Indien - ein Kapitalismusmärchen

17.05.2006
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Ministerin Prabha sagt, dem Durchschnittshaushalt stünden 3000 Rupien im Monat zur Verfügung. Das sind etwa 60 Euro. Wer nach zehn Jahren Schulausbildung, zwei Jahren College und einem vierjährigen Ingenieursstudium mit 22 Jahren als Berufsanfänger seine Karriere bei Satyam beginnt, bekommt nach Angaben von Personalchef Hari T im Jahr zwischen 6000 und 6500 Dollar. Das ist mithin mehr als das Sechsfache des indischen Durchschnittseinkommens - die privilegierte soziale Stellung wird dem Arbeitsvertrag also gleich beigelegt.

Offshoring? Kein Thema

Unser Fahrer erzählt, er und seine Frau lebten von 2000 Rupien im Monat - 40 Euro. Die Hälfte davon geht für die Miete drauf, "der Rest für Reis", wie er sagt. Voller Stolz erzählt er trotzdem, er könne es sich leisten, dass seine Frau nicht zu arbeiten braucht. Vielmehr habe sie das Privileg, ihrer Hausfrauentätigkeit nachzukommen.

"Deutsche Firmen haben ein psychologisches Problem mit dem Offshoring." Peter Heij
"Deutsche Firmen haben ein psychologisches Problem mit dem Offshoring." Peter Heij

Bei solchen Lohnstrukturen und den Lockangeboten des Staates sollte sollte man erwarten, dass sich deutsche Unternehmen den Versprechungen des Offshoring-Wunderlands öffnen würden. Zahlen des indischen Verbandes Nasscom (= National Association of Software and Service Companies) zeigen aber ein anderes Bild: 66,5 Prozent aller IT-Services, die das asiatische Land im Jahr 2004/05 exportierte, gingen in die USA. Europa nutzte die Dienste nur zu 23,1 Prozent. 60,6 Prozent von diesem europäischen Anteil vereinnahmte allein Großbritannien für sich (weltweit betrug der Anteil des Vereinigten Königreiches 14 Prozent).

Lediglich 2,3 Prozent der von indischen Unternehmen geleisteten IT-Services weltweit gingen hingegen nach Deutschland. Die Zurückhaltung hierzulande, sich der Offshoring-Dienste der Satyams, Wipros, Infosys’ oder TCS’ zu versichern, führt Satyams Direktor Kontinentaleuropa, Peter Heij, auf ein psychologisches Problem zurück.