SAP setzt Anwender unter Druck

14.02.2002
Von Christian Zillich

Was die Frage der abnehmenden Anrechnung auf Mysap.com-Lizenzen angeht, können die IT-Verantwortlichen der Degussa-Gruppe weitgehend entspannt abwarten: Als Teil des Eon-Konzerns werden sie auch künftig an dessen Rabattierung teilhaben können.

Mysap.com-Preismodell

Grundlegend setzt sich der Gesamtvertragswert für eine Mysap.com-Nutzung aus den Lizenzgebühren für die Anzahl der Nutzer unterschiedlicher Kategorien zusammen. Hinzu kommen die Preise für Ergänzungsprodukte wie Software-Engines zur Prozessautomatisierung oder für zusätzliche branchenspezifische Funktionalitäten. Das Payroll-Processing in Mysap-HR kostet beispielsweise 7500 Euro pro 500 Mitarbeiterstammsätze.

Zum so errechneten Applikationswert kommt ein Länderaufschlag für Nutzer in Staaten außerhalb der Europäischen Union sowie der Preis für die Datenbank. Dieser liegt je nach Hersteller zwischen sechs und elf Prozent des Applikationswertes. Kostenlos bieten die Walldorfer die Nutzung der SAP-DB an, vorausgesetzt, der Anwender zahlt 17 Prozent Wartungsgebühr auf den fiktiven Preis von sechs Prozent.

Zusammengenommen ergibt sich daraus der Gesamtlistenpreis, auf den die SAP je nach Auftragsvolumen Standardrabatte gewährt. Sie liegen zwischen zehn Prozent bei einem Volumen von 400000 bis 700000 Euro und 50 Prozent bei einem Gesamtlistenpreis von über 17 Millionen Euro.

Das Preismodell geht davon aus, dass für mindestens 25 Prozent aller Mitarbeiter im Anwenderunternehmen eine Lizenz erworben wird. Mit Großunternehmen und Firmen, auf die dies nicht zutrifft, schließt die SAP in der Regel Wertkontrakte ab.

Für Günther Deike vom Zentralbereich Informationsverarbeitung des Hamburger Sozialdienstleisters Pflegen und Wohnen stellt sich die Situation ähnlich dar. Das öffentlich-rechtliche Unternehmen bezieht die R/3-Lizenzen für seine 330 Anwender über einen Wertkontrakt der Hansestadt Hamburg. Einen Wechsel auf Mysap.com schließt Deike zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus, da das R/3-System erst vor drei Jahren eingeführt wurde und für eine Migration erhebliche Mehrkosten entstehen würden.

Dennoch fühlt er sich durch die abnehmende Anrechnung der bestehenden Lizenzen von SAP unter Druck gesetzt. Funktionell ergänzen will der Dienstleister sein R/3-System lediglich mit dem Enterprise Buyer Portal. „Das sollen wir jetzt außerhalb des Wertkontrakts zu den normalen Listenpreisen kaufen“, so Deike. Die Verhandlungen dauern an.

Dabei trifft ihn auch ein anderer Aspekt: Den Verkauf von einzelnen Komponenten wie BW oder APO hat die SAP mittlerweile ganz eingestellt. Hier müssen die Kunden auf die entsprechenden Mysap.com-Lösungen ausweichen. Im Beispiel BW bedeutet dies den Erwerb von „Mysap Business Intelligence“ mit einem Listenpreis von 5000 Euro für einen Professional-User.

Ein anderer Grund, warum sich viele Anwender über einen Wechsel auf Mysap.com Gedanken machen müssen, ist die Befristung der Wartung für ihre R/3-Systeme. Für die Releases 3.1I, 4.0B, 4.5B und 4.6B endet diese zum dritten Quartal 2003, die Pflege für Version 4.6C läuft zum ersten Quartal 2005 aus. Mit der für die zweite Hälfte dieses Jahres angekündigten Version R/3 Enterprise, die bis mindestens 2007 gewartet werden soll, haben die Kunden jedoch eine Möglichkeit, den Wechsel noch hinauszuzögern.