IDG-Studie Robotic Process Automation 2021

Die Zeit ist reif für RPA

01.12.2021
Von 
Bernd Reder ist freier Journalist und Autor mit den Schwerpunkten Technologien, Netzwerke und IT in München.
Die Zeit der ersten Gehversuche mit RPA sind vorbei. Fast drei Viertel der deutschen Unternehmen setzen mittlerweile in beträchtlichem Maß auf Prozessautomatisierung. Selbst Geschäftsführer und „Personaler“ erkennen zunehmend den Nutzen der Technologie.
RPA ist nicht nur deutlich weiter verbreitet - dank der Integration von KI/ML können die Software-Roboter mittlerweile auch komplexere Prozesse übernehmen.
RPA ist nicht nur deutlich weiter verbreitet - dank der Integration von KI/ML können die Software-Roboter mittlerweile auch komplexere Prozesse übernehmen.
Foto: Blue Planet Studio - shutterstock.com

Prozesse zu automatisieren ist so eine Sache. Vor allem Geschäftsführer und CIOs plädieren für Ansätze wie Robotic Process Automation (RPA), um die Reaktionszeiten des Unternehmens zu verkürzen und die Kosten zu senken. Das ist ein zentrales Ergebnis der Studie "Robotic Process Automation 2021" von IDG Research Services. Speziell größere Firmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und Manager sehen in Prozessautomatisierung zudem ein Mittel, um die Wünsche von Interessenten und Kunden zu ermitteln. Das wiederum ist die Voraussetzung, um Produkte und Services an geänderte Anforderungen anzupassen.

Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass RPA derzeit für etwa die Hälfte der deutschen Unternehmen einen hohen Stellenwert hat. Bis zum Jahr 2025 wird sich dieser Anteil auf etwa 70 Prozent erhöhen. Doch das bedeutet nicht, dass alle "Stakeholder" im Unternehmen diese Einschätzung teilen. Wie bereits in der Studie zu RPA von 2020 messen die Fachbereiche der Prozessautomatisierung und RPA nicht im selben Maß wie Manager und CIOs eine zentrale Rolle bei. Nur für ein Drittel der Mitarbeiter in den Fachabteilungen sind diese Technologien wichtig bis sehr wichtig. Von den Business-Entscheidern sind dagegen fast zwei Drittel dieser Auffassung, von den IT-Leitern und CIOs etwa die Hälfte.

RPA wird auch 2025 einen hohen Stellenwert haben.
RPA wird auch 2025 einen hohen Stellenwert haben.
Foto: IDG Research Services: Patrick Birnbreier

„Wir müssen reden!“

Dieses Ergebnis zeigt, dass es nicht zielführend ist, das Automatisieren von Abläufen und die Implementierung einer RPA-Lösung "anzuordnen". Ein solcher Top-down-Ansatz erhöht das Risiko, dass entsprechende Projekte mangels Unterstützung durch die Mitarbeiter gar nicht oder nur in begrenztem Maß zum Erfolg führen. Dies umso mehr, als gerade die Fachabteilungen den Überblick haben, welche Prozesse vorhanden sind und wo sich Abläufe mithilfe von Automatisierungsfunktionen schlanker und effizienter gestalten lassen.

Das heißt letztlich, dass Führungskräfte und IT-Verantwortliche Mitarbeiter vom Nutzen und der strategischen Bedeutung von Robotic Process Automation überzeugen müssen. Das erfordert eine offene Kommunikationspolitik und eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit von Fachleuten, etwa im Rahmen von interdisziplinären Arbeitsgruppen und Workshops. Solche Maßnahmen haben sich in anderen Bereichen bereits bewährt, etwa bei der Einführung von maschinellem Lernen und KI-Anwendungen. Auch bei solchen Projekten müssen Vorbehalte überwunden werden, vor allem die Furcht, dass Arbeitgeber mithilfe von Technologien wie RPA und KI Arbeitsplätze einsparen wollen. Ganz von der Hand zu weisen ist diese Vermutung nicht, wenn man den hohen Stellenwert des Faktors "Kosteneinsparungen" betrachtet, den Unternehmen mit dem Automatisieren von Prozessen verbinden.

RPA-Erfolgsfaktoren

Wie wichtig neben der Qualität der RPA-Lösungen "weiche Faktoren" sind, unterstreicht ein weiteres Ergebnis der Studie. Der wichtigste Bestandteil einer erfolgreichen RPA-Strategie ist demnach eine klare Zielsetzung (47 Prozent), gefolgt von der Unterstützung durch die Mitarbeiter (36 Prozent). Das bedeutet, Unternehmen sollten genügend Zeit dafür aufwenden, den erhofften Nutzwert von Robotic Process Automation zu definieren.

