Intelligent Automation

Automatisierung muss leicht konsumierbar sein

18.10.2022
Von 
Iris Lindner ist freiberufliche Journalistin für Elektronik und Automatisierung.
Nach einem erfolgreichen Einstieg über einfache Use-Cases, stößt die Prozess-Automation oft an Grenzen. Wem es gelingt, die Komplixität aus dem Spiel zu nehmen, kann noch mehr aus dem Thema herausholen.
Automatisierung muss einfach sein - sonst wird es schwierig mit der Akzeptanz
Automatisierung muss einfach sein - sonst wird es schwierig mit der Akzeptanz
Foto: kung_tom - shutterstock.com

Mitarbeiter von repetitiven Arbeitsabläufen und Eingabeprozessen zu entlasten, ist durch Automatisierung schon lange möglich. Mit Ausnahme der großen Unternehmen, die die klassischen Use-Cases bereits umgesetzt und mit Robotic Process Automation (RPA) teilweise sogar schon die Grenze der Möglichkeiten erreicht haben, stehen aber viele Anwenderunternehmen noch immer am Anfang, was den Grad ihrer Automation angeht - vor allem der Mittelstand. Dabei steckt hier allein schon deshalb großes Potenzial, weil die Verlagerung der Fertigung zurück nach Europa ein immer wichtigeres Thema wird, das es trotz Fachkräftemangel und höheren Lohnkosten zu bewältigen gilt.

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Welche Automation darf es denn sein?

Was sich der spürbaren Aufbruchstimmung in Richtung Automatisierung dem Mittelstand in den Weg stellt, sind zum einen die Frage nach der finanziellen Machbarkeit, zum anderen der fehlende Überblick. Automatisierung hat viele Facetten - unterschiedliche Begrifflichkeiten und Disziplinen wie Robotic Process Automation, Hyper Automation oder Intelligent Automation verwirren viele Anwender. Den Unternehmen genau dafür das Verständnis zu vermitteln, darin liegt im Grunde genommen die größte Herausforderung. Denn: Automation á la RPA beschränkt sich nicht nur auf die IT, sondern betrifft auch das Business. Und deshalb bedarf es viel Beratung und Unterstützung, um den Unternehmen zu vermitteln, was genau damit gemeint ist und wie die Technik ihnen helfen kann.

Von einer kompletten Automatisierung, die alle Bereiche des Unternehmens erfasst hat, ist man - zumindest in Deutschland - aktuell noch weit entfernt. Ein Grund hierfür ist, dass vielen Betrieben die Skalierung schwerfällt. Man hat erkannt, dass hinter dem Thema Automation viel mehr steckt, als nur eine Technologie einzuführen. So steht nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Cases auf dem Prüfstand. Es geht auch darum, wie man es schafft, dass Mitarbeiter der Technik vertrauen. Tun sie das nämlich nicht, bleiben Workarounds nicht aus.

Es gibt viele Aspekte zu beachten, damit eine Automatisierung von Prozessen erfolgreich wird. Unterstützen können hier weitere Technologien wie Process Mining oder Process Discovery. Weil oft die Dokumentation von Prozessen fehlt, lässt sich mit dieser Methode feststellen, welche Prozesse im Unternehmen noch manuell abgewickelt werden und nach welchen Schemata sie laufen. Wenn es darum geht, Ausnahmefälle in den Prozessen zu identifizieren und dafür zu sorgen, dass Prozessketten nicht abreißen, braucht es zusätzliche Werkzeuge - beispielweise passende KI-Tools.

Automatisierung muss konsumierbarer werden

Zusätzliche Technologien erhöhen jedoch Komplexität, Beratung und Kosten. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation steigen mit den Argumenten pro Intelligent Automation auch die Anforderungen. Eine davon lautet: Automatisierung muss konsumierbarer werden. Das heißt, ähnlich wie beim iPhone müssen die Komplexität der Technologie unter der Oberfläche verschwinden und Fachbereich-gerechte Schnittstellen entstehen, um Automatisierung ganz normal ins Tagesgeschäft miteinbeziehen zu können. Momentan glauben die Fachbereiche nämlich immer noch, sie bräuchten einen Mathematiker, um KI auf ihre Prozesse zu trainieren. Der Umgang mit Automatisierung muss also deutlich zugänglicher gemacht werden - und zwar so einfach wie nur möglich.

