Für die DMS-Anbieter wird die Luft dünn

28.05.2002
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Im März 2002 kam Brintrup plötzlich wieder an Bord, es brannte bereits lichterloh. Nun sitzt er im Gefängnis, wegen Betrugsverdachts. Das persönliche DMS-Feature Check-in hat er hinter sich, jetzt wartet er auf sein Check-out. „Ein Schock“, urteilte Finanzanalyst Helmut Bartsch von der Stuttgarter BW Bank. Zu Brintrup heißt es von Insidern, er sei integer gewesen. Häufig wird dieses Prädikat nicht vergeben, in einer Branche, in der jeder jeden kennt und für gewöhnlich kein gutes Haar an der Konkurrenz lässt. „Der hat Kultur vertreten“, sagt jemand, der ihn ebenfalls kennt.

Eine norddeutsche Bank hatte im April die Notbremse gezogen - weil sich das Ceyoniq-Management eines Tricks bediente, der die ganze Verzweiflung der Company angesichts der drohenden Pleite zum Ausdruck brachte: Um das Kreditinstitut mit Sicherheiten ruhig zu stellen, wurden Forderungen an Kunden in Höhe von knapp vier Millionen Euro abgetreten. Dieses Factoring ist ein an sich üblicher Vorgang - wenn die offenen Forderungen tatsächlich existieren. Sind sie erfunden, kommt Paragraph 263 Strafgesetzbuch ins Spiel. Ceyoniqs Finanzchef Thomas Wenzke sitzt folglich auch im Gefängnis, angeblich mit drei afghanischen Drogenhändlern in einer Zelle. Mehr gab auch die Gerüchteküche nicht her.

Für die meisten Branchenexperten war allerdings schnell klar, dass allein Wenzke für die Unregelmäßigkeiten verantwortlich sein soll. Er galt als „graue Eminenz“ des Unternehmens, während Brintrup den Vorturner bei der Großkundenansprache gab. Die Kontrolle der Finanzen und Reporting-Tools soll komplett auf Wenzke zugeschnitten gewesen sein, berichtet ein ehemaliger CE-Mitarbeiter. Sonst war niemand im Detail über die Kennzahlen informiert, hieß es. Auch habe Wenzke angeblich zugegeben, für die kreative Fakturierung verantwortlich gewesen zu sein, während Brintrup den Vorwurf stets bestritten hat.

Wachstumsmotor Börsengang

Dass es gerade die DMS-Schwergewichte SER und Ceyoniq erwischt hat, kam für viele Beobachter überraschend. Dabei zählten die Firmen zu den ersten Unternehmen, die vor einigen Jahren auf den Wachstumsmotor Börse gesetzt haben: SER beispielsweise war im Juli 1997 das sechste Unternehmen am Neuen Markt, für dieses Jahr war ursprünglich der Börsengang an der Nasdaq geplant. Alle Euphorie verflog jedoch schnell, als sich die Geschäfte nicht wie erwartet einstellten. Und die vermeintliche Starthilfe erwies sich im Nachhinein als Bumerang.

"An den Kernprodukten lag es nicht“, beurteilt DMS-Experte Volker Halstenbach von der Sulzbacher Management- und Technologieberatung Zöller & Partner die Qualität der einschlägigen Lösungen. BW-Bank-Analyst Bartsch sieht das ähnlich. SER und Ceyoniq hätten sich vielmehr bei Zukäufen verhoben. Der Aufwand für die Integration der Companies sei unterschätzt worden, der Blick für die Realität verloren gegangen. Wie viele andere Unternehmen am Neuen Markt haben auch die DMS-Spezialisten durch die hohe Marktkapitalisierung zu Beginn jede Bodenhaftung verloren. Letztlich geriet das Ceyoniq-Management in eine Notlage, die nur noch mit kriminellen Machenschaften beseitigt werden konnte.