So kommen die Filme digital in die Festivalhäuser

Die Berlinale 2017 im Zeichen der Digitalisierung

09.02.2017
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Highspeed im Netz

Das Netzwerk der 67. Berlinale.
Das Netzwerk der 67. Berlinale.
Foto: Colt

Obwohl ein Live-Streaming also nicht stattfindet, sind die Anforderungen an das Netz enorm. Zu manchen Festivalstätten mit mehreren Sälen muss Colt, der Carrier ist seit 2009 Partner der Berlinale, Verbindungen mit einer Bandbreite von bis zu 10 Gbit/s zur Verfügung stellen. Standardmäßig sind die Kinos mit 1 Gbit/s angebunden. Die hohen Bandbreiten spiegeln auch wider, dass während der Berlinale in den Kinos Ausnahmezustand herrscht. Statt wie sonst einmal in der Woche haben die Spielstätten während der Berlinale sechs bis sieben Mal Programmwechsel an einem Tag. Ein Umstand, der die interne IT so manchen Kinos an die Belastungsgrenze bringt. Um die ganzen Filme zwischenspeichern zu können steht den Organisatoren im Berliner Rechenzentrum von Colt ein Storage-System des Berlinale Partners Dell EMC mit 550 TB zur Verfügung. Auf diese Server können die Studios und Postproduktionen wiederum ihre Beiträge direkt hochladen. Dazu sind die Server über ein 10-Gbit/s-Anbindung direkt mit dem zentralen Internet-Knoten DE-CIX in Frankfurt verbunden. Damit dauert die Reise von Hollywood nach Berlin für ein 100 bis 200 GB großes Datenpaket lediglich 30 Minuten - eine Festplatte benötigt hierfür auf dem Express-Postweg rund zwei Tage.

Kosten schrecken viele Kinos ab

Die Digital Cinema Server der Berlinale im Colt-Rechenzentrum.
Die Digital Cinema Server der Berlinale im Colt-Rechenzentrum.
Foto: Colt

Letztlich scheint also alles für die Digitalisierung des Kino-Workflows zu sprechen. Dennoch gehen diesen Schritt hierzulande - sieht man einmal von der Berlinale ab - nur einige größere Kinoketten konsequent. Das Gros der Lichtspielhäuser setzt dagegen nach wie vor auf den Austausch von Wechsel-Festplatten. Ein Grund dafür ist, dass beispielsweise in vielen Regionen eine performante DSL-Verbindung fehlt. Zwar gibt es auch die Möglichkeit, die Filme per Satellit digital zu transferieren, doch das Verfahren gilt als fehleranfällig. Immer wieder müssen einzelne Dateien, bei denen ein Übertragungsfehler auftrat, per DSL erneut übertragen werden. Und schließlich scheitert eine komplette Digitalisierung der Prozesskette am Geld. Gerade für kleinere Kinos sind die Kosten für eine Glasfaseranbindung zu hoch, so dass sich diese Übertragungsform für die Lichtspielhäuser heute noch nicht rechnet, wenn die Glasfaser fast ein Woche unbenutzt bleibt. Umso glücklicher kann sich die Berlinale schätzen, dass sie neben Colt eine Reihe von langjährigen Partnerschaften im Bereich der IT- und Kinotechnik-Branche unterhält, die diese einzigartige Digital Cinema Infrastruktur ermöglichen und ideell unterstützen.

Zwar liegen die Glasfaserleitungen für die Berlinale auch die meiste Zeit des Jahres ungenutzt im Boden, doch während dem Festival sieht das aufgrund der häufigen täglichen Programmwechsel anders aus. Ohne moderne Digitaltechnik wäre das Programm in dieser Form und Flexibilität nicht mehr zu bewältigen. Eine Flexibilität, die Colt technisch per Software Defined Network (SDN) in seinem Netz umsetzt. Auf diese Weise kann der Carrier flexibel auf wechselnde Bandbreitenanforderungen reagieren, ohne lange neue Leitungen schalten zu müssen. Grundsätzlich hat sich die digitale Prozesskette für die Berlinale bewährt, so dass der Festivalbetreiber weitere drei Jahre mit Colt zusammenarbeiten wird.