Cloud-Rückführung?

Diese Anbieter führen Sie auf den Holzweg!

Kommentar  16.11.2022
Von 
Matt Asay ist Autor der US-Schwesterpublikation Infoworld.com.
Einige große Anbieter versuchen einen Trend zur "Cloud Repatriation" herbeizureden. Das ist Quatsch, denn es spricht viel mehr dafür sich – gerade jetzt – nicht aus der Cloud zurückzuziehen.
"Cloud Repatriation" ist höchstwahrscheinlich kein sinnvoller Weg für Ihr Unternehmen. Lesen Sie, warum.
"Cloud Repatriation" ist höchstwahrscheinlich kein sinnvoller Weg für Ihr Unternehmen. Lesen Sie, warum.
Foto: eamesBot - shutterstock.com

Mit Blick auf die weltweit problematischen wirtschaftlichen Aussichten könnte man zur Überzeugung gelangen, es wäre eine gute Idee, sich in einem privaten Rechenzentrum zu verschanzen und Workloads aus der Cloud zurückzuführen (auch als "Cloud Repatriation" bezeichnet), um Kosten zu reduzieren. Sie haben entsprechend ausgerichtetes Marketing-Geschwalle dieser Art sicher schon gehört: "Die Cloud ist großartig - wird aber noch besser, wenn Sie dazu kräftig in private Data Center investieren und ihre Applikationen auf die richtige Umgebung abstimmen". Passend dazu wird auf etwaige Umfragen verwiesen, die zum Ergebnis kommen, dass es unter CIOs gerade stark en vogue ist, sich aus der Cloud zurückzuziehen.

Auch wenn die Anbieter es gerne so hätten - dem ist nicht so. Und selbst wenn es tatsächlich so wäre, dass viele Firmen planen, ihre Workloads aus der Cloud zu holen: Lassen Sie das sein. Es gibt schließlich diverse gute Gründe dafür, warum Sie und praktisch jedes andere Unternehmen Workloads in die Cloud verlagert (hat). Und die haben angesichts einer drohenden Rezession nicht an Qualität eingebüßt - im Gegenteil.

Hallo, App-Friedhof

Eventuell ist dieser Ratschlag aber gar nicht nötig. Denn selbst wenn Sie mehr Server kaufen wollten, können Sie das momentan wahrscheinlich nicht - oder jedenfalls nicht so schnell, wie Sie es vielleicht möchten. So weist beispielsweise die Gartner-Analystin Lydia Leong darauf hin, dass Unternehmen wegen Data-Supply-Chainproblemen in die Cloud wechselten:

Ein weiterer Grund: Angesichts der schwer vorherzusagenden Kundennachfrage ist es riskant, sich mit Servern einzudecken. Sicher haben Sie von der jüngsten "Hetzrede" von 37signals-Mitbegründer und Basecamp-Partner David Heinemeier Hansson gelesen. Eventuell haben Sie auch zustimmend genickt, als Sie diesen Satz vernommen haben: "Computer zu mieten, ist für mittelständische Unternehmen mit stabilem Wachstum (meistens) ein schlechtes Geschäft."

Allerdings können Sie - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - kein stabiles Wachstum vorweisen. Das können speziell inmitten unsicherer Zeiten nur die Wenigsten. Zack Kanter, CEO beim Integrationsspezialisten Stedi, formuliert es so:

Wenn es sich um eine Applikation handelt, die sich im Grunde nie verändert oder deren Wachstum vorhersehbar ist, kann es durchaus sinnvoll sein, diese auf Ihrem eigenen Server zu betreiben. Allerdings klingen Anwendungen, die solche Merkmale aufweisen, für mich mehr nach App-Friedhof als alles andere. Zukunftsfähig sollte anders aussehen: Die Cloud ermöglicht es Unternehmen, die Anzahl der Anwendungen je nach Bedarf zu skalieren und so zu sparen. Meiner Meinung nach ist das ein wesentlich besseres Modell für Firmen, die unter unberechenbaren ökonomischen Bedingungen ihre Kosten optimieren wollen.

"Cloud Repatriation" kostet

Geoffrey Greene von DNDS Consulting analysiert in einem lesenswerten Artikel auf LinkedIn Pulse sämtliche Argumente, die David Heinemeier Hansson in seinem Blogpost anbringt, umfassend. Etwa, dass die Cloud nur für "sehr unregelmäßige" Workloads mit "wilden Schwankungen oder gewaltigen Lastspitzen" geeignet wäre. Zwar sei die Cloud gut für diese Art von Workload geeignet, darüber hinaus aber auch für statische: "Im Fall von vorhersehbaren Workloads bieten AWS und andere Cloud-Anbieter das Konzept der 'reservierten Instanzen'. Hier lassen sich bis zu 70 Prozent Rabatt realisieren", schreibt Greene und konstatiert, dass es sehr einfach sei, eine teure Anwendung auf AWS kosteneffizient zu gestalten.

In der Tat hat Greene wahrscheinlich Recht mit seiner Einschätzung, die Argumente von Heinemeier Hansson für die Rückführung von Workloads aus der Cloud seien größtenteils nichtssagend und nicht faktenbasiert. Er kommt zu dem Schluss, dass 37signals "vielleicht zugeben sollte, dass das nur aus Coolness-Gründen geschieht, nicht weil es besser, billiger oder schneller ist. Sie wollen sich mit ihrer eigenen Hard- und Software austoben."

Was es umso wahrscheinlicher macht, dass dieser Weg für Ihr Unternehmen wahrscheinlich nicht der richtige ist. Machen wir uns nichts vor: Die Cloud-Anbieter auszustechen, ist nicht möglich. Sie bieten zu viele Vorteile in Sachen Security, Performance und Effizienz. Wahrscheinlich haben Sie großartige Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen an Bord - die sich idealerweise darauf konzentrieren sollten, höherwertige Cloud-Dienste für Sie zu realisieren, statt sich mit Storage- und Compute-Servern herumzuschlagen.

Leider muss ich an dieser Stelle noch ein wenig auf Dell herumhacken, denn das Unternehmen scheint die Botschaft vom Trend zur Cloud-Rückführung besonders stark zu forcieren. Dabei hat der Technologieriese auch Sponsored Posts geschaltet, die einen Rückzug aus der Cloud als "Modernisierung der IT ohne Kompromisse" bewerben. Sorry, aber das könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein: Eine "Cloud Repatriation" erfordert den größten Kompromiss überhaupt. Sie verlangt von Unternehmen, Geld in eine kostspielige, schwer zu verwaltende Infrastruktur zu stecken, die sie in Sachen digitale Transformation kein Stück weiterbringen wird. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.