Prozesse visualisieren, analysieren, optimieren

Process Mining verspricht Durchblick im Prozessdschungel

30.04.2019
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Mit Process Mining etabliert sich eine neue IT-Disziplin, die dem digitalen Wandel noch einmal einen deutlichen Schub geben könnte. Derzeit sorgt allerdings eine kaum überschaubare Vielfalt an Ansätzen und Tools für Verwirrung.

Wer Geschäftsprozesse automatisieren beziehungsweise effizienter machen oder im Zuge sich schnell verändernder Marktbedingungen zügig anpassen möchte, muss zunächst einmal wissen, wie seine Prozesse überhaupt aussehen. Was so selbstverständlich klingt, ist keineswegs trivial. Viele Betriebe tun sich nach wie vor schwer damit, ihre Prozesslandschaften zu beschreiben, geschweige denn bestimmen zu können, welche Prozesse gut oder schlecht laufen. "Es gibt eine immense Lücke zwischen dem, was die Leute glauben, wie Prozesse abzulaufen haben - und wie sie tatsächlich ablaufen," konstatiert Rudolf Kuhn, CEO des Process-Mining-Anbieters ProcessGold.

In vielen Unternehmen herrscht immer noch Unordnung, was die Sicht auf die eigenen Prozesse betrifft.
In vielen Unternehmen herrscht immer noch Unordnung, was die Sicht auf die eigenen Prozesse betrifft.
Foto: TeraVector - shutterstock.com

Klassische Ansätze, Licht in den eigenen Prozessdschungel zu bringen, stoßen angesichts der zunehmenden Komplexität mittlerweile an Grenzen. Im Rahmen der herkömmlichen Geschäftsprozessmodellierung werden die Abläufe weitgehend manuell beziehungsweise Tool-gestützt ermittelt. Interviews mit Fachanwendern und Prozess-Spezialisten, die Sichtung von Unterlagen und Dokumentationen sowie die exemplarische Beobachtung von Vorgängen im Unternehmen resultieren in komplexen Prozesslandkarten, die oft Spielraum für Missverständnisse, Interpretationen und Fehler lassen.

Funktionen im Process Mining

Abhilfe verspricht das Process Mining, das sich vor über zehn Jahren aus Teildisziplinen wie dem Workflow-Management, der Geschäftsprozessmodellierung und dem Data Mining herausgebildet hat. Der Unterschied zu klassischen Verfahren: Statt Prozessdaten mühsam händisch zu sammeln und aufzubereiten, arbeitet Process Mining mit Log-Daten die automatisch von den prozessunterstützenden IT-Systemen generiert werden. Die Process-Mining-Tools bringen dafür Konnektoren oder sogenannte Loader zu Systemen wie beispielsweise Enterprise Resource Planning (ERP), Manufacturing Execution Systems (MES) und Supply Chain Management (SCM) beziehungsweise Datenbanken mit.

Die eingesammelten Daten werden in einem sogenannten Event-Log aufbereitet, das heißt vor der weiteren Analyse noch einmal auf Vollständigkeit, Konsistenz und Integrität geprüft sowie gegebenenfalls entsprechend bereinigt. Für eine sinnvolle Auswertung der Prozessdaten müssen diese bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Es braucht mindestens eine Case-ID sowie eine Aktivitätsbezeichnung, um die Log-Daten eindeutig einem Prozesskontext zuordnen zu können, sowie Zeitstempel wie Start- und Endpunkte.

Discovery, Conformance Checking und Enhancement sind laut dem Process Mining Manifesto die zentralen Elemente einer Process-Mining-Lösung.
Discovery, Conformance Checking und Enhancement sind laut dem Process Mining Manifesto die zentralen Elemente einer Process-Mining-Lösung.
Foto: Process Mining Manifesto W. van der Aalst et al

Mit Hilfe des Event-Log kann die Process-Mining-Software ein Ist-Modell des untersuchten Prozesses erstellen. Diese sogenannte Process Discovery bildet die Grundfunktionalität eines jeden Process-Mining-Werkzeugs. Der Vorteil: Prozesse lassen sich dabei in einer deutlich tieferen Granularität betrachten, weil viele unterschiedliche Prozessdurchläufe, auch als Prozessinstanzen bezeichnet, analysiert werden können. Gerade Abweichungen und Variationen in den Abläufen erlauben interessante Rückschlüsse darüber, welche Faktoren einen Prozess im positiven oder negativen Sinne beeinflussen.

