Christian Gansch verbindet Musik und IT

Zu viel Harmonie führt in die Sackgasse

23.06.2008
Von 
Karen Funk ist Senior Editor beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind IT-Karriere und -Arbeitsmarkt, Führung, digitale Transformation, Diversity und Sustainability. Als Senior Editorial Project Manager leitet sie zudem seit 2007 den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT ein. Zusammen mit einer Kollegin hat sie eine COMPUTERWOCHE-Sonderedition zu Frauen in der IT aus der Taufe gehoben, die 2022 zum 6. Mal und mit dem erweiterten Fokus Diversity erschienen ist.

Die erste Geige spielen

CW: Spielt die erste Geige die größte Rolle, ist das der wichtigste Bereichsleiter?

GANSCH: Nein, "die erste Geige spielen" ist nur so ein geflügeltes Wort. Das hat mit ihrer Wichtigkeit im Orchester nichts zu tun. Man muss nur irgendwo einmal zu zählen anfangen, das ist alles. Die zweite Geige ist auf eine andere Art und Weise genau so wichtig und vielleicht sogar beim Spielen spannender im Konzert, weil sie sich im orchestralen Gefüge permanent nach unterschiedlichen Gruppen ausrichtet. Manchmal spielt die zweite Geige zusammen mit der Klarinette, mal zusammen mit dem Schlagwerk, manchmal mit den Celli, manchmal mit der ersten Geige. Das ist von der Herausforderung her häufig viel bunter als die erste Geige, die oft die Melodie spielt. Das kann manchmal auch ein bisschen eintöniger sein. Aber die Melodie ist nicht nur bei der ersten Geige, sondern die ist auch mal in der Cello-Gruppe oder in der Flöte oder in der Trompete. Also die erste Geige ist eine wichtige Position, aber definitiv nicht wichtiger als die Cellogruppe.

CW: In einem Unternehmen haben wir einen CEO, der mit seinen Führungskräften wie CIO und CFO die Geschicke der Firma lenkt. Wie funktioniert das Zusammenspiel der einzelnen Führungskräfte im Orchester?

GANSCH: Das Orchester ist darauf angewiesen, dass der Dirigent ein klares, verständliches Konzept hat. Die Musikerinnen und Musiker müssen wissen, wo er hin will. Der Dirigent ist wiederum auf die Führungskräfte des Orchesters und deren Führungsstärke angewiesen. 50 bis 60 Prozent der Probenarbeit wird dafür verwendet, dass die Führungskräfte die technischen Strategien für ihre Abteilung austüfteln. Das ist hauptsächlich Schreibarbeit! In der Probe wird festgelegt, welcher Bogenstrich und welche Atemlinie konzeptionell sinnvoll sind. Jetzt kommt das Entscheidende: Wenn eine Abteilung eine Strategie für sich festgelegt hat, ist diese nicht für sich selbst gültig, sondern wird darauf überprüft, ob sie mit den Strategien der anderen Abteilungen kompatibel ist. Es wäre ja zwecklos, wenn etwa die Celli ihren Part wunderbar spielen können, aber die Flöte nicht mitkommt, weil es nicht zu ihren Möglichkeiten zu atmen passt. Also müssen sich die Celli mit den Flöten abstimmen und ihre Strategien wechselseitig anpassen.