Social Enterprise

Einblicke ins Zero-E-Mail-Projekt bei Atos

03.04.2015
Von 
Jochen Gemke ist Senior Management Consultant bei Atos Deutschland und für das Social-Collaboration-Portfolio verantwortlich. Maßgeblich ist der Atos-Ansatz „zero email“: IT-Plattformen sind Enabler für die Umsetzung erfolgreicher Kollaborationsvorhaben. Im Fokus stehen Menschen, die individuell mitgenommen werden müssen, um in Unternehmen nachhaltig eine offene, vernetzte Kultur zu schaffen.

Der Lösungsansatz: neue Werkzeuge für eine neue Kultur

Analog zur Idee, sich am Wasserspender zum Gespräch zu treffen, heißt eine der größten und ältesten Communitys bei Atos "Water Cooler": Kollegen aus der ganzen Welt und unterschiedlichen Abteilungen diskutieren hier aktuelle Themen, Herausforderungen und Tipps. Die Communitys im ESN sind wichtig für die Zusammenarbeit, im Idealfall ermöglichen sie direkten Austausch. In der Realität ist der Weg dorthin allerdings begleitet von Regulierungen, Richtlinien und Überzeugungsarbeit. Bis Communitys tatsächlich dabei helfen, einzelne Wissen-Silos, in denen Fachkenntnisse abgeschirmt lagern, miteinander zu vernetzen, ist ein tiefgreifender Kulturwandel nötig.

Rollen und Verantwortungen bei Atos im Kontext Zero E-Mail.
Rollen und Verantwortungen bei Atos im Kontext Zero E-Mail.
Foto: Atos

Wegbegleiter dabei ist ein weltweites Netzwerk von rund 3.500 Vorreitern, so genannten Ambassadoren. Sie zeigen ihren Kollegen in Schulungen, Gesprächen während der Mittagspause oder bei Fragen im Alltag, wie sie am besten miteinander in Kontakt kommen, ohne automatisch eine E-Mail zu schreiben. Die neuen Werkzeuge sollen die Arbeit bereichern und über die reine Informationsübermittlung hinausgehen. Beispielsweise soll ein Projektteam ohne Abteilungs- und Ländergrenzen schneller und unkomplizierter genau den Kollegen mit der passenden Expertise finden, der das Team ergänzt.

Beispiele aus der Praxis

Auch bei alltäglichen Fragen hilft der Blick über gewohnte E-Mail-Verteiler hinaus:

  • Ein Mitarbeiter der Personalabteilung suchte eine Liste bestimmter Ansprechpartner. Auf seine Frage im ESN erhielt er in der Fach-Community innerhalb von 24 Stunden fünf hilfreiche Kommentare. Er sparte sich Stunden aufwändiger Suche.

  • Auch bei einer Kalkulation für einen Kunden bieten Themen-Communitys nützliches Wissen: Auf die Frage nach möglichen Kostentreibern in einem Projekt und Ideen zur Kostensenkung erhielt der Fragesteller innerhalb von zwei Tagen neun Antworten von Team-Mitgliedern aus drei Ländern. Dies sparte ihm mehrere Telefonate, zahlreiche E-Mails und Zeit. Er konnte dem Kunden nach vier Tagen eine validierte Kalkulation zur Kostensenkung vorschlagen.

Die neue Herangehensweise erhöht jedoch auch die Erwartungen an die Plattformen, die Informationen bereithalten: Intranet, Dokumenten-Management und Communitys müssen aktuelle Inhalte bieten, sonst besuchen Nutzer die Bereiche nach vergeblichen Besuchen, die ihnen keine neuen Informationen lieferten, nicht mehr. Die interne Kommunikation geht die Umstellung schrittweise an: Statt ausführlicher Mitarbeiterinformationen per E-Mail werden nur noch kurze Hinweise per E-Mail verschickt, wo Neuigkeiten stehen. Immer mehr Kollegen steuern dann dieses Forum direkt an und sind aktuell informiert.

Zwar lebt ein ESN vom Austausch der Nutzer, eine aktiv genutzte Feedback-Funktion macht aber auch mehr Arbeit, Verantwortlichen muss dies vor Einführung der Plattform klar sein, dafür sollten Kapazitäten vorhanden sein: Nutzer stellen Rückfragen, die beantwortet werden müssen, darauf springen wiederum weitere Community-Mitglieder auf. Aus dieser Mehrarbeit kann jedoch wiederum Mehrwert durch breiter gestreutes Wissen entstehen.

Technik und Organisation: Die Rahmenbedingungen

Auch rechtlich, technisch und organisatorisch bedeutet die Umsetzung der Zero-E-Mail-Vorgabe viel Arbeit und Umstellung. Das Unternehmen und die Arbeitnehmervertretungen diskutierten zahlreiche Aspekte der Nutzung der Technologien. Zu Beginn erwies es sich als schwierig, dass der Verhandlungsgegenstand für alle Seiten neu und unbekannt war. In einer ersten Vereinbarung erstellten die Verantwortlichen zunächst Leitlinien, die sie bei Bedarf nachjustierten. Kernthema war die Frage der Freiwilligkeit der Nutzung. Es zeigte sich, dass nationale rechtliche Vorgaben einem solchen internationalen Ziel im Weg stehen können. Deswegen müssen Informationen, die der Arbeitgeber nachweislich an alle Mitarbeiter kommunizieren muss, weiterhin per E-Mail geschickt werden.

Die Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern dauerten länger als ursprünglich angenommen. Das lag zum Beispiel daran, dass zu Beginn des Projekts manche Verhandlungsdetails noch nicht feststanden, etwa welches ESN zum Einsatz kommt und wie es in den Arbeitsalltag integriert wird. Auch erleichtert die Auffindbarkeit eines Mitarbeiters in einem offenen System zwar die Suche nach Expertise, sie hat jedoch eine Kehrseite: Diese Transparenz darf nicht zum Nachteil des Mitarbeiters ausgelegt, seine Arbeitskraft nicht überstrapaziert werden. Ebenso darf für ihn kein Nachteil entstehen, wenn er nicht Mitglied in bestimmten Communitys ist. Mit interessanten Inhalten und intuitiver Bedienung soll die Technologie die Nutzer überzeugen, so dass diese nach einer Eingewöhnungszeit selbst den Weg ins ESN wählen. Dafür ist jedoch Ausdauer und viel Überzeugungsarbeit nötig.