Über die reine Erkennung und Visualisierung von Prozessstrukturen hinaus fragen Anwender heute weiterreichende Funktionen:

  • Beim Conformance Checking wird das vom Tool erstellte Ist- mit dem Soll-Modell eines Prozesses verglichen. Dafür bieten die Process-Mining-Tools zum Beispiel die Möglichkeit, Referenz-Modelle im BPMN-Format einzuspielen oder in der Software selbst ein solches BPMN-Modell zu entwickeln.

  • Ursachenanalysen (Root-Cause-Analysis) erlauben den Anwendern, einzelnen Abweichungen im Prozess auf den Grund zu gehen. Damit sollen sich dafür verantwortliche Attribute identifizieren sowie Muster für bestimmte Variationen erkennen lassen.

  • Im Zuge des Model- oder Process-Enhancement lassen sich aus der Analyse des Prozessmodells heraus Maßnahmen anstoßen, um die untersuchten Abläufe zu optimieren, beispielsweise um Durchlaufzeiten zu beschleunigen oder die Häufigkeit unerwarteter Varianzen zu verringern.

Um die Qualität eines Prozesses beurteilen zu können, bieten sich theoretisch noch weitere Möglichkeiten an. Karina Buschsieweke, Mitbegründerin und Innovationsmanagerin des Berliner Process-Mining-Startups Lana Labs, denkt beispielsweise an branchenspezifische Benchmarks, anhand derer sich die Prozessqualität bestimmter Abläufe unternehmensübergreifend analysieren ließe, beispielsweise im Umfeld der Automobilzulieferer. Dazu müssten aber die Betriebe mitspielen und sich bereit erklären, die Event-Logs ihrer eigenen Prozessorganisation für einen solchen Benchmark zur Verfügung zu stellen. So weit ist man in der Industrie allerdings noch nicht, räumt die Lana-Labs-Managerin ein. Auch wenn es durchaus technische Möglichkeiten gäbe, diese Daten zu sichern, beispielsweise durch Anonymisierung.

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Anwendungsfelder werden vielfältiger

Mit den zusätzlichen Funktionen erweitern sich auch die Anwendungsfelder für das Process Mining und gehen über die klassische Prozesserkennung, -analyse und -optimierung hinaus. Neben Finanzprozessen wie Auftrags- und Bezahlabwicklung kommt die Technik mittlerweile auch verstärkt in anderen Bereichen von Unternehmen zum Einsatz, beispielsweise für IT-, Service-, Verwaltungs- und immer häufiger auch Kundenmanagement-Prozesse. Wichtige Voraussetzung dafür: die systemübergreifende Integration der Process-Mining-Werkzeuge in die verschiedenen Business-Anwendungen.

Darüber hinaus kann Process Mining Aufschlüsse darüber geben, ob ein bestimmter Prozess Compliance-Regeln einhält. Die Technik hilft dabei, einzelne Abläufe zu dokumentieren. Das kann im Zuge von Audits hilfreich sein, wenn es gilt zu belegen, wie im Rahmen der Prozesse mit sensiblen Daten umgegangen wird. Der Compliance-Aspekt ist im Zusammenhang mit Process Mining noch in andere Hinsicht wichtig. So müssen die Unternehmen darauf achten, dass im Zuge der Sammlung von Log-Daten für das Event-Log keine Datenschutzregeln verletzt werden.

Auch für die Vorbereitung von Prozessautomatisierungsinitiativen ist Process Mining unentbehrlich. Bevor ein Softwareroboter bestimmte Aufgaben übernimmt, müssen die zuvor von Menschen ausgeführten Prozessschritte exakt erfasst und analysiert werden. Im Rahmen dieses Recordings lassen sich Process-Mining-Tools einsetzen, um dann später mit Robotic Process Automation (RPA) die nächsten Schritte zu gehen.

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Neben diesen Bereichen tun sich manchmal auch überraschend ganz spezifische Einsatzfelder auf, wie Buschsieweke von Lana Labs berichtet. Beispielsweise habe eine Anwendervertreterin im Rahmen einer Produktpräsentation festgestellt, Process Mining würde sich perfekt dazu eigenen, im Rahmen einer SAP-Migration eine Bestandsaufnahme der eigenen Prozesse zu machen und diese glattzuziehen.

