Ist Microsoft eigentlich strategisch?
NEFF: Zu guter Letzt mal zwei generelle Fragen: Warum ist die IT aus Ihrer Sicht für ein Unternehmen eigentlich strategisch? Und wieso ist Microsoft für die IT strategisch?
BERG: IT ist überhaupt nicht strategisch, wenn sie nicht den eigentlichen Geschäftszweck unterstützt. IT ist ein unterstützender Faktor, denken Sie an das Thema Collaboration, das wir eben diskutiert haben. Wenn die IT den Mitarbeitern eines Unternehmens keine Möglichkeit für eine reibungslose Zusammenarbeit schaffen kann, ist sie nicht strategisch. Dann hat auch der CIO ein Problem. Sie müssen deutlich machen, dass Sie mehr sind als ein Kostenfaktor. Und zur Bedeutung von Microsoft: Wir wissen, dass wir nicht der einzige strategische Partner sind. Aber wir sehen uns immerhin als einen strategischen Anbieter - und zwar weit über die Themen Office und Windows Vista hinaus, also für den kompletten Enterprise-Bereich. Microsoft ist einfach der Anbieter mit der breitesten Produktpalette.
NEFF: Aus meiner Sicht wird Microsoft nach wie vor sehr stark mit Office und Windows verbunden, neuerdings auch mit dem Thema Collaboration. Aber im Enterprise-Umfeld stehen Sie erst an der Schwelle zum strategischen Lieferanten. Beispielsweise installieren wir gerade Microsoft CRM. Da fängt die Collaboration an, sich mit den Enterprise-Funktionen zu verbinden. Aus diesem Link heraus entstehen Vorteile, die man vorher gar nicht erkannt hat. Die weichen Faktoren nehmen an Bedeutung zu, aber nicht im Widerspruch zu den eindeutigen Funktionen wie Rechnungslegung oder Kundenabwicklung, sondern als Ergänzung dazu. Wir stehen in den Unternehmen vor einer entscheidenden Frage: Benötigen wir überhaupt noch unternehmensspezifische Lösungen? Gibt es einen Unterschied zwischen Google Mail, das wir als Service beziehen könnten, und einem selbstbetriebenen Microsoft-Exchange-Umfeld? Oder anders ausgedrückt: In welche Architekturen investieren wir, und wo bedienen wir uns dessen, was der Markt billig anbietet? Solche Entscheidungen mit theoretischen Business Cases zu belegen ist nahezu unmöglich. Ob man richtig entschieden hat, kann man erst erkennen, wenn man die Reise schon begonnen hat. Deshalb brauchen wir Tools, die es uns erlauben, sehr schnell kleine Lösungen zu entwickeln, anhand derer wir uns selbst und dem Business die Auswirkungen zeigen können - quasi einen einsatzfähigen Prototypen, aus dem sich bei Bedarf eine weltweit einsetzbare Applikation machen lässt. Voraussetzung ist aber, dass die globale Infrastruktur stimmt. Sonst kann man das vergessen. Lernen durch nutzen, das brauchen die Unternehmen. Die großen, auf fünf Jahre angelegten Pläne gehören der Vergangenheit an. Deshalb brauchen wir flexible Lizenzmodelle und Software as a Service, deshalb brauchen wir Architekturpartner, die uns sagen können, was in unseren Rahmen passt und was nicht. Da hilft uns die IT-Industrie heute noch zu wenig.
BERG: Aber diese Tools bieten wir doch an.
NEFF: Das bestreite ich gar nicht. Aber wie kriegen wir aus diesen Tools Lösungen? Das ist doch die Frage. Das Zusammenspiel ist entscheidend. Microsoft, SAP oder andere Applikationshersteller denken zu stark in der eigenen Welt. Ich nutze aber gemischte Umgebungen, und deshalb ist das Know-how eines einzelnen Anbieters nur teilweise nützlich für mich. Der Bedarf an Architekten steigt auch deshalb, weil durch SOA Applikationsmodule unterschiedlicher Hersteller zu Komplettlösungen integriert werden können. Ich brauche nicht mehr die komplette Suite von SAP. Beispielsweise kann ich das HR-Modul von Oracle/Peoplesoft mit dem FI-Produkt von SAP und mit weiteren Komponenten anderer Anbieter kombinieren. Die IT-Industrie muss uns helfen, hier zu lernen. Dann fällt es uns auch leichter, nachzuweisen, dass wir für unsere Unternehmen Werte schaffen. Und am Ende geht es ja genau darum.
- Großkunde trifft wichtigen Lieferanten
Was Michael Neff (rechts), CIO der Heidelberger Druckmaschinen AG, den deutschen Microsoft-Chef Achim Berg immer schon mal fragen wollte ... - Michael Neff geht gleich in die Vollen
... Jetzt hatte der IT-Chef des großen Microsoft-Kunden Gelegenheit, Lob und Kritik an seinem Softwarelieferanten loszuwerden. - Achim Berg hält dagegen
Microsoft-Geschäftsführer Achim Berg musste seinem Kunden ab und an Recht geben - vor allem, als dieser den unterschiedlichen Kenntnisstand der Microsoft-Partner bemängelte. - Zwei Topmanager beinahe privat
Die COMPUTERWOCHE hatte die beiden Topmanager zusammengebracht. Doch aus der Diskussion hielt sich Herausgeber Christoph Witte (rechts) weitgehend heraus. - Michael Neff nimmt kein Blatt vor den Mund
"Im Enterprise-Umfeld steht Microsoft erst an der Schwelle zum strategischen Partner." Das musste sich der junge Microsoft-Geschäftsführer Achim Berg von dem erfahrenen CIO Michael Neff sagen lassen. - Achim Berg bei der Überzeugungsarbeit
Ein paar Dinge wollte Achim Berg dann aber doch mal klarstellen: "Es gibt mittlerweile keine offenere Plattform als die unsere." - Kompetenz und Temperament: Michael Neff
"Was ist los, dass ich mich kritisieren lasse muss, wenn ich erfolgreich Vista einführe?" Heidelberg-CIO Michael Neff befürchtet ein Image-Problem bei Microsoft. - Achim Berg, teilweise in der Defensive
"Wir haben im Business-Umfeld nach zwei Jahren mehr Windows-Vista-Installationen als zum gleichen Zeitpunkt mit Windows XP," verteidigt sich der Microsoft-Manager. - Diskussion ohne taktische Zwänge
Achim Berg und Michael Neff hatten keinen Stichwortgeber nötig. COMPUTERWOCHE-Herausgeber Christoph Witte konnte sich darauf beschränken, das Gespräch zu protokollieren. - Virtuelle Pistole auf der Brust
"Wenn Sie im Enterprise-Gschäft erfolgreich sein wollen, müssen sie dieses Problem in den Griff bekommen." Für Michael Neff haben Microsoft und seine Partner die Bedürfnisse der Großkunden noch nicht ganz verstanden. - Jetzt aber mal halblang...
Im Prinzip fand Microsoft-Geschäftsführer Achim Berg die Anregungen seines Kunden Michael Neff wirklich hilfreich: "Ich habe da bereits eine Idee ... " - ... Na also, es geht doch!
Man muss kein Gedankenleser sein, um Neffs Gesichtsausdruck deuten zu können. Der Heidelberg-CIO freut sich, seinem Softwarelieferanten ein paar Dinge mitgeben zu können, an denen dieser noch eine Weile knabbern dürfte. - Großkunde trifft wichtigen Lieferanten
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