Dabei können externe Experten und IT-Dienstleister Hilfestellung geben. Zum einen können sie den Mangel an internem Fachwissen kompensieren, der aus Sicht der befragten Unternehmen zu den größten Hemmnissen bei Automatisierungsprojekten zählt. Zum anderen kann sich ein Blick "von außen" auf die Prozesslandschaft und Automatisierungspotenziale als hilfreich erweisen, der nicht durch betriebspolitische Erwägungen geprägt ist. Eine neutrale Einschätzung kann dazu beitragen, die Diskussion über Prozessautomatisierung auf eine sachlich-fachliche Ebene zu heben.

Dennoch werden Unternehmen, die Robotic Process Automation nutzbringend einsetzen wollen, nicht auf die Unterstützung motivierter Mitarbeiter verzichten können. Vor allem aus Sicht der IT-Verantwortlichen (41 Prozent) spielen diese eine zentrale Rolle. In diesem Fall dürfte diese Einschätzung auch darauf zurückzuführen sein, dass IT-Fachleute eine zentrale Rolle bei der Umsetzung von RPA-Projekten spielen. Sie müssen einen Großteil der Aufgaben "schultern", die mit der Einführung dieser Technologie verbunden sind.

Zur Studie "Robotic Process Automation 2021" im Aboshop

Auch HR nutzt RPA

Allerdings sind es auch die IT-Abteilungen (47 Prozent), die derzeit neben der Logistik (42 Prozent) am stärksten von der Automatisierung von Prozessen profitieren. Zu den Einsatzfeldern zählen die IT-Sicherheit und das Management von - komplexen - Anwendungs- und Netzwerkumgebungen. Ansätze wie "absichtsbasierte" Netzwerke (Intent-based Networking) lassen sich ohne weitgehende Automatisierung nicht umsetzen. Beim Intent-based Networking geben Administratoren vor, welche Anforderungen Netzwerk-Links aufweisen müssen, etwas eine hohe Ausfallsicherheit oder Dienstgüte. Die Netzwerkkomponenten konfigurieren sich anschließend selbstständig. Auch das Management von Hybrid- und Multi-Cloud-Infrastrukturen und Entwicklungsumgebungen, die Softwarespezialisten im hauseigenen Rechenzentrum oder einer Cloud für ein bestimmtes Projekt einrichten, setzen eine weitgehende Automatisierung voraus.

Mittlerweile sehen Unternehmen jedoch in weiteren Bereichen ein großes Potenzial für die robotergestützte Prozessautomatisierung. So planen 45 Prozent der Firmen, RPA in der Personalabteilung (Human Resources) einzusetzen. Dort gibt es eine Reihe von manuellen Routinetätigkeiten, die Software-Roboter übernehmen können. Dazu zählen das Erstellen und Versenden von Dokumenten und das Onboarding von Mitarbeitern. Bots richten in diesem Fall automatisch User-Accounts mit den entsprechenden Berechtigungen für neue Kollegen ein und stellen ihnen Online-Schulungen zur Verfügung. Auch die Vorauswahl von Kandidaten haben mittlerweile etliche Unternehmen automatisiert, inklusive der Analyse der Unterlagen, die die Bewerber einreichen.

IT und Logistik sind die wichtigsten Einsatzfelder für RPA.
IT und Logistik sind die wichtigsten Einsatzfelder für RPA.
Foto: IDG Research Services: Patrick Birnbreier

Digitale Assistenten für Manager

Rund 40 Prozent der Unternehmen wollen zudem RPA einsetzen, um Führungskräfte zu entlasten. Eine Option besteht darin, eine "Digital Workforce" aufzubauen, also ein Team von Software-Robotern beziehungsweise virtuellen Mitarbeitern. Diese nutzen RPA, aber auch KI, Machine Learning und Analysefunktionen, um Geschäftsfunktionen zu automatisieren.

Rund drei Viertel der Manager würden gerne solche digitalen Assistenten einsetzen. Allerdings gaben 31 Prozent an, dass sich ihr Arbeitsgebiet (noch) nicht dafür eigne. Vertrauen in die Analysefähigkeiten und Zuverlässigkeit solcher Bots ist aber offenkundig auf der Führungsebene vorhanden: An die 55 Prozent bringen einer Digital Workforce ein großes bis sehr großes Vertrauen entgegen. Weitere 32 Prozent stehen ihnen eher positiv gegenüber. Nur drei Prozent lehnen die Zusammenarbeit mit solchen "Kollegen" ab. Derzeit ist der Prozentsatz der Geschäftsführer und Manager allerdings überschaubar, die bereits auf digitale Assistenten zurückgreifen: Er liegt bei drei Prozent.

Die Cloud wird zur wichtigen RPA-Plattform

Keinen Aufschluss gibt die Studie darüber, ob Business-Entscheider auch auf eine Digital Workforce zurückgreifen wollen, die über eine Cloud "as a Service" bereitgestellt wird. Bei Lösungen im Bereich Robotic Process Automation spielt die Cloud in jedem Fall eine wichtige Rolle. Bereits mehr als 40 Prozent der deutschen Unternehmen nutzen cloud-basierte RPA-Lösungen. Weitere 37 Prozent planen dies.