Auch ein Mapping der unternehmenseigenen Prozesse mit den Prozessmodellen eines Zielsystems wie SAP S/4HANA ist mit Hilfe von Process Mining denkbar. So lässt sich festzustellen, ob im SAP-System festgelegte Standardprozessmodelle zu den eigenen unternehmensspezifischen Abläufen passen. Anhand der Process-Mining-Analyse können die Verantwortlichen besser entscheiden, an welchen Stellen es Sinn macht, sich dem SAP-Standardprozess anzupassen oder an den eigenen individuellen Abläufen festzuhalten.

Anbieter setzen auf KI und Machine Learning

Neben den dominierenden Anbietern Celonis und Software AG, die nach der Übernahme der IDS Scheer AG die BPM-Suite ARIS stark in Richtung Process Mining weiterentwickelt hat, hat sich mittlerweile eine rege Startup-Szene entwickelt, die das Thema Process Mining vor allem in funktionaler Hinsicht weiter vorantreibt - gerade auch in Deutschland. Beherrschende Faktoren sind dabei Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning.

Beispielsweise setzt Lana Labs aus Berlin bereits seit 2016 darauf, seine Process-Mining-Software mit Machine-Learning-Algorithmen anzureichern. Diese würden dabei helfen, Ursachen für Ineffizienzen und Abweichungen in den Prozessen zu erkennen, sagt Thomas Baier, Mitbegründer und Geschäftsführer. Darüber hinaus sollen KI-Modelle selbständig relevante Daten in unterschiedlichsten Systemen identifizieren und für die Prozessanalyse aufbereiten können. Andere Modelle könnten die Grundlage für selbstlernende Prozesse bilden, in denen Zusammenhänge zwischen den Daten und Abläufen automatisch erkannt und mit Systemkonfigurationen sowie Kennzahlsystemen in Korrelation gesetzt würden. Baier spricht in diesem Zusammenhang von einem "Smart Process Control System".

Die Prozess-Visualisierung im Process Mining von Lana Labs.
Die Prozess-Visualisierung im Process Mining von Lana Labs.
Foto: Lana Labs

Auch für Tobias Rother, Gründer und Geschäftsführer der Process Analytics Factory (PAF) GmbH, ist KI die nächste Stufe in der Weiterentwicklung des Process Mining. Es gelte, automatisch Kontextwissen aus den Systemdaten zu generieren und den Nutzern zur Verfügung zu stellen. Im Zuge einer "Artificial Process Intelligence" will Rother das Process Mining demokratisieren. Im Grunde ließen sich alle Mitarbeiter in den Unternehmen zu Prozessexperten weiterentwickeln, ist der Manager überzeugt.

Anwender können in PAFnow Berichte zu verschiedenen Prozessvarianten aufrufen.
Anwender können in PAFnow Berichte zu verschiedenen Prozessvarianten aufrufen.
Foto: Process Analytics Factory

Seine Software "PAFnow" hat das Darmstädter Startup eng mit Office 365 verknüpft. Erkenntnisse aus den Prozessanalysen sollen sich mit den Microsoft-Tools schneller in Teams geteilt werden können. könnten darüber hinaus direkt von ihrem Arbeitsplatz Maßnahmen für Prozessoptimierungen anstoßen und in der Folge prüfen, ob die beabsichtigten Verbesserungen auch wirklich eintreten. Teure Data Scientists seien in diesem Umfeld nicht mehr nötig, verspricht Rother. Die Mitarbeiter würden ihre Prozesse schließlich selbst am besten verstehen.

Andere Process-Mining-Anbieter zielen mit ihren Lösungen darauf ab, eine möglichst großflächige Prozessabdeckung sowie eine kontinuierliche Optimierung der Abläufe zu erzielen. Beispielsweise rückt die ProcessGold AG ihre ETL-Funktionen in den Vordergrund, die laut Anbieter eine integrierte Datenerfassung aus unterschiedlichsten Quellen wie SAP HANA, MS SQL und Oracle erlaubten.

