Welche Standsoftware der Mittelstand braucht

Kampf um jedes Projekt

24.09.2002
Von 
Bernd Seidel ist freier Journalist und Coach in München.

Ansonsten bleiben die Anbieter bei ihren Leisten - trotz oft anderslautenden Marketing-Aussagen und einiger Ausreißer: Die Infor AG aus Friedrichsthal, die Hüfinger Bäurer AG etwa bedienen und die Proalpha AG überwiegend Betriebe mit Serienfertigung und den Anlagenbau. Bäurer und Proalpha

Branchenfunktionen bauen

sind daneben auch im Großhandel zu finden. PSI aus Berlin ist speziell für den Anlagenbau und die Serienfertigung konzipiert, und die beiden AS/400-Anbieter Brain AG aus Breisach und die Münchner Soft M AG zielen auf Serienfertiger und den Großhandel, wobei die Bajuwaren zusätzlich ein starkes Standbein in der Prozessindustrie haben.

Für viele Anwenderunternehmen drängt nun die Zeit, sich für ein neues Produkt zu entscheiden, weiß Werner Schmid, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft GPS aus Ulm. „Die Datum-2000- Problematik und die Einführung des Euro waren ein Kraftakt“, erklärt er. „Viele haben es nicht rechtzeitig geschafft, neue Lösungen einzuführen, und an den alten Systemen herumgeschraubt, um die beiden Hürden zu nehmen.“ Nun brauchten sie dringend Ersatz. Eine veraltete Finanzbuchhaltung und Planungssysteme, starre Produkte, keine Möglichkeiten, die Anwendungen über Standardschnittstellen für externe Partner zu öffnen, oder schlicht auslaufende Wartungsverträge für Hardund Software seien die Gründe für eine Ablösung.

 

 

 

 

 

 

 

 

„Schnittstellenprobleme und die Dopplerfassung von Daten standen bei uns auf der Tagesordnung, bis wir auf ein neues System umgestellt haben“, berichtet Tobias Hell, IT-Leiter bei Sahco Hesslein. Die mittelständische Textilagentur aus Nürnberg setzt heute Apertum ein, eine ERP-Lösung, die seit der Übernahme von Navision zu Micorosoft Business Solutions gehört. Zuvor kamen in dem 200 Mitarbeitern starken Betrieb diverse nicht integrierte Systeme für Stoffvertrieb und -produktion, die Musterfertigung sowie für die Buchhaltung und ein Versandsystem zum Einsatz. „Gleichzeitig wollten wir auch raus aus dem Preisdiktat eines Hardwarelieferanten“, sagt Hell. „Die alten Systeme liefen auf der AS/400 (heute „I-Series“), und die bekommt man halt nur von IBM.“ Für die neue Windows-basierende Software könne er sich nun beim Händler um die Ecke zu „Marktpreisen“ mit Hardware eindecken.

 

 

 

 

 

 

Solche Sorgen plagen IT-Leiter Meffert nicht. Der Grund: „Wir arbeiten mit Baan IVc, das jetzt - nach vielen Anlaufsschwierigkeiten - unsere Kernprozesse gut abdeckt und stabil läuft.“ Noch ist er also auf der sicheren Seite. Im Bereich Produktion und Warenwirtschaft habe die Software ihre Stärken, schwach seien dagegen die Funktionen für Buchhaltung und Controlling. Ein altes Problem von Baan, doch für das Testat der Wirtschaftsprüfer hat es gereicht. Eigentlich könnte sich Meffert also noch weiter zurücklehnen, wenn es das Thema Release-Wechsel nicht gäbe. „Irgendwann müssen wir den machen, denn die Version IVc ist seit rund fünf Jahren auf dem Markt.“ Und jetzt kommt sein Problem: Der Wechsel auf das Nachfolgeprodukt „Baan ERP“ kommt der Einführung eines neuen Produktes gleich. „Deshalb schauen wir uns am Markt um.“

Meffert zieht dabei die ganze Palette an möglichen Lösungswegen ins Kalkül: von dem Kauf einer anderen Standardsoftware über einen Ansatz, die besten Lösungen verschiedener Anbieter zu kombinieren (best-of-breed), bis hin zu der Option, eine Software für die Kernaufgaben eines Unternehmens aus der Prozessindustrie eigens entwickeln zu lassen. „Wir sind für alles offen.“ Die Lösungen von Proalpha, natürlich Baan („Das haben wir ja im Haus“), die Microsoft- Produkte mit dem Navision- Nachfolgeprodukt „Attain“ oder Marcam und Intentia stehen auf der Auswahlliste. SAP ist mit drei Systemhäusern ebenfalls unter den Anbietern. R/3 will sich Meffert allerdings nur „antun“, wenn er keine bessere Lösung findet, da es zu unflexibel und zu teuer ist.

GPS-Mann Schmid begrüßt eine solch besonnene Vorgehensweise. Auch wenn die Zeit drängt: „Unternehmen sollten sich genau überlegen, was sie wirklich wollen und

Offen für alles

brauchen. Das muss nicht Monate dauern. Binnen weniger Tage und Wochen lässt sich die Spreu vom Weizen trennen.“ Doch in der Firmenpraxis sieht das anders aus: Kostendruck und knappe Ressourcen führten leider immer wieder zu Fehlentscheidungen. Schmid: „Anwendern reicht es oft, wenn sie ein paar Hochglanzfolien gesehen haben und der Anbieter einen Namen hat.“ Dann würde politisch motiviert „aus dem Bauch heraus“ entschieden.