Soziales Engagement

Warum IT-Profis nicht nur für Geld arbeiten

05.02.2009
Von Anja Dilk und Heike Littger
Einige Firmen ermöglichen ihren Mitarbeitern sich auch jenseits des beruflichen Alltags zu engagieren. Vier Beispiele zeigen, wie es geht und was es bringt.

Als Maik Schwarze von den neuen Freiwilligenprogrammen seiner Firma hörte, war er gleich dabei: Microsoft bot 50 Mitarbeitern 500 Euro oder drei freie Tage an, mit der Auflage, diese Ressourcen komplett in ihre eigenen Projekte zu investieren. IT-Berater Schwarze schlug ein. Sein Projekt: Computertraining und Bewerbungshilfe für Hauptschüler. "Viele Schüler haben von Programmen wie Office, Outlook oder Excel kaum eine Ahnung. Dabei spielen sie im Berufsleben eine sehr wichtige Rolle", sagt Schwarze. "Solche Leute scheitern, obwohl sie talentiert sind, oft an kleinen Fallstricken im Bewerbungsprozess."

Maik Schwarze von Microsoft hat Hauptschülern PC-Kenntnisse beigebracht.
Maik Schwarze von Microsoft hat Hauptschülern PC-Kenntnisse beigebracht.

Zweimal im Jahr schult der 35-Jährige eine Runde von Schulabgängern während seiner Arbeitszeit einen Tag lang im Einmaleins der Anwenderprogramme, zum Abschluss gibt es für die Teilnehmer ein "Microsoft Office Zertifikat". Am dritten Tag hilft er den Jugendlichen mit Bewerbungstipps auf die Sprünge.

Für ein paar Tage die Seiten wechseln, die Welt des Geldes und des Wohlstands gegen die Realität einer Drogenberatung, eines Behindertenheims oder eines Waisenhauses tauschen. Corporate Volunteering ist in Unternehmen mittlerweile keine Seltenheit mehr. Nicht nur weil das Engagement von Mitarbeitern in sozialen Institutionen dem Firmenimage gut tut; es lässt sich auch als Instrument für die Personal- und Teamentwicklung nutzen. Der Einsatz im In- und Ausland gilt als Crashkurs in Sachen Soft Skills. Weder Fachwissen noch Status sind gefragt, sondern allein der Mensch mit seiner Fähigkeit zuzuhören, Anteil zu nehmen, Vertrauen aufzubauen, Kräfte zu mobilisieren und Herausforderungen im Einvernehmen aller zu managen.

Einmal helfen reicht nicht

Für Microsoft als amerikanisches Unternehmen ist Corporate Volunteering Teil der Unternehmenskultur. Im Heimatland des Mutterkonzerns hat die Unterstützung von Freiwilligenarbeit Tradition. Mit den Programmen "3 Days Off" und "50 x 500" will Microsoft-Personalchefin Brigitte Hirl-Höfer nun hierzulande "noch mehr Mitarbeiter anregen, sich am bürgerschaftlichen Engagement zu beteiligen". Schließlich ist der Blick über den Tellerrand auch eine Bereicherung für die tägliche Arbeit im Konzern. Wer neben dem Job Hauptschülern auf die Sprünge hilft, mit der Rettungshundestaffel Oberbayern an Einsatzübungen und Spezialtrainings teilnimmt oder im Sportverein Jugendliche auf Trab bringt, geht anders mit Konflikten im Arbeitsalltag um, entwickelt neue Ideen, ist gelassener. "Entscheidend ist", sagt Microsoft-Berater Schwarze, "nachhaltig dran zu bleiben. Wenn Bürgerengagement ein einmaliges Erlebnis bleibt, erreicht man wenig - und profitiert auch selbst kaum davon."

Jörg Ritter, Egon Zehnder: 'Gerade Managern würde ehrenamtliche Arbeit gut tun.'
Jörg Ritter, Egon Zehnder: 'Gerade Managern würde ehrenamtliche Arbeit gut tun.'

Jörg Ritter kennt das. Er hat vor Jahren selbst einen Bürgerverein gegründet und sich mit ganzer Kraft reingekniet - Netzwerk aufbauen, monatliche Treffen mit dem Team, immer wieder nachhalten. "Das erdet ungemein", sagt der Leiter der Global Practice Group Industrial der Unternehmensberatung Egon Zehnder. Es öffnen sich andere Blickwinkel, stellen sich neue Fragen. "Gerade Managern in den höheren Etagen, vor allem auf Vorstandsebene, würde das gut tun." Gerne verweist Ritter auf den Chef des Max-Plank-Instituts für Bildungsforschung, den Psychologie-Professor Gerd Gigerenzer, der mahnt: "Achtet bei Bewerbern nicht nur auf die Schulterklappen, sondern vor allem auf ihre interdisziplinären und sozialen Kompetenzen. Wer hier gut abschneidet, arbeitet um 15 bis 20 Prozent effektiver."

Ritter hat das beherzigt. Für den Worldwide Fund for Nature WWF hat Zehnder unentgeltlich Geschäftsführer gesucht. Eine Kollegin betreut regelmäßig vernachlässigte Jugendliche. In Vorträgen plädiert der Berater mit Elan für mehr soziales Bewusstsein als Kriterium bei der Personalauswahl. "Stromlinienförmige High Potentials mit Kaminkarrieren, die gleich nach dem Studium durch die internationalen Konzerne gereicht werden, können wir auf Dauer nicht gebrauchen", so Ritter. "Wir benötigen Menschen mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund, die in der Lage sind, differenzierter zu reflektieren und ihre Antworten mit eigenen Erfahrungen zu belegen: Was ist soziale Gerechtigkeit? Wie können wir wirtschaftliche Krisen bewältigen?" Nur so lasse sich die Spaltung der Gesellschaft verhindern.