Process Mining entfalte dann seinen größten Nutzen, wenn es nicht für einmalige Schnappschüsse von Prozessen verwendet werde, sondern für deren kontinuierliche Analyse und Optimierung, sagt CEO und Chief Mining Officer Rudolf Kuhn. Für die Transformation und Aufbereitung der einlaufenden Daten verfügt die ProcessGold-Lösung über eine eigene integrierte In-Memory-Datenbank. Damit erweitere sich Kuhn zufolge das Thema Process Mining um Aspekte wie Process Monitoring und Continuous Auditing.

Die Ploetz + Zeller GmbH will Process Mining nicht als isoliertes Tool, sondern als Teil eines umfassenden digitalen Managementsystems in den Unternehmen verstanden wissen. Geschäftsführer Oliver Zeller bringt eine digitale Unternehmenslandkarte ins Spiel, die laufend Live-Daten aus dem Geschäftsbetrieb sammelt und anhand derer sich Prozesse laufend beobachten, steuern und optimieren läßt. Die Verantwortlichen erhalten damit ein Abbild, wie Mitarbeiter, Kunden und Partner intern wie extern zusammenspielten.

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Zeller verweist auf die Notwendigkeit, auch manuelle Abläufe, die keinen digitalen Fußabdruck in den IT-Systemen hinterlassen, in das Process Mining mit einzubeziehen. Gelinge dies nicht, bleibe der Gesamtkontext lückenhaft und verhindere so einen ganzheitlichen Blick auf die Unternehmensprozesse.

Mit Process Mining zum Digital Twin

Mit der Perspektive, ein möglichst komplettes Bild von Unternehmens- und Prozessstrukturen zu zeichnen, kommt derzeit eine weitere neue Idee im Umfeld von Process Mining auf: die Schaffung eines Digital Twins. "Ein digitaler Zwilling eines Unternehmens ist ein dynamisches Softwaremodell, das sich auf operative oder andere Daten stützt, um zu verstehen, wie ein Unternehmen sein Geschäftsmodell operationalisiert, auf Veränderungen reagiert, Ressourcen einsetzt und Kundennutzen liefert", beschreibt Gartner-Analyst Marc Kerremans das Konzept.

Die Verantwortlichen in den Unternehmen bekämen damit ein Instrument an die Hand, das es ihnen erlaubt, Abhängigkeiten und Wechselwirkungen in Folge von bestimmten Maßnahmen und Entscheidungen zu simulieren, erläutert Kerremans den zentralen Vorteil eines solchen Digital Twins. Beispielsweise lasse sich herausfinden, inwieweit sich Maßnahmen wie Kostensenkungen oder Effizienzsteigerungen auf andere Bereiche und Abteilungen im Betrieb auswirkten - im positiven wie im negativen Sinne.

Kernelemente eines Digital Twin of an Organization (DTO) sind laut dem Gartner-Analysten

  • Ein Betriebsmodell des Unternehmens,

  • Daten zu Ressourcen, Prozessen, Mitarbeiterfunktionen und anderen Betriebskomponenten sowie

  • die Fähigkeit, alle relevanten Bestandteile zu monitoren.

Optional kann der digitale Organisationszwilling weitere Funktionen enthalten, beispielswiese für Controlling, Analytics, Simulationen oder spezifische Entscheidungsunterstützung.

Kerremans sieht in dem Digital-Twin-Konzept einiges an Disruptionspotenzial, wie Unternehmen künftig ihren eigenen Betrieb beziehungsweise die sie umgebenden Ökosysteme steuern werden. Allerdings, so schränkt der Gartner-Analyst ein, sei die Idee noch jung. Es fehle an Standards und Best Practices. Nichtsdestotrotz denken bereits die ersten Process-Mining-Protagonisten über entsprechende Konzepte nach. Beispielsweise arbeitet Lana Labs an einer Art Digital Twin Framework, das als Grundlage für Planungen und Prognosen fungieren soll. "Neue Strategien abgebildet als datengetriebene Simulationen", heißt es bei den Berlinern.

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Der Markt wächst und wird unübersichtlich

Die Dynamik im Process-Mining-Geschäft ist groß. Gartner taxierte das weltweite Marktvolumen vor zwei Jahren auf etwa 120 Millionen Dollar - allein Softwarelizenzen und Wartung eingerechnet. Den Analysten zufolge dürfte das Geschäftsvolumen mit Beratung und Services noch deutlich höher liegen. Gegenüber den Zahlen von vor zwei Jahren gehen die Marktforscher davon aus, dass sich die Process-Mining-Geschäfte bis zum laufenden Jahr verdreifachen, wenn nicht sogar vervierfachen könnten.

