Digitalisierung und Outsourcing in der Beschaffung

Einkäufer stehen vor einem Rollenwechsel

22.08.2017
Von 
Mike Rübsamen ist Gründer und Geschäftsführer der 2bits GmbH. Seit über 15 Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema SAP-basierter Einkauf und Einkaufssystemen im SAP-Umfeld. Er unterstützt mittelständische und große Unternehmen in nationalen und internationalen SAP-Einkaufsprojekten. Zu seinen Themenschwerpunkten zählen S/4 HANA Enterprise Management Procurement, das strategische Lieferantenmanagement sowie die Integration heterogener Systeme in hybriden Cloud Szenarien
Viele Einkaufsorganisationen stehen vor dem Dilemma, immer komplexere Anforderungen mit immer weniger Personal erfüllen zu müssen. Abhilfe können die Digitalisierung schaffen - Stichwort Einkauf 4.0, und die Auslagerung operativer Tätigkeiten.

Längst ist der Fachkräftemangel auch in der Beschaffung angekommen. Verschärft durch den demografischen Wandel, wird es für Unternehmen immer schwieriger, qualifizierte Einkäufer zu rekrutieren. Scheiden erfahrene Einkaufsmitarbeiter alters- oder fluktuationsbedingt aus, gelingt es den meisten nicht, den damit verbundenen Know-how-Verlust zu kompensieren.

Die Anforderungen an die strategische Beschaffung steigen.
Die Anforderungen an die strategische Beschaffung steigen.
Foto: non c - shutterstock.com

Gleichzeitig jedoch steigen die Anforderungen sowohl in der operativen als auch strategischen Beschaffung. Wachsende Volatilitäten, unkalkulierbare Märkte sowie politische und wirtschaftliche Krisen rund um den Erdball setzen die Einkäufer permanent unter Druck. Einst eine reine Bestellabteilung, müssen die Mitarbeiter in der Beschaffung immer mehr in die Rolle von Beziehungsmanagern schlüpfen, die sich verstärkt mit Lieferanten und anderen Abteilungen vernetzen. Dazu gehört, mit ausgewählten Lieferanten strategische Partnerschaften aufzubauen und zu pflegen, die wiederum auf einer fundierten Warengruppen-Strategie basieren. Denn nur wer die benötigten Güter nach Beschaffungseigenschaften, wie Versorgungsrisiken oder Einfluss auf den Geschäftserfolg, einteilt, kann die geeigneten Zulieferer identifizieren und damit die Qualität der Lieferungen steigern.

Ebenso müssen sich die Einkäufer vom überkommenen Silodenken im Unternehmen verabschieden und in interdisziplinären Teams mit anderen Fachbereichen, allen voran der Entwicklung und dem Vertrieb, zusammenarbeiten. Dazu bieten sich Design-Thinking-Ansätze an, die die Nutzerwünsche und -bedürfnisse ins Zentrum der Prozesse rücken.

Procure-to-Pay-Prozesse automatisieren

Um den zunehmenden Aufgaben mit schrumpfenden Teams gewachsen zu sein, bieten sich den Einkaufsabteilungen aktuell mehrere Möglichkeiten. So setzen immer mehr Unternehmen moderne Beschaffungslösungen ein, um die operativen Procure-to-Pay-Prozesse (P2P) zu automatisieren: von der Bedarfsentstehung über die Bestellung und den Wareneingang bis zum Erhalt und der Zahlung der Lieferantenrechnungen.

Den Anforderern stehen Self-Service-Funktionen zur Verfügung, um ihre Bedarfe über vorverhandelte Verträge direkt bei den Lieferanten zu beschaffen. Unternehmen, die Procurement-Plattformen nutzen, profitieren davon, dass sie ihre Beschaffungskosten und -zeiten senken sowie die Transparenz der Einkaufsprozesse steigern. Gleichzeitig werden die Einkäufer von Routineausgaben entlastet und können sich verstärkt auf strategische Fragen konzentrieren.

SAP-Einkauf ist speziell

Spezielle Anforderungen gibt es im SAP-basierten Einkauf. Seit SAP das Wartungsende für die klassischen Supplier Relationship Management (SRM)- und Supplier Lifecycle Management (SLC)-Lösungen im Jahr 2025 angekündigt hat, schauen sich viele Anwender nach Alternativen um. Nicht immer ist die Cloud das Mittel der Wahl. Sind in Freigabeprozessen zum Beispiel personenbezogene Daten im Spiel, ist es möglicherweise nicht ratsam, diese Prozesse außer Haus zu betreiben. In diesen Fällen empfehlen sich spezielle Add-ons, die in SAP ERP und die neue Business Suite S/4HANA integriert sind. Sie bieten den Vorteil, dass sie keine Investitionen in Schnittstellen zu externen Systemen und in zusätzliche Hardware erfordern. Da die vorhandenen Altsysteme für den Einkauf abgeschaltet werden können, rechnet sich die Anschaffung in kürzester Zeit.

Diese Add-ons versetzen Kunden in die Lage, schnell und einfach auf ihre Bezugsquellen, wie Artikel-, Material- und Dienstleistungskataloge, zuzugreifen. Ergänzend dazu stehen dynamische Freitext-Formulare zur Verfügung, die die Anwender selbst erstellen. Ein weiteres Plus kann die Nutzung der SAP Fiori-Technologie sein, durch die die Einkaufsprozesse mobil und damit jederzeit und überall verfügbar sind.

Viel Aufwand für Katalogmanagement

Doch reicht die Anschaffung von Add-ons für viele SAP-basierte Einkaufsorganisationen nicht aus, um von operativer Routine entlastet zu werden. Da die Akzeptanz einer Beschaffungslösung mit der Qualität des Contents steht und fällt, müssen die Einkäufer viel Aufwand in die Bereitstellung, Wartung und Pflege der Kataloge stecken - und bleiben doch hinter ihren Möglichkeiten zurück. Obwohl es standardisierte Austauschformate gibt, die die Übernahme der Katalogdaten von den Lieferanten vereinfachen sollen, bleibt oft noch zu viel zu tun.

So mancher Zulieferer stellt Produktstammdaten zur Verfügung, die mit den eigenen Systemen nicht kompatibel sind und zeitintensiv bearbeitet werden müssen. Wer diesen Aufwand scheut, muss in Kauf nehmen, dass die Anforderer den Einkauf umgehen, weil sie im Beschaffungssystem nicht gleich finden, was sie suchen. Mit weitreichenden Folgen, denn dieses Maverick-Buying kann im Unternehmen enorme Kosten verursachen.