"All-in-one"-Lösungen gibt es nicht

"XML ist kein Dokumentenstandard"

14.09.2001

CW extra: Als neuer Heilsbringer, der den Austausch von Dokumenten und Inhalten vereinfachen soll, wird die Extensible Markup Language gepriesen. Welche Bedeutung hat XML für DM und CM?

Zöller: XML ist kein Dokumentenstandard und demzufolge nicht imstande, Formate wie PDF, TIFF, AFP oder MS Word abzulösen. XML ist lediglich eine Metasprache, die allerdings sehr mächtig ist und mit deren Hilfe sich eine auf breiterer Basis stehende System-zu-System-Kommunikation realisieren lässt. Ich sehe XML daher als sinnvolle Technologie, wenn es zum Beispiel um Anweisungen in Prozesssteuerungen geht oder darum, Beschreibungsdaten für Dokumente zwischen verschiedenen Systemen auszutauschen. Aber auch hier gilt, dass sich die Systeme auf semantischer Basis verstehen müssen. Beispiel: Wenn ein System A den deutschen Autor "Meier" in einem XML-Tag definiert, das andere System B diesen Eintrag aber mit dem englischen "Author" sucht, hat man ein Problem mangelnder Taxonomie, das von XML nicht angesprochen wird. Ein weiteres Beispiel: Ein Dokument wird als ein fünfseitiges Multi-Page-TIFF gescannt und erhält im Laufe der Bearbeitung Annotationen im

System A. Dann wird das Dokument zusammen mit beschreibenden XML-Auszeichnungen an das System B übergeben. System B kann das ankommende Dokument vielleicht sauber indexieren, weiß also alles, was zur Beschreibung des Dokumentes nötig ist. Nur: Anzeigen oder drucken kann es nicht, weil es weder etwas mit Multi-Page-TIFFs noch mit den proprietären Annotationen des Systems anfangen kann.

CW extra: Softwareanbieter sind Meister darin, neue Begriffe für alte Themen zu entwickeln und dadurch eher zu verwirren, als für Klarheit zu sorgen. Diesen Eindruck hat man auch beim Dokumenten-Management, das nun zunehmend als Content-Management angepriesen wird. Ist das nicht auch alter Wein in neuen Schläuchen?

Zöller: Bei dem Begriff Content-Management (CM) muss man unterscheiden zwischen seinen Ursprüngen aus dem Bereich Web-Content-Management (WCM) und einem sehr allgemeinen Verständnis. Letzteres umfasst vieles, was sich irgendwie mit "Inhalten" und deren Verwaltung in Verbindung bringen lässt. In diesem erweiterten Kontext sind Dokumenten-Management und Web-Content-Management nur untergeordnete Begriffe.

CW extra: Aber worin besteht denn nun der Unterschied?