Was bleibt nach der Krise?

Wie COVID-19 zur Digitalisierung zwingt

07.04.2020
Von   
Oliver Laitenberger leitet bei der Managementberatung Horn & Company das Kompetenzzentrum Digitalisierung und Technologie.
Angesichts der aktuellen Coronavirus-Krise ergreifen viele Unternehmen längst überfällige Digitalisierungsmaßnahmen. Viele dürften auch nach der Krise bestehen bleiben.
Die Coronavirus-Pandemie und ihre Auswirkungen wirken in vielen Unternehmen als Katalysator für die Digitale Transformation.
Die Coronavirus-Pandemie und ihre Auswirkungen wirken in vielen Unternehmen als Katalysator für die Digitale Transformation.
Foto: eugeniusro - shutterstock.com

Schnelles Handeln ist in der aktuellen Coronavirus-Krise für viele Unternehmensverantwortliche das Gebot der Stunde. Nun wird vielen Unternehmen - manchmal in gnadenloser Form - der Spiegel bezüglich der eigenen Digitalisierungsbemühungen der vergangenen Jahre vorgehalten. Manche sind sogar gezwungen, in kurzer Zeit Maßnahmen umzusetzen, die sie vorher aus diversen Gründen auf die lange Bank geschoben hatten. Diese sind nun oft Bestandteil des aktuellen Krisenmanagements vieler Unternehmen. Grund genug mehr Licht auf einige "Errungenschaften" zu werfen, die aus der COVID-19-Situation als "Gewinner" hervorgehen und die bisherige Welt der Unternehmen nachhaltig verändern werden.

Coronavirus treibt Agile Collaboration

Die erzwungene, dezentrale Arbeit im Homeoffice führt über den persönlichen Austausch hinweg zu einer agileren Form der Zusammenarbeit. Der rasante Anstieg des Einsatzes von Kollaborationswerkzeugen ist hier nur ein Indiz dafür. Viele haben nun ihre Arbeit in Teams organisiert, die in virtueller Form kollaborativ in einem Netzwerk zusammenarbeiten. Netzwerke sind eine natürliche Art, um individuelle Freiheit mit kollektiver Koordination zur Erreichung eines Ergebnisses oder einer Lösung in Einklang zu bringen. In der Konsequenz werden Unternehmen nach der Krise nicht umhinkommen, ihre etablierten, oft noch durch Silos geprägten Strukturen durch agile Organisationsformen zu ersetzen.

Denn eine agile Organisation besteht aus einem interagierenden Netzwerk von motivierten Teams, die mit hohen Standards in Bezug auf Zielsetzung, Verantwortlichkeit, Fachwissen und Transparenz arbeiten. An dieser Stelle hat die Corona-Krise beim Aufbau dieser Teamstrukturen mehr oder weniger freiwillig ganze Transformations-Arbeit geleistet. Diese gilt es nach der Krise mit den entsprechenden strategischen Leitplanken zu verstetigen. Die bekannten silohaften Linienorganisationen gehörten damit der Vergangenheit an.

Neben den rein strukturellen Aspekten führt die Krise zur kulturellen Veränderung der Unternehmen. Aktuell werden die wichtigsten anstehenden Aufgaben Teams überlassen, welche sich in Hinblick auf die Aufgabenbearbeitung dezentral selbst organisieren und die Ergebnisverantwortung übernehmen. Langfristige Kontrolle und Planbarkeit verlieren aufgrund der kurzfristigen Krisensituation an Bedeutung. Hier gilt es, den bis dato stattgefundenen Kulturwandel "mitzunehmen".

Automatisieren was automatisierbar ist

In Zeiten der Krise gilt es, den physischen Kontakt zwischen Menschen weitestgehend zu vermeiden. Was liegt hier nahe, als die Kontaktpunkte an den Schnittstellen weiter mit Hilfe von Software-Robotern zu automatisieren. Schon vor der Krise setzen viele Unternehmen auf das Thema Robotic Process Automation (RPA), um Abläufe zu automatisieren und damit effizienter und schneller abzuwickeln (siehe RPA-Überblick).

Die aktuelle Krise gibt dem Thema zusätzlichen Auftrieb, da beispielsweise Software-Roboter zu Bearbeitung von finanziellen Unterstützungsanträgen in Banken genutzt werden. Sie ersetzen damit viele repetitive Aufgaben von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in den Unternehmen. Die ganze Wirkungskette eines Unternehmens verändert sich mit den Möglichkeiten der Automatisierung derart, dass alles, was automatisierbar ist, auch automatisiert wird.

Der Fokus verlagert sich damit auf die Tätigkeiten, die zum Beispiel kreative Teamzusammenarbeit erfordern. Diese können dann wieder dezentral in virtuellen Temas erledigt werden.

Mit Cockpits an künftigen Krisen vorbeisteuern

Die wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 sind noch nicht annähernd klar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es nach der Krise nicht weitergeht wie vorher. Die geschäftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie werden vielen Unternehmen zwingen, ihre Kosten zu senken und die Produktivität zu steigern.

Eine ganzheitliche Transparenz zur aktuellen Unternehmenssituation in Form eines Cockpits oder Dashboards ist hierfür die wesentliche Voraussetzung. Auf dieser Grundlage können die Verantwortlichen dann "simulieren", welche Konsequenzen ihre Entscheidungen nach sich ziehen.

Auch hier liefert die Krise wieder ein gutes Beispiel: In Hackathons haben Teams gezeigt, dass Dashboards und Simulationen unter Einsatz von modernsten KI-Algorithmen mit einem interdisziplinären Expertenteam innerhalb von 48 Stunden erstellt werden können.

Hier stellt sich die zugegebener Weise etwas provokante Frage, warum manche Unternehmen Jahre und Millionen investiert haben, und immer noch nicht in der Lage sind, eine ganzheitliche Sicht für ihr Management nebst Simulationsmöglichkeiten einer solchen Krise herzustellen, wenn dies selbst für eine Pandemie unter engem Zeitdruck durch ein Team machbar und darstellbar ist, sodass am Ende ein lauffähiger "Prototyp" herauskommt?

Digitalisierungstreiber #1 - and the Winner is ...

Mit diesem häufig geteilten Meme hat die kanadische Satire-Seite MBA-ish offensichtlich einen wunden Punkt getroffen.
Mit diesem häufig geteilten Meme hat die kanadische Satire-Seite MBA-ish offensichtlich einen wunden Punkt getroffen.
Foto: MBA-ish/Screenshot Twitter

Die obigen Punkte sind wahrscheinlich nur die augenfälligsten Beispiele. Sicher lassen sich noch andere nennen, wie die Wahrnehmung und die Einstellung zu Technologie in Summe. Niemand hat eine Glaskugel und weiß, was die nächsten Wochen bringen mögen. Doch nachdem die Krise überstanden ist, wird die Welt eine andere sein. Größter Treiber für die nächste Stufe der digitalen Umsetzung waren nicht die CEO, CIOs oder CDOs, sondern das Coronavirus. (mb/fm)