Peter Klingenburg war unter anderem Startup-Mitgründer und zwölf Jahre lang Geschäftsführer der T-Systems Media Solutions, bevor er sich jetzt als Head of Transformation bei der Muttergesellschaft T-Systems um die Umsetzung von Change-Projekten kümmert. Der studierte Wirtschaftsinformatiker weiß also, worauf es ankommt, wenn in Unternehmen Transformationsvorhaben stattfinden.
Ein Engagement für die Zukunft
In einer Online-Konferenz rund um das Thema Arbeit 4.0 machte er deutlich, warum es so wichtig ist, eine Kultur des Vertrauens im Unternehmen aufzubauen, damit die Beschäftigten an so einer Transformation aktiv mitwirken. Oft genug werde das Augenmerk zu stark auf die Technik, auf das Projektmanagement gelegt, aber "das Management vergisst, dass es am Ende Menschen sind, die eine Organisation ausmachen", so seine Bilanz aus langjähriger Führungstätigkeit.
Veränderungsbereitschaft sei nicht nur ein Schlagwort, Führungskräfte müssten sich vor Augen führen, dass sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor allem in Großorganisationen gut eingerichtet hätten - die Abläufe funktionierten, die Ergebnisse stimmten, das Gehalt sei ok - warum also etwas ändern, "nur, weil sich das ein schlaues Gremium ausgedacht hat?"
Das Management sei besonders gefordert, den Angestellten zu vermitteln, dass es sich lohnt, sich für eine positive Zukunft zu engagieren, von der sie als Beschäftigte profitieren können. Klingenburg gibt zu bedenken, dass die klassischen Management-Floskeln nicht mehr ziehen, wonach die Firma sich umstrukturieren muss, weil die Overheadkosten zu hoch seien, der Marktanteil sinke, oder die Profitmarge zu gering ausfalle. Denn oft genug sei es so gewesen, dass sich das Management "schon nach früheren Umstrukturierungen für seine Erfolge feierte, die Boni einheimste, und für die Beschäftigten nichts hängen blieb außer mehr Arbeit."
- Klar definieren, wer jetzt was zu tun hat
Mit dem Change geraten Zuständigkeiten und Rollen ins Fließen. Von Tag Eins an muss jeder Mitarbeiter wissen, was er jetzt im Moment zu tun hat. Bis sich das ändert und eine neue Ansage kommt. - Die Aufgaben nur skizzieren
Wer seine Mitarbeiter mitgestalten lässt, erreicht mehr. Deshalb ist es ratsam, eine grobe Skizze des Veränderungsprojektes zu zeichnen und das Team Vorschläge zur Ausarbeitung machen zu lassen, als einen schon komplett ausgereiften Plan zu präsentieren. - Die Team-Perspektive einnehmen
Wie betrifft der Change die Team-Mitglieder, was bedeutet die Initiative aus ihrer Sicht – wer diese Perspektive einnimmt, hat die Mitarbeiter auf seiner Seite. - Erfahrungen teilen
Erfahrungen teilen: Soweit möglich, sollten Mitarbeiter an konkreten Aktivitäten wie etwa Besuchen beim Kunden teilnehmen. Je näher sie den Change miterleben, umso besser. - Fragen zulassen
Fragen, die aus dem Team kommen, dürfen nie als Widerstand gelten. Ganz im Gegenteil. Ein Chef, der Fragen zulässt und sie beantwortet, kann schneller Teilverantwortungen an die Mitarbeiter übertragen. - Die Wirtschaftlichkeit darstellen
Neben viel Kommunikation mit dem Team geht es auch darum, Metriken und Kennzahlen für das Veränderungsprojekt zu entwickeln und diese deutlich zu machen. - Wissen, wo der Fokus ist
Innerhalb eines Changes ist viel Kleinteiliges zu klären und zu organisieren. Der Fokus darf darüber nicht vergessen werden. Regelmäßige Treffen müssen sich immer wieder auf diesen Fokus beziehen, eindeutige Metriken müssen deutlich machen, wo das Team gerade steht. - Teilziele updaten
Nicht jeder Meilenstein wird so zu erreichen sein wie ursprünglich geplant. Es ist daher wichtig, gemeinsam mit dem Team Teilziele regelmäßig auf den aktuellen Stand zu bringen. - Sich abstimmen
Gemeinsame Kalender für das Veränderungsprojekt und gemeinsam entwickelte Guidelines, die die Prioritäten festlegen: Das sind gute Wege, um die Arbeit der einzelnen Team-Mitglieder immer wieder aufeinander abzustimmen. - Commitment organisieren
Wer übernimmt die Verantwortung wofür und wie regelt das Team, dass diese Verantwortlichkeiten auch konkret ausgeführt werden? Solche Fragen sind gemeinsam zu klären. Die einzelnen Mitarbeiter müssen wissen, welchen Teil sie übernehmen, und sie müssen konkret formulieren können, was sie dafür von ihrem Chef brauchen. - Den Change in seine Geschichte einbinden
Das Team muss wissen, an welche früheren Punkte im Unternehmen der jetzige Change anknüpft und welche zukünftige Richtung sich damit abzeichnet.
