Indien - ein Kapitalismusmärchen

17.05.2006
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Satyam-Entwicklungszentrum in Berlin? Gibt denn das einen Sinn?

Satyam plant nach den Aussagen seines Gründers und Chairmans Ramalinga Raju, bis Ende 2006 ein Entwicklungszentrum in Europa zu eröffnen. Überlegt wird, ob es in Berlin, Malaga, Polen oder Tschechien aufgebaut werden soll. CW-Redakteur Jan-Bernd Meyer sprach darüber mit dem gerade zum Director of Continental Europe von Satyam Computer Services Ltd. ernannten Peter Heij in Hyderabad.

CW: Stimmt es, dass Satyam ein Entwicklungszentrum in Berlin eröffnen wird?

Heij: Berlin macht doch keinen Sinn, wenn man deutschen Firmen Nearshoring-Angebote machen will.

CW: Stimmt es denn aber, dass Satyam ein Unternehmen übernehmen und daraus das Entwicklungszentrum rekrutieren will?

Peter Heij, Director of Continental Europe von Satyam Computer Services Ltd..
Peter Heij, Director of Continental Europe von Satyam Computer Services Ltd..

Heij: Ja, wir suchen nach einem Unternehmen, das wir übernehmen können.

CW: Berlin wird es ja nun nicht nach Ihren Worten. Wo suchen Sie denn dann?

Heij: Wir suchen momentan im Raum Frankfurt, Mannheim und München nach solch einer Firma.

CW: Irgendwelche Bedingungen, die diese Firma als potenzieller Übernahmekandidat erfüllen sollte?

Heij: Es sollte Kompetenz in einem horizontalen Branchensegment vorweisen, in dem Satyam noch nicht so stark ist, beispielsweise Supply-Chain-Management. Interessant wäre für uns aber auch Spezialwissen in einem vertikalen Marktsegment. Hier denke ich etwa an die Finanz- oder Automotive-Branche.

CW: Ist egal, wie groß das zu akquirierende Unternehmen ist?

Heij: Definitiv nicht. Es sollte nicht mehr als 100 bis 200 Mitarbeiter besitzen.

CW: Schön wäre sicherlich, wenn das Unternehmen eine Morgengabe mitbrächte in Form einiger interessanter Kunden?

Heij: Genau. Der potenzielle Übernahmekandidat sollte eine Kundenklientel aufweisen, die Satyam wiederum hilft, in Europa weiter Fuß zu fassen.

CW: Warum sind indische Anbieter von Offshoring-Diensten wie Satyam, Wipro, Tata oder Infosys speziell in Deutschland noch unterrepräsentiert?

Heij: Ich denke, deutsche Firmen haben ein psychologisches Problem mit dem Offshoring an eine indische Firma, die diese Services von Indien aus anbietet. Deshalb haben wir Budapest als Nearshoring-Center etabliert. Dieser Ort kann für deutsche Unternehmen als Sprungbrett fungieren. Wenn die erst einmal Dienstleistungen aus Budapest beziehen, ist der Schritt zu Offshoring nach Indien auch nicht mehr schwer.

CW: Warum fällt deutschen Firmen die Auftragsvergabe an Satyam schwer?

Heij: Ich will die Frage mal so beantworten: Ich hielte es für vorteilhaft, wenn Satyam seinen Namen änderte. Das hat die Konkurrenz ganz geschickt gemacht. Die heißen Wipro, Infosys oder TCS (= Tata Consulting Services, Anm.d.Red.). Das wirkt eher amerikanisch. Bei Satyam weiß jeder, dass das eine indische Firma ist. Und das ist aus psychologischen Gründen nicht vorteilhaft.