Kosten müssen runter

Deutsche Unternehmen im Krisenmodus

11.01.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die drohende Rezession bereitet vielen Geschäftsführern schlaflose Nächte. Sie wollen Kosten senken, aber auch ihre Digitalisierungs- und Transformationsanstrengungen vorantreiben.
Die Furcht der deutschen CEOs vor Rezession und Wirtschaftsabschwung wächst.
Die Furcht der deutschen CEOs vor Rezession und Wirtschaftsabschwung wächst.
Foto: durantelallera - shutterstock.com

Deutsche Unternehmenschefs blicken besonders pessimistisch in die Zukunft. Mehr als jede/r zweite erwartet in den kommenden Monaten einen starken Abschwung der Weltwirtschaft. Das ist ein zentrales Ergebnis des aktuellen CEO-Survey von EY, für den im November 2022 weltweit rund 1.200 Konzern-CEOs befragt wurden, darunter 100 in Deutschland.

"Die konjunkturelle Situation ist schwierig, die Hoffnung auf eine baldige Besserung der Lage schwindet", sagte Constantin M. Gall, Partner und Leiter des Bereichs Strategy and Transactions bei EY in der Region Westeuropa. "Da richten sich die Unternehmen auf härtere Zeiten ein und schnallen den Gürtel enger."

Die größten Sorgen bereiten den Firmenlenkern die hohe Inflation und im Zuge dessen die stark gestiegenen Einkaufspreise: 40 Prozent der Befragten bezeichnen diesen Faktor als großes Risiko für die Entwicklung ihres Unternehmens. Die hohen Zinsen und entsprechend steigende Kapitalkosten belegen mit 39 Prozent den zweiten Platz im Sorgenranking deutscher Top-Manager.

Corona-Angst schwindet

Ihren Schrecken verloren hat hingegen die Corona-Krise: Der Anteil der deutschen CEOs, die die Pandemie und daraus resultierende Lieferkettenunterbrechungen als großes Risiko für das eigene Unternehmen bezeichnen, sank gegenüber dem August 2022 deutlich von 52 auf 31 Prozent. "Bei den Lieferketten liegt das Schlimmste hinter uns", konstatierte Gall. Viele Unternehmen hätten sich neu sortiert und seien heute weniger anfällig. Zudem komme es pandemiebedingt nur noch vereinzelt zu Ausfällen. "Zumindest beim Lieferkettenthema dürfte sich die Entspannung daher im Jahr 2023 fortsetzen."

Die deutschen Unternehmen richten sich auf härtere Zeiten ein und schnallen den Gürtel enger, sagt Constantin M. Gall, Managing Partner Strategy and Transactions bei EY.
Die deutschen Unternehmen richten sich auf härtere Zeiten ein und schnallen den Gürtel enger, sagt Constantin M. Gall, Managing Partner Strategy and Transactions bei EY.
Foto: EY

An anderer Stelle wachsen dagegen die Sorgen. Vor allem die drohende weltweite Rezession verunsichert die Unternehmenslenker hierzulande. "Im vergangenen Jahr lief es für viele Unternehmen erstaunlich gut", blickt EY-Mann Gall zurück. Sie hätten die hohen Einkaufspreise an die Kunden weitergeben können und in vielen Bereichen davon profitiert, dass die Nachfrage stärker war als das Angebot. Doch das Blatt könnte sich in den kommenden Monaten wenden. "Wenn Kaufkraftverluste und Zukunftssorgen bei den Verbrauchern zu Kaufzurückhaltung führen, drohen Überkapazitäten und Preisschlachten", befürchtet Gall. "Dann sind die derzeit noch hohen Margen schnell Makulatur."

Kostendruck steigt

Daher holen die Unternehmen jetzt ihre Krisenpläne aus den Schubladen. Im Fokus der CEOs stehen dabei an erster Stelle die Ausgaben. Deutsche Konzerne werden nach Einschätzung der EY-Analysten besonders stark auf die Kostenbremse steigen. Bei mehr als sechs von zehn Betrieben hierzulande haben die Ausgaben laut der Umfrage höchste Priorität. Der Grund: Gerade in Deutschland hat sich die Kostensituation besonders stark verschlechtert. "Der massive Anstieg der Energiepreise ist ein erheblicher Nachteil für den Produktionsstandort Deutschland", sagt Gall. Das gelte gerade im Vergleich zu Asien und den USA. "Damit müssen sich alle Unternehmen beschäftigen und nach Auswegen suchen, um wettbewerbsfähig zu bleiben."

Der Kostendruck wird auch am Personal nicht spurlos vorbeigehen. 36 Prozent der Unternehmen planen eine Umstrukturierung oder Reduzierung ihres Personalbestands. Jeweils mehr als ein Viertel der deutschen Betriebe will einen Einstellungsstopp verhängen und Lohnerhöhungen aussetzen. Das könnte angesichts der Rekord-Inflation für jede Menge Zündstoff in den Belegschaften sorgen.

Rezession: Big Tech baut Personal ab

Die Verantwortlichen stecken in einem Dilemma. Auf der einen Seite müssen sie die Kosten senken, auf der anderen Seite dürfen sie wichtige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht vergraulen. Gall rechnet deshalb nicht mit großen Entlassungswellen. Es komme jetzt darauf an, intelligent zu sparen. "Die Erfahrung zeigt, dass im nächsten Aufschwung wieder händeringend Fachkräfte gesucht werden, daher werden die Konzerne alles tun, um ihre Belegschaften möglichst stabil zu halten."

An Digitalisierung und Transformation führt kein Weg vorbei

Dazu kommt, dass trotz notwendiger Einsparungen in die Zukunft investiert werden muss. Jeder zweite deutsche CEO gab in der Umfrage an, den digitalen und technologischen Wandel mit Hochdruck vorantreiben zu wollen. "Mittelfristig führt kein Weg an einer entschiedenen Transformationsstrategie vorbei - mit den zwei Schwerpunkten ESG und Digitalisierung", lautet Galls Fazit (ESG = Environmental Social Governance oder zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Beide Trends hätten einen massiven Einfluss auf die gesamte Wertschöpfung und das wirtschaftliche Umfeld. Kein Unternehmen könne es sich erlauben, dies links liegen zu lassen, "Konjunkturflaute hin oder her".