Dreimal Outsourcing rückwärts

12.03.2003
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Etwa zur gleichen Zeit wurde ein zweiter Automobilhersteller mit ausgelagerter IT von der Wirklichkeit eingeholt. „Wir haben mit einem Komplett-Outsourcing-Modell viel Lehrgeld dafür gezahlt, dass wir die Gestaltung unserer Prozesse und IT-Systeme einschließlich des Betriebs der IT-Infrastruktur in fremde Hände gegeben haben und innerhalb des Unternehmens auf dem IT-Sektor nicht mehr konzept- und urteilsfähig waren“, schildert Hartwig Faber, der heutige IT-Chef und CIO der Smart GmbH in Böblingen.

Wesentlicher Bestandteil des anfänglichen Smart-Geschäftsmodells war die möglichst geringe Fertigungstiefe. Komponenten wie Armaturen, Sitze, Antrieb und Elektrik lieferten Partner direkt ans Band. Auch den IT-Betrieb sollte ein Dienstleister übernehmen, der zudem aufgefordert wurde, sämtliche Vorleistungen auf eigenes Investment und Risiko zu erbringen. Bei der Entlohnung einigten sich die Partner auf ein innovatives Modell. Die IT-Kosten wurden an den Erfolg des Produktes gebunden, sprich pro produziertes Fahrzeug erhielt der Dienstleister einen bestimmten Betrag. Die Kalkulation basierte auf einer Jahreskapazitätsplanung. Der Partner ließ sich jedoch eine Mindestabnahmemenge für produzierte Fahrzeuge zusichern. Sollte diese nicht erreicht werden, wurden Ausgleichszahlungen zum Jahresende fällig.

Die IT, die der Partner installierte, war zum damaligen Zeitpunkt modern und vor allem homogen, denn sie wurde wie das Geschäftsmodell, die Marke, das Produkt, die Produktion und die Organisation komplett neu entworfen. Auf den Servern lief ausschließlich HP-UX. Anfangs gab es 750 PCs unter Windows NT 4.0 an den Standorten im lothringischen Hambach, dem schweizerischen Biel und in Renningen bei Stuttgart. Die Entscheidung über den Einsatz der Anwendungen wurde bereits 1996 getroffen. Alfons Huber, Leiter der Systemgestaltung Engineering Produktion Administration, erinnert sich: „Damals war der Standardsoftwaremarkt noch nicht so stark ausgeprägt wie heute. Trotzdem haben wir konsequent auf Standardprodukte gesetzt.“

Die Wahl fiel beispielsweise auf Catia für die Konstruktion, Matrix One für das elektronische Dokumenten-Management und Baan für Produktion. Die Querschnittsfunktionen wurden von SAP R/3 abgedeckt. Nur für die Dokumentation und Stücklistenverwaltung kam eine Individualsoftware zum Einsatz. „Der Verbund dieser Anwendungen hat insgesamt eine hoch integrierte IT-Gesamtlösung für Smart ergeben“, schildert Huber.

In der Praxis offenbarte das Smart-Modell seine Tücken. Die Markteinführung des Autos musste um ein halbes Jahr verschoben werden. Zudem trennten sich die Wege der Muttergesellschaften. Daimler-Chrysler übernahm die Anteile der Société Suisse de Microéléctronique et dHorlogerie (SMH), Hersteller unter anderem von Swatch-Uhren. Hinzu kam, dass entgegen den ursprünglichen Plänen die Modellpalette erweitert wurde, etwa um eine Rechtslenker-Version und die Cabrio-Variante Open Smart sowie weitere Sonderausstattungen. Die hausinterne Revision verlangte von der IT Testläufe für die Jahr-2000- und Euro-Umstellung. Diese Anforderungen, Änderungen und Neuerungen waren in der ursprünglichen und ohnehin knappen Kalkulation nicht vorgesehen. Auf den IT-Outsourcer kamen folglich Sonderanforderungen zu, die dieser als Quasimonopolist mit hohen Aufwandsschätzungen kalkulierte. Alles wurde plötzlich sehr teuer.

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