"Ein Ziel nicht nur als Schlagwort definieren"
Führungskräfte müssten lernen, die Ziele klar zu kommunizieren. Warum das so wichtig ist, erläutert der T-Systems-Manager am folgenden Beispiel: Überall genießt das Thema Agilität höchste Priorität, kein Wunder, wenn dann in den firmeninternen Change-Workshops dieses Prinzip ganz oben auf der Wunschliste aller steht. Bei näherem Hinschauen entsteht dann die Frage: Wie ist Agilität gemeint? Etwa, dass Fachkräfte in Kundenprojekten agiler arbeiten, oder soll die eigene Organisation auf ein neues Umfeld eingestellt werden? "Deshalb ist es unerlässlich, ein Ziel nicht nur als Schlagwort zu definieren", fordert Klingenburg. "Und am besten meßbar zu machen, um danach die Fortschritte feststellen zu können."
Auf jeden Fall sei es Aufgabe des Managements zu sagen, wohin die Reise geht, also für eine klare Ausrichtung und Orientierung zu sorgen. Das Auftreten der Chefs müsse zeigen: Wir glauben an das Ziel, es ist erstrebenswert und es wird daran nicht gerüttelt. "Das Schlimmste, was passieren kann", so Klingenburg, sei, wenn das Management schon bei kleinstem Gegenwind verunsichert ist und keine Einigkeit über die weiteren Schritte herrscht.
Richtig sei aber auch, dass nicht "unendlich lang" über die Veränderungen geredet werden soll, Chefs sollten "konsequent und zügig" die Transformation umsetzen. Ein Vorgesetzter oder eine Vorgesetzte muss auch Vertrauen in sich selbst und die Führungskollegen oder -kolleginnen haben - nach dem Motto: Wir haben das gemeinsam beschlossen, und wenn es nicht sofort perfekt funktioniert, werden wir den Change nicht gleich in Frage stellen. Apropos Vertrauen: Klingenburg gibt zu bedenken, dass sich eine gute Führungskraft schon vor einer Transformation das Vertrauen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verdient haben muss. "Wenn es im Change-Prozess passieren soll, ist es zu spät."
"Glaubwürdigkeit entsteht durch Handeln"
Auf jeden Fall sollte das Management Zeitpuffer einplanen, denn selbst wenn alles reibungslos läuft, treten oft dort Überraschungen auf, wo man sie am wenigsten vermutet. Die Unternehmensleitung sollte ein Gefühl dafür haben, ob es etwa Abteilung für Abteilung oder Standort für Standort umbaut, damit sich die Mitarbeiter an die neue Situation gewöhnen oder ob sie es wagt, von heute auf morgen den Schalter umzulegen, denn "es gibt nicht den einen richtigen Weg", sagt der Dresdner Manager.
Und den aktuellen Bezug herstellend sagt Klingenburg. "Glaubwürdigkeit entsteht durch Handeln und nicht durch persönliche Nähe." Chefs müssten sich umgewöhnen. Durch die aktuelle Pandemie würden Führungskräfte und Angestellte nicht mehr ständig zusammensein, es bräuchte eine "andere Balance von Kontrolle und Vertrauen".
Klingenburg ist überzeugt, dass solche Führungskräfte besser durch die Pandemie kämen, die auch schon in der Vergangenheit gewohnt waren, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu führen, die auf mehrere Standort verteilt waren. Und die auf Vertrauen und Orientierung statt auf Kontrolle gesetzt haben. Umgekehrt dürften es diejenigen, die bisher nichts von Homeoffice wissen wollten und ausschliesslich auf physische Präsenz pochten, und davon soll es genug gegeben haben, es nicht so einfach haben, in der Nach-Corona-Welt zu bestehen.