GitHub-COO im Interview

"Wir brauchen keine KI, um kreativ zu sein"

13.03.2024
Von  und
Lucas Mearian ist Senior Reporter bei der Schwesterpublikation Computerworld  und schreibt unter anderem über Themen rund um  Windows, Future of Work, Apple und Gesundheits-IT.


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
GitHub entwickelt seit mehr als zwei Jahren eine eigene Generative-AI-Plattform, die nicht nur Entwickler, sondern auch die IT unterstützt. COO Kyle Daigle gibt Einblicke.
GitHub zählt zu den Generative-AI-Pionieren. Lesen Sie, wie das Geheimnis für KI-Erfolg bei der Dev-Plattform aussieht.
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Foto: MeshCube | shutterstock.com

Bei der Entwicklerplattform GitHub beschäftigte man sich mit dem Thema generative künstliche Intelligenz (Generative AI; GenAI) schon lange bevor ChatGPT oder Microsoft Copilot öffentlich verfügbar wurden. Bereits vor zweieinhalb Jahren adaptierte GitHub im Rahmen einer frühen Partnerschaft mit Microsoft das Copilot-Tool und baute es zu seiner eigenen Lösung aus: GitHub Copilot. Heute kommt das GenAI-basierte Chat Interface sowohl bei den Benutzern als auch intern bei GitHub selbst zum Einsatz. Einerseits um die Entwicklungsabteilung zu unterstützen, andererseits als automatisiertes Helpdesk-Tool.

"Bislang hat GenAI die Produktivität der Entwickler um 55 Prozent gesteigert", berichtet Kyle Daigle, seit elf Jahren bei GitHub und seit einem Jahr COO des Unternehmens, stolz. Er ist maßgeblich in die GenAI-Development-Strategie des Unternehmen involviert und fokussiert sich dabei darauf, herauszufinden, wie die Technologie den rund 3.000 Beschäftigten - und der externen Entwickler-Community respektive der User-Basis - zugutekommen kann.

Im Interview mit unseren US-Kollegen der Computerworld sprach der GitHub-COO unter anderem darüber, welche Effizienzgewinne sein Arbeitgeber mit GenAI ganz allgemein (nicht nur im Dev-Bereich) bereits realisiert hat. Zudem hat der Manager auch noch einige Tipps für Unternehmen auf Lager, die künftig mit generativer KI erfolgreich sein wollen.

"Copilot bleibt Co-Pilot"

Seit wann arbeiten Sie mit und an Copilot - und warum? In welchen Bereichen ist das Tool für GitHub zum Enabler geworden?

Kyle Daigle: Wir arbeiten inzwischen seit etwa zweieinhalb Jahren an Copilot. Dank unserer Kooperation mit Microsoft hatten wir damals bereits Zugang zu den OpenAI-Modellen. Ähnlich wie bei vielen anderen Unternehmen stand auch bei uns die wesentliche Frage im Raum, wie wir diese Large Language Models sinnvoll und gewinnbringend einsetzen können.

Es hat zwar eine Weile gedauert, aber inzwischen haben wir die Geheimzutaten identifiziert, die Copilot heute ausmachen. Ursprünglich wollten wir die LLMs eigentlich dazu einsetzen, um Tools zu entwickeln, die Code dokumentieren. In der Experimentierphase stellte sich jedoch heraus, dass das auf der Idee vom 'Ghost Text' fußende Vervollständigungsmodell ein Durchbruch war. Inzwischen zählen wir mehr als eine Million GitHub-User, die Copilot jeden Tag nutzen. Dabei zeigen unsere Zahlen, dass 55 Prozent der Benutzer produktiver sind und circa 60 Prozent ihres Codes mit dem Tool schreiben. Dieser Anteil dürfte sich unserer Überzeugung nach mit der Zeit auf circa 80 Prozent steigern.

