COMPUTERWOCHE-Studie

Der Cloud-Migration-Turbo stottert

22.05.2023
Von 
Dr. Andreas Schaffry ist freiberuflicher IT-Fachjournalist und von 2006 bis 2015 für die CIO.de-Redaktion tätig. Die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Berichterstattung liegen in den Bereichen ERP, Business Intelligence, CRM und SCM mit Schwerpunkt auf SAP und in der Darstellung aktueller IT-Trends wie SaaS, Cloud Computing oder Enterprise Mobility. Er schreibt insbesondere über die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen IT und Business und die damit verbundenen Transformationsprozesse in Unternehmen.
Cloud-Migration ist für eine Mehrheit der Unternehmen noch Neuland. Bei der Durchführung entsprechender Vorhaben fehlt zudem oft der strategische Ansatz.

Für den Erfolg einer digitalen Unternehmenstransformation ist unter anderem auch die Migration von Applikationen in die Cloud - Private Cloud, Public Cloud oder Hybrid-Cloud - und die Nutzung von Cloud-Services unverzichtbar. Wer darauf verzichtet, wird im Wettbewerb auf lange Sicht kaum bestehen.

Bis fast alle Unternehmen mit vollem Turbo in der Cloud durchstarten, wird es voraussichtlich noch etwas dauern.
Bis fast alle Unternehmen mit vollem Turbo in der Cloud durchstarten, wird es voraussichtlich noch etwas dauern.
Foto: lassedesignen - shutterstock.com

In Sachen Cloud-Migration herrscht noch Nachholbedarf

Allerdings haben nur 39 Prozent der Unternehmen gegenwärtig mindestens ein Cloud-Migrationsprojekt durchgeführt, davon lediglich vier von zehn auf der Grundlage eines strategischen Ansatzes. Das bedeutet: 60 Prozent führen die Cloud-Migration durch, ohne dafür vorab eine Strategie erstellt zu haben.

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Das sind zwei zentrale Ergebnisse aus der aktuellen Studie zum Thema "Cloud-Migration", die CIO, CSO und COMPUTERWOCHE zusammen mit den Partnern Lufthansa Industry Solutions, Spirit/21, Unit4, Ergon Informatik/Airlock, Comarch, Vodafone, Claranet, NTT Germany und NTT DATA Business Solutions realisiert haben. An der Studie nahmen 321 Geschäfts- und IT-Entscheiderinnen und -entscheider auf C-Level-Ebene, IT-Leiterinnen und -Leiter sowie Fachbereichsvertreter aus Unternehmen unterschiedlichster Branchen, Größen und Umsatzklassen in Deutschland teil.

Die gute Nachricht ist, dass für fast 90 von 100 Unternehmen die Migration in die Cloud zukünftig nur auf Basis eines strategischen Ansatzes infrage kommt. 48 Prozent wollen entsprechende Projekte entweder in den kommenden zwölf Monaten oder in ein bis drei Jahren in Angriff nehmen. Nachholbedarf in Bezug auf die Cloud-Migration haben in erster Linie kleine Betriebe (weniger als 500 Beschäftigte). Nur 29 Prozent haben ein oder mehrere solcher Vorhaben bislang umgesetzt oder planen dies.

Fast vier von zehn Unternehmen haben bereits Cloud-Migrationsprojekte realisiert.
Fast vier von zehn Unternehmen haben bereits Cloud-Migrationsprojekte realisiert.

Erfolgsfaktor Cloud-Strategie

Die hohe Bedeutung eines strategischen Ansatzes bei der Cloud-Migration zeigt sich daran, dass fast vier Fünftel der Befragten, die eine Cloud-Strategie verfolgen, mit den realisierten Cloud-Migrationsprojekten "sehr zufrieden" oder "zufrieden" sind. Zu den Punkten, mit denen sie besonders zufrieden sind, zählen unter anderem eine deutlich verbesserte Aufbewahrung der IT-Systeme, mehr Stabilität, Sicherheit und Performance sowie der Datenzugriff rund um die Uhr. Da durch den Cloud-Betrieb der IT-Systeme zugleich weniger Serverhardware im eigenen Rechenzentrum benötigt wird, spart das sowohl Platz als auch Kosten für Betrieb und Wartung.

