„Was fehlt, ist die Aufbruchstimmung“

23.01.2003
Von 
Sabine Prehl ist freie Journalistin und lebt in München.

Im Gegensatz zu den begeisterungsfähigen Amerikanern, die neue Technologien möglichst zeitnah testen wollen, warten deutsche Anwender jedoch in der Regel lieber ab, bis sich eine Lösung bewährt hat. „Die Risikobereitschaft, etwa ein Produkt im Rahmen eines Pilotprojekts zu testen, ist hierzulande wesentlich geringer“, bemängelt Andreas Dohmen, Vice President und Geschäftsführer von Cisco Deutschland.

Diese Vorsicht entspricht der deutschen Mentalität und mittelständisch geprägten Firmenlandschaft, wurde aber durch die Wirtschaftskrise noch verstärkt. Oberste Priorität bei Investitionen in die IT hat in Deutschland derzeit der Return on Investment (RoI): „Ein Anbieter kann hierzulande nichts mehr verkaufen, wenn er nicht über Testinstallationen und Referenzen nachweisen kann, dass er das Thema RoI im Griff hat“, ist Schwirz überzeugt. Er persönlich hält diesen Umstand aber nicht unbedingt für einen Nachteil: „Warum sollte ein deutscher CIO eine schlechtere Entscheidung treffen als sein US-Kollege?“

Ähnlich sieht es Sun-Deutschland-Chef Wilke. Seinen Erfahrungen nach geht es den hiesigen Kunden nicht in erster Linie um schnelle Einsparungen, sondern um strukturelle Entscheidungen, die längerfristig zu einer wirtschaftlicheren Arbeitsweise führen - etwa Konsolidierungsmaßnahmen im Rechenzentrum. „Für innovative Konzepte dieser Art sind die Unternehmen nach wie vor bereit, Geld auszugeben“, so Wilke. „Auch wenn wir unterm Strich weniger an solchen Projekten verdienen - der Kunde erwartet sie von uns.“

Nach Ansicht von Cisco-Deutschland-Chef Dohmen dagegen bremst die reine Fixierung auf den Kosten-Nutzen-Aspekt das Geschäft und behindert Innovationen. „Das Pendel hat in Deutschland extrem von links nach rechts geschlagen: Nach der Euphorie der vergangenen Jahre legen viele Firmen zurzeit eine regelrechte Verweigerungshaltung an den Tag“, bemängelt der Manager. „Die Dinge haben sich zu stark auf die Controller-Seite verschoben.“

Trotz der vielerorts als hinderlich bezeichneten politischen Rahmenbedingungen: Unterm Strich schneidet der Standort Deutschland bei den ausländischen Hightech-Firmen gut ab. „Als einer der größten IT-Märkte der Welt ist die Bundesrepublik strategisch enorm wichtig“, fasst Mathias Schädel, Deutschland-Geschäftsführer des PC-Herstellers Dell, zusammen. „Das Problem ist, dass die Deutschen mehr Zeit mit Jammern verbringen, als potenzielle Chancen zu nutzen,“ kritisieren die Führungskräfte hiesiger US-Töchter einhellig. Statt in Selbstmitleid zu zerfließen, sollten die Unternehmen hierzulande für eine Wende sorgen, appelliert etwa Peoplesoft-Chef Höchbauer: „In anderen Ländern geht es der Wirtschaft auch nicht viel besser, aber die Aufbruchstimmung, die dort wieder zu spüren ist, fehlt hier noch völlig.“