Der wichtigste Aspekt ist jedoch meiner Meinung nach, dass sich Entwickler in ihrem Job erfüllter fühlen: Das Tool erlaubt ihnen, sich auf die kreativen Aspekte des Developer-Jobs zu fokussieren. Der Mensch bleibt in unserer Vision auf dem Pilotensitz. Was die interne Nutzung von Copilot angeht, haben wir uns vor allem darauf konzentriert, Learnings aus diesem Projekt auf andere Bereiche anzuwenden, in denen wir dieses und andere, zweckgebundene KI-Tools einsetzen - auch außerhalb der Softwareentwicklung.

Kyle Daigle bekleidet seit April 2023 das Amt des Chief Operating Officer bei GitHub.
Kyle Daigle bekleidet seit April 2023 das Amt des Chief Operating Officer bei GitHub.
Foto: GitHub

Support im Bereich der Softwareentwicklung ist eine 'low hanging fruit' Ihrer GenAI-Plattform. Seit wann setzen Sie das Tool zu diesem Zweck ein - und bei welchen Programmiersprachen ist es besonders hilfreich?

Daigle: In der Frühphase haben wir viel mit Python, JavaScript und ähnlichen Sprachen experimentiert. Wir sind im Wesentlichen ein Ruby-Unternehmen - schreiben aber auch Code in Go, C und FirGit. Für Copilot haben wir unsere Use Cases erweitert und das Tool mit verschiedenen Sprachen getestet. Im Ergebnis kann Copilot mit so gut wie allen bekannteren Programmiersprachen verwendet werden, für die es ausreichend Open-Source- respektive Online-Quellen gibt. Selbst proprietäre Programmiersprachen kann Copilot emulieren, weil es den Code im Repository analysiert.

Wie schlägt sich Copilot, wenn es darum geht, Code zu vervollständigen?

Daigle: Das hängt im Wesentlichen von der jeweiligen Programmiersprache ab. Mit Copilot Chat können Sie dem Tool auch ihr Problem schildern und ihm mitteilen, dass die Lösung spezifische Aspekte beinhalten sollte - etwa die Nutzung einer bestimmten API.

Wenn es um die Menge des mit Copilot erzeugten Programmcodes geht, stellen wir fest, dass das Gros des so erzeugten Codes von den Entwicklern übernommen wird. Das beschleunigt auch die nächsten Prozessschritte - beispielsweise Code Reviews. Das liegt vor allem daran, dass Code, den Entwickler mit der Unterstützung von Copilot schreiben, im Regelfall weniger Fehler aufweist. Das beschleunigt letztlich auch die Continuous Integration. Copilot als Softwareentwickler zu nutzen, kann sich also mehrfach positiv auswirken.

Haben Sie bei Copilot in der Praxis auch Probleme irgendeiner Art festgestellt - beispielsweise Ungenauigkeiten?

Daigle: Wenn Sie Copilot auf Ihr Repository loslassen, wird es sich am dort vorhandenen Code orientieren. Wenn diese Codebasis schon etwas in die Jahre gekommen ist, könnte das Tool unter Umständen nicht mehr ganz zeitgemäße Praktiken anwenden. Dieses Problem lässt sich allerdings ebenfalls mit Hilfe einer entsprechenden Anweisung über Copilot Chat umgehen.

Um Sicherheitsprobleme im Code zielgerichtet zu beheben, bevor Schaden entstehen kann, haben wir Ende letzten Jahres auf unserem Universe-Event außerdem das Tool 'Security Autofix' vorgestellt. Das nutzt eine ähnliche Technologie wie Copilot: Wenn Sie ihm mitteilen, dass Sie sich einer Vulnerability im Code bewusst sind, wird es diese nicht nur finden, sondern auch direkt beheben. Wir arbeiten daran, künstliche Intelligenz in den gesamten Lebenszyklus der Softwareentwicklung auf GitHub zu integrieren, um Entwickler bestmöglich zu unterstützen. Dennoch bleibt Copilot ein Co-Pilot und macht Best Practices nicht überflüssig. Security- und Secret-Scanning bleiben Ihnen nicht erspart.