfältige Auswahl, wirklich passender Bewerber.
Foto: MONOPOLY919 - shutterstock.com

Mit den passenden Tools gelingt den Personalabteilungen und ihren Recruitern der Schritt vom passiven Verwalten zum aktiven Gestalten:

1. CV Parsing

Mit CV Parsing gehört das händische Durchforsten von Papierbergen der Vergangenheit an. Die automatisierte Analyse von Lebensläufen funktioniert immer fehlerfreier und verschafft dem Recruiter in Zukunft deutlich mehr Handlungsspielraum am einzelnen Bewerber. Die Bewerbermanagement-Software sucht in Texten gezielt nach Informationen und wandelt diese in die vom Recruiter gewünschte Form. Sprachbarrieren werden marginalisiert und durch den Einsatz von OCR-Technologie funktioniert das CV Parsing auch bei der guten alten analogen Bewerbungsmappe.

Der Recruiter kommt dann ins Spiel, um festzustellen, wie die Soft Skills der Bewerber mit den Anforderungen der jeweiligen Stelle, sowie den Werten und der Kultur eines bestimmten Unternehmens in Einklang stehen.

2. Persönlichkeitstests

Analoge Tests wie der DISG oder auch der Myers-Briggs Typenindikator werden heute immer öfter als unzeitgemäße Sortiermuster von Bewerbern hinterfragt. Verschiedene Tools helfen dabei, festgefahrene Muster zu lösen und etablierte Vorurteile vieler Recruiter zurückzudrängen.

Die Software analysiert Sprache, Mimik oder Gestik in Videointerviews und zieht so Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Bewerber. So hilft sie dabei, eine Vorauswahl für die zu besetzende Position zu treffen.

Merkmale wie Intonation, Sprechpausen, Worthäufigkeit und der Gebrauch von Füllwörtern werden fernab des Aussageninhalts gefiltert und analysiert. So werden bereits im Voraus Erkenntnisse darüber gewonnen, wie dominant ein Bewerber auftritt, wie ausdauernd er ist, wie er sich in das Unternehmensgefüge integrieren und wie harmonisch das Zusammenspiel mit den Kollegen ausfallen könnte. Bis die Software dem Recruiter bei der finalen Entscheidungsfindung den Rang abläuft, werden jedoch noch einige Jahre vergehen.

3. KI getriebenes Matching

Der Einsatz von KI im Matching-Prozess bringt die Personaler der Wunschvorstellung vom Traumkandidaten, dem Perfect Fit immer näher. Die KI-Software checkt die Vereinbarkeit weicher Faktoren wie Mindset, Wertvorstellungen und Unternehmenskultur: Passt die Person zur vorgelebten Unternehmenskultur? Wie sieht es mit den Zukunftsplänen aus? Wo liegen verborgene Potentiale versteckt? Die Software sammelt hunderte Datenpunkte zu den jeweiligen Bewerbern und gleicht diese mit umfassenden Anforderungsprofilen der Unternehmen ab.

Die bisherige Intuition lässt sich heute mit Daten unterfüttern. Mit dieser Vorauswahl bekommen Personalberater zukünftig nur noch die vielversprechendsten 20% der Kandidaten auf den Tisch.Die neugewonnene Zeit kann dann dafür genutzt werden, herauszufinden, welcher der potentiellen Kandidaten tatsächlich am besten ins Unternehmen passt.

Somit bleibt die finale Entscheidungsgewalt bislang beim Recruiter, denn das Fingerspitzengefühl, zwischen verschiedenen, scheinbar perfekt passenden Kandidaten zu entscheiden, wird eine Maschine auch in vielen Jahren noch nicht aufbringen können. KI bringt uns den vernetzten Datenzauber reduziert den Einfluss von persönlichen Präferenzen der Recruiter bei der Kandidatenauswah. Die Ausprägung von sozialen Kompetenzen, wie zum Beispiel Empathievermögen, und einer eigenständigen Persönlichkeit in einer Maschine verbleibt vorerst Science-Fiction.