IPv6: Migrationsdruck nimmt langsam zu

23.01.2002
Von Martin Seiler

Kennungsvergabe eine praktikable Lösung gefunden.

Ebenfalls keinen Grund zum Wechsel erkennt momentan Vladimir Pal, Marketing-Manager für Data- und Internet-Services bei Colt: "Wir nutzen bislang IPv4 und sehen zu diesem Zeitpunkt weder für das Unternehmen noch für unsere Kunden einen Vorteil darin zu wechseln." Wie Keilwerth setzt Pal auf NAT, um mit den knappen IPv4-Adressen auszukommen. "Der Aufwand einer Umstellung auf der Carrier- oder auf der Endkunden-Seite", lautet sein Fazit, "steht heute nicht in Relation zum Nutzen von IPv6."

Ähnlich skeptisch sieht auch Peter Held, Technical Manager bei 3Com Deutschland, die Erfolgsaussichten für die neue IP-Generation. Er rechnet ebenfalls mit einem Zeitfenster von drei bis fünf Jahren und äußert Zweifel, ob sich IPv6 letztlich überhaupt zu 100 Prozent durchsetzt. Held sieht in der Diskussion IPv4 versus IPv6 Analogien zum Themenkomplex ATM kontra Ethernet, "wo ebenfalls nicht die bessere, sondern die günstigere und bewährte Technik langfristig das Rennen machte". Die entsprechenden Workarounds wie dynamische Adressvergabe, NAT oder ergänzende Sicherheitsverfahren vorausgesetzt, könne IPv4 noch lange der De-facto-Standard bleiben. Angesichts dieser Ungewissheit sieht Held für kleine und mittlere Unternehmen momentan keinen Handlungsbedarf, "zumal diese, sollte sich IPv6 doch schneller etablieren, über Gateways weiter Kontakt erhalten".

Firmen mit großen Enterprise Networks empfiehlt er aber, sich gedanklich auf eine Migration vorzubereiten. Zudem rät er allen IT-Verantwortlichen, bei der Anschaffung von neuem Equipment auf eine Upgrade-Möglichkeit zu achten, um sich einen späteren Migrationspfad nicht zu verbauen. Eine Einschätzung, die Ralf Kothe, Product Marketing Manager beim Konkurrenten Cisco, teilt: "Die Migration bedeutet für die meisten Campus-Layer-3-Switches ein Hardware-Upgrade und für Router ein Software-Update."

Letztlich, so Rudi Brandner, bei Siemens ICN für Internet-Standardisierungsfragen zuständig, seien Vorhersagen zur Zukunft von IPv6 Orakelsprüche. "Entscheidend ist doch, ob der Leidensdruck für ein Unternehmen oder einen Carrier so groß wird, dass sich die Einführung rechnet", hält Brandner den zahlreichen Prognosen entgegen. Ein Leidensdruck, der schneller eintreten könnte als erhofft. "Ein Internet-Provider, der wegen fehlenden IP-Kennungen seinen DSL-Kunden keinen Zugang mehr anbieten kann, wird sehr schnell migrieren, da sein Geschäft in Gefahr ist", so der Siemens-Manager.