Olly Salzmann, Partner und Process-Mining-Experte bei Deloitte, plädiert für ein Referenzmodell für Process Mining, um für mehr Transparenz im Markt zu sorgen.
Olly Salzmann, Partner und Process-Mining-Experte bei Deloitte, plädiert für ein Referenzmodell für Process Mining, um für mehr Transparenz im Markt zu sorgen.
Foto: Deloitte

Auch bei Deloitte bezeichnet man Process Mining als eine der am rasantesten wachsenden Technologien am Markt. Der Hype habe allerdings auch seine Schattenseiten, konstatieren die Berater. So tummelten sich bereits mehr als zwei Dutzend Spezialanbieter mit unterschiedlichen Anwendungsschwerpunkten am Markt. Hier den Durchblick zu behalten, falle zunehmend schwerer. Dazu komme, dass die Technologie und ihr Praxiseinsatz im Grunde noch am Anfang stünden, stellt Olly Salzmann fest, Partner und Leiter des Center of Process Bionics bei Deloitte.

Als eine der größten Herausforderungen sieht er die Anbindung der relevanten Unternehmensapplikationen und in der Folge die Erschließung neuer Datenquellen, um Prozesse wirklich End-to-End betrachten und analysieren zu können.

Referenzmodell könnte Ordnung schaffen

Salzmann plädiert dafür, ein Process-Mining-Referenzmodell als Industriestandard zu etablieren. Damit ließe sich in einem zunehmend undurchsichtigen Markt mehr Vergleichbarkeit und Transparenz herstellen. Ein solches Modell soll dem Deloitte-Partner zufolge vier Stufen beinhalten:

1. Datenbereitstellung (Smart Data Discovery) - Identifikation und Extraktion von relevanten Informationen aus Quellsystemen

2. Datennormierung (Metamodell) - Vereinheitlichung und Harmonisierung der Informationen aus unterschiedlichen Quellsystemen

3. Prozessmodellierung (Prozess-Bibliothek) - Rekonstruktion der realen Prozessabläufe - Digital Process Twins

4. Prozessvisualisierung und -analyse (Analyse-Bibliothek) - Digitale Plattform zur Standardisierung innovativer Geschäftsanalysen

Anwender erhielten über einen Industriestandard mehr Orientierung in der Validierung und beim Einsatz von Process-Mining-Technologien, hofft Salzmann. Außerdem ließen sich Abhängigkeiten durch proprietäre Lösungskomponenten verringern. Darüber hinaus erhielten die Anbieter von Process-Mining-Tools mit dem Referenzmodell eine Richtschnur für die Weiterentwicklung ihrer Software. Erste Ansätze, ein solches Referenzmodell zu bauen, seien bereits im Rahmen von Forschungsprojekten von Industrie, Universitäten und Anbietern erkennbar, heißt es bei Deloitte.

Process Mining - wo bleibt der Mensch?

Angesichts der hohen Erwartungen an die Process-Mining-Technik mahnt der Altmeister des deutschen Business Process Management (BPM) August-Wilhelm Scheer jedoch zu mehr Pragmatismus. Process Mining mit Hilfe von Algorithmen vollständig automatisieren zu wollen, könne zu einer überhöhten Komplexität führen, schrieb der Wissenschaftler und Unternehmer vergangenen Herbst in einem Beitrag für den "Harvard Business Manager".

Aus Sicht von Prof. August-Wilhelm Scheer sollte die Interpretation von Ergebnissen in der Hand von Prozessmanagern bleiben.
Aus Sicht von Prof. August-Wilhelm Scheer sollte die Interpretation von Ergebnissen in der Hand von Prozessmanagern bleiben.
Foto: Scheer GmbH

"Zur Analyse, Beurteilung und Verbesserung der Prozesse ist aber vor allem fachliche Kreativität und Erfahrung erforderlich, so dass der Mensch nicht ersetzt wird", sagte Scheer. "Die Interpretation von Ergebnissen und die Ausarbeitung von organisatorischen Verbesserungen bleibt die Domäne des Prozessmanagers."