Für elf Tage steht Berlin wieder wie jedes Jahr im internationalen Rampenlicht: Es ist die Zeit des Filmfestivals Berlinale und über den roten Teppich vor dem Berlinale Palast, der Premierenspielstätte des Festivals am Potsdamer Platz, flanieren die internationalen Stars. Durch die Bundeshauptstadt weht ein Hauch von internationalem Glamour.
Die digitalisierte Berlinale
Zeit diesen Glamour zu bewundern, haben weder die Techniker vom Carrier Colt noch vom Berlinale Film Office. Sie sorgen nämlich hinter den Kulissen dafür, dass die mehr als 1.100 Filme, die in rund 2.500 Vorführungen gezeigt werden, reibungslos und in bester Qualität in die 16 Festival-Spielstätten mit 51 Kinosälen kommen - und zwar Digital. Während andernorts noch Festplatten oder Blu-Rays von Kino zu Kino gefahren werden, ist die Berlinale ein Vorreiter in Sachen Digitalisierung. Sie hat ihre Prozessketten komplett digitalisiert, so dass die Filme in der Theorie ohne Medienbruch direkt von den Hollywood-Studios digital auf die Leinwände der Festivalstätten reisen können.
Von Hollywood bis zur Leinwand digital
Für die Festivalveranstalter hat die Digitalisierung der Filmlieferkette gleich mehrere Vorteile: So können sie die Festivalbeiträge später annehmen, was den Filmstudios, speziell in den USA, mehr Zeit gibt, um ihren Meisterwerken den letzten Schliff zu verleihen. Gleichzeitig gewinnt das Berlinale Film Office mehr Spielraum, wenn bei einem Film doch einmal Probleme wie etwa in Form falscher Untertitel, nicht passender Tonspur etc. auftreten: Der bemängelte Content wird einfach schnell neu übertragen.
Größere Flexibilität
Des Weiteren sind die Festival-Veranstalter durch den digitalen Verteilungsprozess flexibler in der Gestaltung des Kinoprogramms. Um einen Film kurz nach seinem Vorführungsende im nächsten Kino zu zeigen, muss nicht mehr darauf gewartet werden bis Blu-Ray oder Wechselfestplatte per Auto- oder Fahrradkurier zum nächsten Abspielort transportiert wird. Und last but not least spart die digitale Prozesskette Ressourcen. So kann heute etwa auf Fahrer zum Filmtransport sowie Sackkarrentransporteure, die die 35mm Filmrollen in den Abspielraum bringen, verzichtet werden. Sie können andere Aufgaben übernehmen.
Geänderte Prozesse
Überhaupt hat sich die Arbeit im Berlinale Film Office mit der Digitalisierung grundlegend geändert - etwa der Prüfprozess. Wurde früher ein Film etwa auf Vorführkratzer untersucht, so sind die Prüfprozesse jetzt erheblich aufwändiger geworden. Sie erfordern nicht nur mehr Personal, sondern vor allem sehr viel mehr Technik. Per Software muss etwa die Datenintegrität der Filme geprüft werden. Zudem müssen Untertitel, Tonspur etc. unter die Lupe genommen werden. Nicht, dass die entsprechende Datei im falschen Sprachformat vorliegt.
Vom 35mm Film zur digitalen Kopie
Allerdings ist der Abschied von der analogen Welt noch gar nicht solange her. So wurde die Digitalisierungsumstellung etwa erst vor zwei Jahren abgeschlossen. Und selbst im Digital-Zeitalter müssen sich die Festival-Mitarbeiter mit Konvertierungsarbeiten aufhalten, da die Festivalfilme teilweise im Quicktime-Format oder auf Festplatte angeliefert werden - also nicht im gewünschten DCP-Format (Digital Cinema Package) vorliegen. Dennoch hat sich der Aufwand im Vergleich vor fünf bis sechs Jahren deutlich reduziert. Damals erhielt man im Film Office noch klassische 35mm-Filme und musste mühsam Digital-Projektoren organisieren, da in den Kinos nur 18 Projektoren digitaler Bauart installiert waren. Gleichzeitig gab es noch eine große Formatvielfalt zu bewältigen.
Big Data während der Berlinale
Herausforderungen, die in dieser Form in der digitalen Welt unbekannt sind. Dafür wartet die digitalisierte Kinowelt mit anderen Schwierigkeiten auf. Während des Festivals sind etwa ein Petabyte an Daten (also rund 1.000.000.000.000.000 Byte) zu übertragen, denn ein moderner Film hat ein Datenvolumen zwischen 150 und 200 Gigabyte. Auch die erforderliche Bandbreite ist nicht ohne, denn digitale Kinofilme kommen auf eine Datenrate von rund 250 Mbit/s. Für Filme im neuen ultrahochauflösenden 4k-Format sind sogar Datenraten von bis zu 500 Mbit/s zu veranschlagen.
Datenmengen, die per se für jede Streaming-Plattform eine Herausforderung wären. Doch die Streaming-Frage stellt sich im Kinoumfeld erst gar nicht, da das verwendete DCP-Format diese Art der Aufführung verbietet. Zudem wäre ein Streaming mit diesen Datenraten viel zu fehleranfällig. Deshalb werden die Filme vor der Vorführung vom Storage-System im RZ der Colt Technology Services direkt in die Kinos transferiert und dort auf Servern zwischengespeichert. Die Anweisung dazu gibt das Film Office. Um Raubkopien zu verhindern, sieht DCP ein mehrstufiges Verschlüsselungsverfahren vor, so dass die digitale Kopie eines Films nur auf einem genau festgelegten Projektor mit einem einmaligen Schlüssel zum Decodieren abgespielt werden kann. Entsprechende Schlüssel kann das Film Office selbst generieren, da es als vertrauenswürdige Instanz von den Studios einen Generalschlüssel erhält - ein Privileg das sonst eigentlich nur die großen Verleiher oder "Kopierwerke" erhalten.