Schlichtung mit Gläubigern

Atos braucht frisches Geld

09.04.2024
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Milliarden Schulden drücken auf Atos. Der Serviceanbieter benötigt dringend Geld, um seine Geschäfte aufrecht erhalten zu können.
Hoffnungsschimmer bei Atos - bis Juli 2024 soll der Plan für eine Refinanzierung stehen.
Hoffnungsschimmer bei Atos - bis Juli 2024 soll der Plan für eine Refinanzierung stehen.
Foto: nitpicker - shutterstock.com

Atos hat erste Details eines Refinanzierungsplans bekannt gegeben. Demzufolge benötigt der angeschlagene IT-Service-Provider 600 Millionen Euro an Barmitteln, um sein Geschäft 2024 und 2025 finanzieren zu können. Die Mittel sollen in Form von Fremd- beziehungsweise Eigenkapital von Anteilseignern oder Drittinvestoren bereitgestellt werden. Darüber hinaus braucht es neue Kreditlinien und Bankgarantien in Höhe von zusammengenommen 600 Millionen Euro.

Atos kämpft seit Jahren mit massiven Schwierigkeiten. Eigentlich wollte sich der französische IT-Dienstleister nach dem Vorbild von IBM aufspalten. Eine Sparte (Tech Foundations) sollte das klassische Geschäft mit den weniger profitablen Geschäftsbereichen wie Rechenzentren und Hosting, Digital Workplace, Unified Communications und Collaboration (UCC) sowie das Outsourcing von Geschäftsprozessen weiter betreiben. Der andere Bereich (Eviden) hätte modernere Aktivitäten wie digitale Transformation, intelligente digitale Plattformen, Cloud-Technologie, Cybersicherheit, High-Performance Computing und KI übernommen.

Alle Hintergründe zu den Problemen bei Atos:

Der Plan, die Tech Foundations an EP Equity Investment (EPEI) zu verkaufen und sich damit wieder etwas Luft zu verschaffen, scheiterte jedoch. Man habe keine für beide Seiten zufriedenstellende Einigung erzielt, teilte Atos in einem knappen Statement Ende Februar mit. "Die Gespräche und die Verkaufsvereinbarung wurden daher in gegenseitigem Einvernehmen beendet." Atos will Tech Foundations und Eviden weiterhin als getrennte Unternehmen führen, hieß es.

Milliarden-Schulden - Schlichtung mit Gläubigern läuft

Die Franzosen drücken Schulden von fast fünf Milliarden Euro. Davon wären 3,65 Milliarden Euro bis Ende 2025 fällig. Mit dem jetzt aufgestellten Plan soll die Bruttoverschuldung bis Ende 2026 um 2,4 Milliarden Euro reduziert werden. Die verbleibenden Fälligkeiten hofft der Serviceanbieter um fünf Jahre verlängern zu können.

Atos hatte Ende März ein gütliches Schlichtungsverfahren eingeleitet, um Gespräche mit Gläubigern zu führen. Grundlage bildet ein Geschäftsplan für die Jahre 2024 bis 2027. Für das laufende Geschäftsjahr 2024 rechnen die Verantwortlichen mit einem Umsatz von 9,9 Milliarden Euro - ein Rückgang von zwei Prozent im Vergleich zu 2023. Während der Zukunftsbereich Eviden leicht um zwei Prozent auf etwa fünf Milliarden Euro zulegen soll, rechnet Atos für die Tech Foundations mit einem Minus von sechs Prozent auf 4,9 Milliarden Euro.

Atos-Chef Paul Saleh, hofft, dass die Geschäfte ab Ende 2024 wieder besser laufen.
Atos-Chef Paul Saleh, hofft, dass die Geschäfte ab Ende 2024 wieder besser laufen.
Foto: Atos

Ab Ende 2024 hoffen die Verantwortlichen rund um den seit Mitte Januar amtierenden neuen CEO Paul Saleh auf eine Erholung der Geschäftsaktivitäten. 2027 sollen die Einnahmen bei 11,4 Milliarden Euro liegen, was eine jährliche durchschnittliche Wachstumsrate von 3,1 Prozent für den Zeitraum 2023 bis 2027 bedeuten würde. Die Hoffnungen ruhen auf Eviden, das jährlich um 7,8 Prozent zulegen und 2027 auf einen Umsatz von 6,6 Milliarden Euro kommen soll. Bei Tech Foundations geht Atos dagegen von durchschnittlichen Rückgängen von 1,9 Prozent im Jahr aus. 2027 sollen Einnahmen von 4,8 Milliarden Euro zu Buche stehen. Bei der operativen Marge geht das Management von 1,2 Milliarden im Jahr 2027 aus, das wären 10,3 Prozent des Umsatzes.

Refinanzierung soll bis Juli 2024 stehen

Der im Rahmen der Schlichtung entwickelte Geschäftsplan wurde von dem unabhängigen Beratungsunternehmen Accuracy analysiert und den Gläubigern vorgelegt. Bis Ende April sollen Anteilseigner und Investoren nun Finanzierungsvorschläge einschließlich neuer Mittel einreichen können. Als Ziel peilen die Verantwortlichen an, bis Juli dieses Jahres eine endgültige Refinanzierungsvereinbarung mit den Gläubigern unter Dach und Fach zu bringen.

Erste positive Signale lassen hoffen, dass Atos wieder in die Spur findet. Mit einer Gruppe von Banken und Anleihegläubigern habe man eine grundsätzliche Vereinbarung über eine Zwischenfinanzierung in Höhe von 400 Millionen Euro treffen können, teilte der Konzern mit. Darüber hinaus habe sich der französische Staat grundsätzlich bereit erklärt, über den FDES (Fonds de Développement Economique et Social) ein Darlehen in Höhe von 50 Millionen Euro an eine Tochtergesellschaft von Atos, Bull SA, zu gewähren.

Bis zur Aufstellung seines langfristigen Refinanzierungsplans verfüge Atos damit über eine angemessene Liquidität, hieß es. Man werde "alle Vorschläge unter der Schirmherrschaft der Schlichterin Maître Hélène Bourbouloux im besten Interesse des Unternehmens, seiner Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Aktionäre und anderer Stakeholder bewerten und dabei einen attraktiven Geschäftsmix aufrechterhalten". Auch die hoheitlichen Erfordernisse des französischen Staates würden berücksichtigt. Dieser hatte in der Vergangenheit Sicherheitsbedenken angemeldet, als Atos Teile des Geschäfts verkaufen wollte.