AWS-CISO Stephen Schmidt

"Wir setzen keine SLAs auf, die nur gut aussehen"

09.05.2013
Von 


Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.

Einige EU-Staaten gefährlicher als US-Regierung

CW: Sie sprechen die US-Regierung an. Inwiefern bereitet es Ihnen im Marketing Schwierigkeiten, dass diese durch den Patriot Act unter gegebenen Umständen Zugriff auf Cloud-Daten nehmen darf?

SCHMIDT: Es gibt viele Missverständnisse, was den Patriot Act angeht. Die Frage ist, ob unsere Kunden davon überhaupt betroffen sind. Wir betreuen Kunden in 190 Ländern und keiner von denen hat den Eindruck, dass der Patriot Act für ihn oder sie eine Gefahr darstellt. Ohne richterlichen Beschluss darf die US-Regierung nämlich nichts machen. Was viele immer nicht sehen, sind die umfassenden Zugriffsrechte auf IT-Systeme, die sich die Regierungen vieler anderer Länder abseits der USA einräumen lassen. So gibt es beispielsweise innerhalb der EU einige Staaten, in denen eine behördliche Anweisung ausreicht, damit auf Cloud-Daten und IT-Systeme zugegriffen werden darf. Es sind EU-Staaten, die die weltweit umfangreichsten Zugriffsrechte auf Cloud-Daten durch die Behörden gesetzlich verankert haben.

CW: Das EC3 (European Cybercrime Centre) hat in diesem Jahr unter dem Dach von Europol in Den Haag seinen Betrieb aufgenommen, um Cyberkriminalität länderübergreifend zu bekämpfen. Inwieweit arbeitet AWS mit dieser Behörde zusammen?

SCHMIDT: Wie viele andere Cloud-Provider auch werden wir den Strafverfolgern das nötige Wissen darüber zu vermitteln versuchen, wie Cloud Computing forensische Untersuchungen verändert. Bald können sie keine Festplatten mehr untersuchen, wie das bisher der Fall war. Deshalb haben wir einen forensischen Prozess etabliert, mit dem Strafverfolgungsbehörden Daten aus der Cloud erhalten können, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt und der sie zudem mit dem nötigen Basiswissen ausstattet, wie die Daten zu analysieren sind.

CW: Für wie sinnvoll und nachvollziehbar halten Sie die strengen EU-Datenschutzregeln allgemein?

SCHMIDT: Datenschutz an sich ist eine vernünftige Sache. Das Problem sind die von Land zu Land unterschiedlichen Auslegungen der Datenschutzgesetze. Als Service-Provider müssen wir sehr viel Zeit damit verbringen, diese zu analysieren und uns ihnen jeweils anzupassen. Deshalb wäre ein universell geltendes Datenschutzrecht natürlich schön.

Datenschutzgesetze jedem Staat selbst überlassen

CW: Wie bringen sie sich in die laufende Diskussion um die EU-Datenschutzreform ein?

SCHMIDT: Wir sind daran interessiert, dass sich Staaten bemühen, ihren Bürgern den Zugang zu Technologie zu erleichtern und deren Nutzung effizienter zu gestalten. Es liegt nicht an uns, zu entscheiden, wie die EU ihre Gesetze verfasst und die einzelnen Staaten sie umsetzen. Wir können Regierungen aber helfen, potenzielle Veränderungen zu begreifen, die die Fähigkeit ihrer Bürger beeinflusst, neue Technologien zu ihrem Vorteil nutzen zu können.

CW: Wer sind Ihre wichtigsten Wettbewerber?

SCHMIDT: Unsere Kunden, weil sie uns am stärksten fordern. Sie verlangen ständig nach neuen Features oder Benutzeroberflächen. Auf sie müssen wir als allererstes hören.

CW: In erster Linie wollen Ihre Kunden ihre Compliance-Vorgaben erfüllen. Wie unterstützen Sie sie im Auditing?

SCHMIDT: Unser Auditing-Prozess muss weltweit einsetzbar sein. Es gilt, diverse Standards zu erfüllen, die von Land zu Land unterschiedlich sind. In Europa geht es meist um ISO/IEC 27001 samt der ISO-27002-Kontrollmechanismen. In den USA sind es SSAE 16, SOC1 und SOC2, in Japan gibt es eine Serie von JAE-Standards und Singapur wiederum hat eigene Compliance-Regelungen. Wir bewahren sämtliche Standards in einer Art Master-Control-Set auf. Wenn ein Audit ansteht, suchen wir den jeweils zu erfüllenden Standard heraus und übergeben die dazu passenden Informationen und Belege an den Auditor, damit dieser die nötigen Tests vornehmen kann. Das Vorgehen und die Häufigkeit der Tests ist überall auf der Welt verschieden: Während eine Zertifizierung nach ISO 27001, die jeweils für drei Jahre gültig ist, einen Audit pro Jahr voraussetzt, gilt beim US-Standard SOC1 eine Testfrequenz von drei Monaten.

CW: Wie fällt Ihr Vergleich zwischen europäischen und amerikanischen Standards aus?

SCHMIDT: ISO 27002 beispielsweise definiert ganz genau, welche Kontrollmechanismen bestehen müssen - alle haben sich daran zu halten. SSAE 16 ermöglicht es Service-Providers hingegen, ihre eigenen Kontrollmechanismen einzubringen. Da aber viele unserer Kunden nach ISO zertifizieren lassen, können wir uns das nicht aussuchen.