Positiv sticht in diesem Zusammenhang hervor, dass 86 Prozent der Firmen, die über eine Cloud-Strategie verfügen oder eine solche planen, diese vollständig oder in Teilen mit der Unternehmensstrategie verknüpfen (wollen). Das lässt auf ein Alignment zwischen der internen IT und dem Business in Bezug auf Cloud-Migrationsprojekte schließen, das ebenfalls ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor ist.

Apropos Erfolg: Ein strategischer Ansatz trägt wohl auch deshalb zum Gelingen einer Cloud-Migration bei, weil sich technische wie auch organisatorische Herausforderungen und Risiken, die ein solches Projekt in sich birgt, auf diese Weise strukturiert und somit effizient bewältigen lassen. Aus technischer Sicht sind das in erster Linie Fragestellungen zur IT-Infrastruktur (42 Prozent), Security-Aspekte sowie Fragen zu Datenschutz und zu Compliance (jeweils 33 Prozent). Auf organisatorischer Ebene kämpfen Unternehmen vor allem mit der Komplexität des Themas (35 Prozent), der langen Dauer des Migrationsprozesses (32 Prozent) und, man höre und staune, mit fehlender Unterstützung durch das Management (29 Prozent). Gegen Letzteres hilft eher Überzeugungskraft statt Strategie.

Komplexität, Dauer, fehlende Management-Unterstützung: Die Liste der organisatorischen Herausforderungen im Kontext Cloud-Migration ist lang.
Komplexität, Dauer, fehlende Management-Unterstützung: Die Liste der organisatorischen Herausforderungen im Kontext Cloud-Migration ist lang.

Kernziele: Digitalisierung rauf, Kosten runter

Eine Cloud-Migration ist zudem nicht "nice to have", sondern soll dem Business wie auch der IT konkreten Nutzen bieten. Erwartet wird in erster Linie ein Schub bei der Digitalisierung (44 Prozent), eine Senkung von Kosten durch beschleunigte Prozesse (37 Prozent), eine Modernisierung von Applikationen (35 Prozent) und eine Erhöhung der Sicherheit (32 Prozent).

Überraschend sind in diesem Zusammenhang die Nutzenaspekte, die bei den Befragten lediglich eine untergeordnete oder nahezu keine Rolle spielen: zum Beispiel die Verbesserung von Compliance und Datenschutz (16 Prozent), die Steigerung der Skalierbarkeit (14 Prozent), das Erzielen von Wettbewerbsvorteilen und die Optimierung von Governance- und Kontrollmöglichkeiten (jeweils neun Prozent) oder das Erschließen neuer Geschäftsmodelle (fünf Prozent).

Angst vor Kontrollverlust spielt kaum eine Rolle

Besonders interessant: In der Debatte um die Cloud-Migration spielen die Angst vor einem Kontrollverlust und Sicherheitsbedenken kaum eine Rolle. Lediglich fünf Prozent der Unternehmen fürchten, die Kontrolle über die in die Cloud verlagerten Applikationen und Workloads zu verlieren. Über zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) sind dagegen der Ansicht, das Heft nach einem Wechsel in die Cloud in "sehr hohem Maß" oder "hohem Maß" in der Hand zu halten. Das gilt vor allem für große Unternehmen (76 Prozent), während mittelgroße Firmen (59 Prozent) und kleinere Betriebe (60 Prozent) hier skeptischer sind. Aufschlussreich ist, dass drei Viertel der C-Level-Verantwortlichen der Ansicht sind, (sehr) große Kontrolle über die in eine Cloud ausgelagerten IT-Systeme zu haben, doch nur sechs von zehn Fachbereichen.

Möglicherweise hängt die geringe Angst vor Kontrollverlust auch damit zusammen, dass eine deutliche Mehrheit bei der Cloud-Migration eher konservative Ansätze wie eine Hybrid Extension (49 Prozent), also die Verlängerung von Applikationen und Workloads in die Cloud, oder "Lift and Shift" (31 Prozent) bevorzugt. Die Tatsache, dass die Private Cloud mit großem Abstand das beliebteste Betriebsmodell ist - 41 Prozent der Unternehmen betreiben "cloudifizierte" Applikationen ausschließlich in einer Private Cloud -, spricht ebenfalls dafür, dass Unternehmen die Zügel in der eigenen Hand behalten wollen. 31 Prozent entscheiden sich für ein hybrides Betriebsmodell aus Private und Public Cloud, 24 Prozent für die Public Cloud eines Hyperscalers.