41 Prozent der Unternehmen nutzen RPA-Lösungen als Cloud-Services.
41 Prozent der Unternehmen nutzen RPA-Lösungen als Cloud-Services.
Foto: IDG Research Services: Patrick Birnbreier

Vor allem bei mittelständischen Firmen, die über kleinere IT-Abteilungen und Budgets verfügen als Großunternehmen, stößt dieses Nutzungsmodell auf Interesse. Vorteile wie die geringen Investitionskosten im Vergleich zu einer Inhouse-Lösung und die hohe Skalierbarkeit wiegen offenbar mögliche Nachteile auf, etwa die Bindung an einen Cloud-Serviceprovider und Bedenken in Bezug auf den Datenschutz. Vor allem für Anwender, die erste Erfahrungen mit der Prozessautomatisierung sammeln möchten, bieten Cloud-Lösungen einen Ansatzpunkt.

Hinzu kommt, dass an die 60 Prozent der Unternehmen mehrere Automatisierungs-Tools parallel einsetzen, insbesondere RPA in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen. Auch KI und Machine Learning stehen bei Providern wie AWS, Microsoft und Google als Cloud-Dienste zur Verfügung. Wer Anbieter mit Sitz in Deutschland oder der EU bevorzugt, wird etwa bei der Deutschen Telekom fündig.

Die Zeit ist reif

Am Automatisieren von Abläufen führt kein Weg vorbei. Das gilt insbesondere für Unternehmen, die eine Digitalisierungsstrategie verfolgen. Daher ist es nachvollziehbar, dass fast 70 Prozent der Firmen in den kommenden zwölf Monaten in RPA investieren wollen. Von ihnen haben an die 40 Prozent dafür ein Budget von mehr einer Million Euro vorgesehen.

Doch allein der gute Wille und Geld sind keine Erfolgsgaranten. Das zeigt ein Blick auf die "Klippen", die Anwender bei Robotic Process Automation zu umschiffen haben. Die größte davon ist, Prozesse zu identifizieren und anzupassen, die sich automatisieren lassen. Hilfestellung geben dabei etwa Tools für das Process Mining. Auch der Produktivbetrieb von RPA-Lösungen stellt ein Drittel der Nutzer vor Probleme. Um diese zu lösen, sind gleichermaßen der Anbieter der Lösung sowie der Anwender und dessen IT-Abteilung, beziehungsweise IT-Dienstleister gefragt. Auf RPA aus der Cloud auszuweichen, statt eine On-Premises-Lösung zu implementieren, ist vor diesem Hintergrund wenig zielführend. Denn auch Cloud-Lösungen müssen an die Prozesse im Unternehmen angebunden werden.

Damit Prozessautomatisierung zum Erfolg wird, sind somit die Schritte erforderlich, die auch bei der Einführung anderer IT-Technologien anfallen:

  • klare Ziele definieren und Use Cases erarbeiten, und dies zusammen mit den Fachbereichen und gegebenenfalls externen Spezialisten;

  • Prozesse ermitteln, die für die Automatisierung in Betracht kommen;

  • eine passende RPA-Lösung auswählen und implementieren, sei es im eigenen Data Center oder als Cloud-Services; und

  • Schritt für Schritt Erfahrungen damit sammeln, also zunächst die „niedrig hängenden Früchte“ ernten.

Nicht förderlich ist es, wenn ein Unternehmen, vor allem dessen Management, mit RPA übersteigerte Erwartungen verknüpft oder die Einführung von Prozessautomatisierung "durchpeitscht". Denn auch der beste Software-Roboter kann Mitarbeiter nicht ersetzen - zumindest noch nicht.

Zur Studie "Machine Learning 2021" im Aboshop

Jetzt im Shop: "Robotic Process Automation 2021"
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Foto: IDG Research Services: Patrick Birnbreier

Stichprobenstatistik

Herausgeber: COMPUTERWOCHE, CIO, TecChannel und ChannelPartner

Platin-Partner: Blue Prism GmbH

Gold-Partner: UiPath GmbH

Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider und IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich

Teilnehmergenerierung: Stichprobenziehung in der IT-Entscheider-Datenbank von IDG Business Media sowie zur Erfüllung von Quotenvorgaben über externe Online-Access-Panels; persönliche E-Mail-Einladungen zur Umfrage

Gesamtstichprobe: 347 abgeschlossene und qualifizierte Interviews

Untersuchungszeitraum: 06. bis 13. Juli 2021

Methode: Online-Umfrage (CAWI)

Fragebogenentwicklung: IDG Research Services in Abstimmung mit den Studienpartnern

Durchführung: IDG Research Services