Ob es allerdings sinnvoll ist, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per Low Code oder No Code durch einfaches 'Zusammenklicken' ihre eigene Automatisierung bauen, muss jedes Unternehmen für sich selbst beantworten. Die Gefahr dabei ist, dass die so erstellten Prozess-Automationen irgendwan nicht mehr zu warten sind, zum Beispiel wenn die Urheber nicht mehr im Unternehmen sind. Damit also die Maintenance nicht nur in den Fachabteilungen, sondern auch in der IT im Griff bleibt, muss es eine Form von Governance über die Automatisierung geben. Nur so kann verhindert werden, dass Schatten-IT sich verselbständigt.

Studie "Intelligent Automation 2023": Sie können sich noch beteiligen!

Zum Thema Intelligent Automation führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Regina Hermann (rhermann@idg.de, Telefon: 089 36086 161) und Manuela Rädler (mraedler@idg.de, Telefon: 089 36086 271) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF).

Weg vom Silo, hin zur Struktur

Die simplen Automatisierungen, deren Mehrwert der Fachbereich sofort sehen kann, sind bereits in den meisten Fällen bereits umgesetzt und deren Potenzial ausgeschöpft. Was es jetzt braucht sind Strukturen und ein entsprechendes COE, das über Governance und Werkzeuge verfügt, um zu identifizieren und zu ratifizieren, an welchen Stellen eine weitere Automation sinnvoll ist und in welcher Form.

Und es gilt, das Business in die Lage zu versetzen, Automatisierung eher zu konsumieren als zu bauen. Warum? Zum einen steigt die Komplexität hinter den Schnittstellen. Genau deshalb braucht es jemanden mit dem nötigen Vorwissen beziehungsweise der notwendigen Ausbildung, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Zum anderen wird dadurch auch die Effizienz verbessert. Schließlich sollen Mitarbeiter ihre Zeit nicht damit verschwenden, effizientere Prozesse zu bauen, sondern sich auf ihre eigentliche Aufgaben konzentrieren.

Und nicht zuletzt werden so auch Silos vermieden. Denn eine selbstgebaute Automatisierung aus Sicht eines Mitarbeiters bleibt am Ende eine begrenzte lokale Lösung, die im schlimmsten Fall keiner mehr kontrollieren kann. Eine IT-Landschaft ist jedoch geprägt von vielen Verantwortlichkeiten, die ineinander greifen müssen. Wenn man es schafft, eine Art Marketplace aufzubauen, der von den Fachbereichen genutzt werden kann, dann kann das Business Automatisierung quasi selbst aus- und einschalten. Ohne Schatten-IT und ohne Silos, mit der notwendigen Governance.

Automatisierung ist Teil der Digitalen Transformation

Im Zuge der digitalen Transformation arbeiten viele Unternehmen an verschiedensten Projekten. Customer Experience, Self Services, neue Workflows - all dies soll in einem Gesamtkonzept integriert werden. Doch zu diesem Gesamtkonzept gehört auch die Automatisierung. Man kann sie nicht einfach als weitere Fähigkeit des IT-Bereichs ansehen, der hin und wieder ein paar zeitraubende Workflows automatisiert. Studien belegen, dass viele Transformationsprojekte scheitern, bei denen Automatisierung nicht Teil der Unternehmensstrategie ist. Das C-Level muss Automatisierung also als integralen Teil des Business begreifen.

Naheliegend ist es, die Verantwortung dafür dem CDO in die Hände zu legen. Eine Rolle, die im breiten Mittelstand mit 100 bis 250 Mitarbeitern jedoch selten zu finden ist. Muss sie auch nicht: Da Qualitätsmanagement im Mittelstand eine große Rolle spielt, könnte man den Qualitätsleiter befähigen, über einen digitalen Werkzeugkasten nachzudenken, den man im Unternehmen für die Optimierung von bestehenden Abläufen sowie bei der Einführung neuer Prozesse einsetzen kann. Dazu wäre es aber wichtig, die neuen Mittel viel populärer der Fläche bekannt zu machen und bereitzustellen. Ansätze wie Automation as a Managed Service gibt es bereits - und damit eine für den Mittelstand finanzierbare Möglichkeit, den Kinderschuhen der Automation zu entwachsen.

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