Rückführungstendenzen

Private Cloud vor Comeback?

Kommentar  14.09.2023
Von 

David Linthicum ist ein US-amerikanischer Technologieexperte und Buchautor. Zu seinen Schwerpunktthemen gehören unter anderem Cloud Computing, SOA, Enterprise Application Integration und Enterprise Architecture.

Angesichts explodierender Cloud-Kosten ziehen Unternehmen in Erwägung, ihre Workloads zurückzuführen – in eine Cloud im eigenen Rechenzentrum.
Private Cloud - ein Konzept mit (neuer) Zukunft?
Private Cloud - ein Konzept mit (neuer) Zukunft?
Foto: wacomka - shutterstock.com

Sie erinnern sich vielleicht: Vor nicht allzu langer Zeit stand die Private Cloud in der Gunst der Unternehmensentscheider ziemlich weit oben. Das begründete sich im Bestreben, Daten und Prozesse möglichst nicht aus der Hand zu geben - aber dennoch in die Cloud migrieren zu wollen.

In meinen Augen bieten Private Clouds im Vergleich mit einer On-Premises-Lösung nur geringe Vorteile - schließlich müssen Sie weiterhin Hardware einkaufen, aufrüsten und warten. Die Verfechter des Ansatzes würden auch heute noch auf diesen Einwand antworten, dass eine Private Cloud sämtliche Public-Cloud-Vorteile mitbringt, nur eben auf Hardware, die Sie selbst besitzen und kontrollieren.

Allerdings könnten zwei Entwicklungen die Ausgangssituation für Private Clouds verbessern.

Gründe für das neue Private-Cloud-Interesse

Zum einen stagnieren die Public-Cloud-Preise entweder - oder sie steigen. Zum anderen sind die Preise für Storage-Systeme und Server erheblich gesunken. Das veranlasst derzeit viele Unternehmen, ihre Position in Sachen Private Cloud neu zu überdenken.

Ein Beispiel ist etwa OpenStack - die Open-Source-Software, die am häufigsten verwendet wird, um private Clouds bereitzustellen. Obwohl diverse Unternehmen in den letzten zehn Jahren auf die Public Cloud gesetzt haben, ist die Software nicht verschwunden - im Gegenteil: Neue Versionen erscheinen immer noch regelmäßig und Community und Kontributoren sorgen für ein blühendes Ökosystem. Inzwischen ist OpenStack vollständig Kubernetes-basiert und damit "containerfreundlich". Somit können nun sowohl VMs als auch containerisierte Microservices-basierte Anwendungen gehostet werden. Open Stack ist also inzwischen Cloud-Native-fähig.

Abgesehen von den Hardware-Preisen und den hohen Kosten für Public-Cloud-Instanzen gibt es weitere Gründe für das neu aufkeimende Interesse an der Private Cloud. Zum Beispiel...

  • sind Multi-Cloud-Architekturen zum Mainstream geworden. Unternehmen können Private- und Public-Cloud-Umgebungen parallel nutzen.

  • zahlt der Cloud-Repatriation-Trend, bei dem die Unternehmen Workloads in das eigene Rechenzentrum zurückverlagern, auf Einführung von Private Clouds ein.

  • hat sich die Benutzerfreundlichkeit von Private-Cloud-Plattformen entscheidend verbessert. Das kann dazu beitragen, mehr Anwender anzuziehen.

  • unterstützen Anbieter wie Red Hat, Canonical und Mirantis weiterhin Private Clouds - ein Signal, dass der Markt nicht tot ist.

  • bieten die bekannteren Public-Cloud-Anbieter inzwischen "eingedampfte" On-Premises-Versionen ihrer Public-Cloud-Angebote, etwa Outpost von AWS und Stack von Microsoft. Diese auch als "Microclouds" bezeichneten Private Clouds arbeiten mit ihren Public-Cloud-Pendants in einer Hybrid-Cloud-Konfiguration zusammen.

Es ist komplex

Keine Technologie ist ein Selbstläufer - die Dinge verändern sich im Laufe der Zeit und geschäftliche Prioritäten verschieben sich. Unternehmen müssen ihre Anforderungen wirklich verstehen und auf dieser Grundlage das für sie richtige Lösungspaket wählen, das den größten Nutzen für das Business bringt.

Dabei sollten Sie den Nutzen einer Technologie auch mit Blick auf die Zukunft evaluieren. Auch wenn Private Clouds aktuell günstiger sind, bedeutet das nicht, das sie langfristig die beste Wahl darstellen. Schließlich finden Innovationen (beispielsweise Generative AI) im Regelfall im Public-Cloud-Umfeld statt. Andererseits laufen viele Anwendungen und Datensätze auf lokalen Plattformen möglicherweise günstiger und besser.

Das heißt für Sie: Evaluieren Sie alle Plattformen die für Sie in Frage kommen. Das ist etwas komplizierter und aufwändiger, aber auch zielführender als einfach die Scheuklappen aufzusetzen.

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.