Für die DMS-Anbieter wird die Luft dünn

28.05.2002
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Derweil versuchen die überlebenden DMS-Firmen, an die verwertbaren Reste ihrer ehemaligen Wettbewerber zu gelangen. Branchengerüchten zufolge war die Berliner Firma Saperion brennend am neuen „Solutions“-Server von Ceyoniq interessiert, um sich im Handstreich eine umfangreiche und ausgereifte Plattform zu sichern. Abwegig sind die Spekulationen nicht, denn der Marketing-Vorstand von Saperion, Mathias Petri, kennt sich bei Ceyoniq aus:

Er arbeitete als Geschäftsführer für den Anbieter Sidoc („Arcis“), der im Jahr 1998 von Ceyoniq, damals noch CE, geschluckt worden war. Auf der CeBIT 1999 wechselte Petri überraschend - innerhalb eines Messetages - von CE zu Saperion. Das Berliner Unternehmen wollte keine Stellungnahme zu der Personalie abgeben.

Wettbewerber auf Schnäppchenjagd

Auch Ixos hat „generelles Interesse“ an Ceyoniq bekundet, bekennt Unternehmenssprecher Stefan Huth. Allerdings fürchtet er, als Wettbewerber wohl nachrangig behandelt zu werden: „Der Insolvenzverwalter tritt nicht mit uns in Kontakt.“ Dabei kennt Ixos das Ceyoniq-Tool „Arcis“ ganz gut, schließlich waren die Münchner vor zehn Jahren Entwicklungspartner für die Software, als sie - damals noch im Hause Siemens - ins Leben gerufen wurde. „Die Architektur der Systeme ist auffallend ähnlich“, vergleicht DMS-Experte Halstenbach Arcis mit der Ixos-Lösung.

Das wichtigste Gut der betroffenen DMS-Firmen ist jedoch ihr großer Kundenstamm. Um diesen ins eigene Boot zu holen, ist den Wettbewerbern jedes Mittel recht. Den - früher angeblich vorhandenen - „Ehrenkodex“ der Branche, Kunden nicht direkt anzusprechen und zu einer Migration zu bewegen, gibt es nicht mehr. Auch scheuen sich die Firmen nicht, die Pleiten der anderen für die eigene Öffentlichkeitsarbeit werbewirksam auszuschlachten. So sieht sich beispielsweise Saperion „gut gerüstet“ für Migrationsprojekte, besonders von Ceyoniq-Kunden.

Ixos war noch vier Tage schneller als die Berliner. Am 12. April meldete Ceyoniq Insolvenz an, sechs Tage später pries Ixos schon „einfache Lösungswege“ für die Migration an. Bei einer „kleinen“ Installation im SAP-Umfeld betrage der Aufwand zehn Manntage, sagt Ixos-Sprecher Huth. Im Parallelbetrieb könne sich die Migration aber auch schon mal über ein Jahr hinziehen. Experten schätzen selbst dies als ambitioniert ein. Inzwischen hält Ixos auch kostenlose Workshops zur schrittweisen Ablösung bestehender Archive an. Man habe die Ceyoniq-Insolvenz zum Anlass genommen, so Huth, etwas aggressiver aufzutreten; schließlich biete man schon lange Migrationslösungen an: „Wir legen aber großen Wert darauf, hier seriös vorzugehen.“