Klassisch-konservative Migrationsansätze wie Hybrid Extension oder "Lift and Shift" werden von den Unternehmen gegenüber beispielsweise SaaS-Modellen meist noch immer bevorzugt.
Klassisch-konservative Migrationsansätze wie Hybrid Extension oder "Lift and Shift" werden von den Unternehmen gegenüber beispielsweise SaaS-Modellen meist noch immer bevorzugt.

Mit Volldampf zurück - Zahl der Roll-backs steigt

Die Studie förderte darüber hinaus zahlreiche zum Teil überraschende Ergebnisse zutage. Zum Beispiel die, dass 28 Prozent der Befragten mindestens einen Roll-back durchgeführt und in die Cloud verlagerte Applikationen wieder ins eigene Data Center zurückgeholt haben. Und jeweils rund ein Fünftel plant einen Roll-back für das kommende Jahr oder in ein bis drei Jahren. Über die Gründe dieser "Gegenbewegung" lässt sich nur spekulieren. Entweder die Cloud-Migration stellt sich im Nachhinein als unnötig oder strategisch nicht notwendig beziehungsweise nicht sinnvoll heraus oder sie scheitert.

Dass die Cloud-Migration einen kulturellen Wandel anstößt, sei es in der IT-Organisation oder im ganzen Unternehmen, glaubt nur eine Minderheit. Lediglich 40 Prozent der Befragten stimmen (voll und ganz) zu, dass ein Cloud-Migrationsprojekt einen kulturellen Wandel in der IT-Organisation nach sich zieht - noch weniger, nämlich 37 Prozent, sagen das in Bezug auf die Unternehmenskultur.

Internes Know-how ist da, auch das Cloud-Budget soll steigen

Eine Mehrzahl von 64 Prozent der Befragten ist mit dem intern vorhandenen Know-how in Bezug auf Cloud-Technologien und Cloud-Services "sehr zufrieden" oder "zufrieden". Das bedeutet: Vielerorts hat man die Hausaufgaben gemacht und Kompetenz für eine anstehende Cloud-Migration aufgebaut. Unternehmen tun sich auch bei der Rekrutierung von IT-Personal, das entsprechend qualifiziert ist, offenbar nicht allzu schwer. Mehr als einem Drittel (34 Prozent) gelingt dies problemlos, 32 Prozent mit einigem Aufwand.

Trotzdem kommt man bei einer Cloud-Migration kaum um die externe Unterstützung durch einen spezialisierten IT-Dienstleister herum. Die vier wichtigsten Kriterien für die Auswahl sind das Vertrauen in den Anbieter (33 Prozent), eine Datenschutzzertifizierung nach DSGVO (30 Prozent), ein gutes Preis-Leistungsverhältnis (28 Prozent) und Technologie-Know-how in Bezug auf die Cloud-Migration (27 Prozent).

Erfreulich ist, dass 69 Prozent für das Jahr 2024 mit einer, zum Teil starken, Erhöhung (mehr als zehn Prozent) des Budgets für Cloud-Migrationsprojekte rechnen - der Energiekrise und steigenden Strompreisen zum Trotz. Allen voran C-Level-Verantwortliche (30 Prozent) und Fachbereiche (29 Prozent) erwarten eine starke Budgetsteigerung von mehr als zehn Prozent. Das ist ein wichtiger Baustein, um in Sachen Cloud-Migration den Turbo zu zünden.

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Studiensteckbrief

Herausgeber: CIO, CSO und COMPUTERWOCHE

Studienpartner: Lufthansa Industry Solutions, SPIRIT/21, Unit4 Business Software (alle Gold), Ergon Informatik/Airlock, Comarch Software und Beratung, Vodafone (alle Silber), Claranet, NTT Germany, NTT DATA Business Solutions

Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche in Unternehmen der DACH-Region: Beteiligte an strategischen (IT-)Entscheidungsprozessen im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs); Entscheidungsbefugte sowie Experten und Expertinnen aus dem IT-Bereich

Teilnehmergenerierung: Persönliche E-Mail-Einladung über die exklusive Unternehmensdatenbank von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE sowie - zur Erfüllung von Quotenvorgaben - über externe Online-Access-Panels

Gesamtstichprobe: 321 abgeschlossene und qualifizierte Interviews

Untersuchungszeitraum: 28. Februar bis 7. März 2023

Methode: Online-Umfrage (CAWI)

Fragebogenentwicklung und Durchführung: Custom Research Team von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Abstimmung mit den Studienpartnern