Must Have für Hybrid Work?

Was digitale Whiteboards können

19.09.2022
Von 


Charlotte Trueman schreibt für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld. Sie beschäftigt sich unter anderem mit den Themenbereichen Collaboration und Nachhaltigkeit.
Geht es um hybrides Arbeiten, setzen Unternehmen zunehmend auf Digital Whiteboards - auch bekannt als Online-Plattformen für visuelle Zusammmenarbeit.
Mit Trends wie Home-Office und Hybrid Work haben digitale Whiteboards ihren Footprint stark ausgeweitet.
Mit Trends wie Home-Office und Hybrid Work haben digitale Whiteboards ihren Footprint stark ausgeweitet.
Foto: Figma

Die Bandbreite der Tools für die Zusammenarbeit am Arbeitsplatz, die Teams heute zur Verfügung stehen, geht weit über alles hinaus, was sich Arbeitnehmer vor zweieinhalb Jahren hätten vorstellen können. Als Anfang 2020 mit COVID-19 der Trend zum Home-Office einsetzte, konzentrierten sich die meisten Unternehmen darauf, eine funktionierende Video- und Chat-Plattform zu installieren. Nachdem ein erheblicher Anteil der Mitarbeiter beschlossen hat, zumindest einen Teil der Woche außerhalb des Büros zu arbeiten, werden Tools, die mehr als nur die grundlegenden Kommunikationsbedürfnisse der Mitarbeiter unterstützen, immer gefragter.

Ein Produkt, das in diesem Jahr ein explosionsartiges Wachstum erlebt hat, ist das digitale Whiteboard. Diese auch als visuelle Kollaborationsplattformen oder Shared-Canvas-Apps bekannten Tools ermöglichen es hybriden Teams, über eine Online-Schnittstelle visuell zusammenzuarbeiten. Zwischen März und Mai 2022 haben Box, ClickUp, Mural, BlueJeans und Zoom die Einführung eines neuen Whiteboard-Produkts oder wichtige Aktualisierungen ihrer bestehenden Lösungen angekündigt. Doch warum die rege Aktivität? Hierfür gibt es einige Gründe.

Hybride Teams zusammenbringen

Daten, die von Forrester im Mai 2022 veröffentlicht wurden, zeigen, dass 62 Prozent der IT- und Business-Entscheider, die aufgrund der COVID-19-Pandemie zumindest einen Teil ihrer Belegschaft ins Home-Office geschickt haben, davon ausgehen, dass auch weiterhin ein höherer Anteil von zuhause arbeiten wird. Das gilt selbst für Branchen, in denen traditionell vor Ort gearbeitet wird. Infolge dieser weitreichenden Veränderungen in der Belegschaft suchen viele Unternehmen nach Möglichkeiten, geografisch verstreuten Mitarbeitern eine einheitlichere Zusammenarbeit zu ermöglichen.

Die Anbieter von digitalen Whiteboards behaupten, dass ihre Plattformen diesen Bedarf erfüllen. Die Anwendungen für die visuelle Zusammenarbeit, auf die in der Regel über einen Webbrowser zugegriffen wird, schaffen dauerhafte Arbeitsbereiche, in denen Teammitglieder von jedem Gerät aus zusammenarbeiten können, in Echtzeit oder asynchron. Zusätzlich zu den Zeichen- und Schreibwerkzeugen bieten die Apps den Benutzern die Möglichkeit, Bilder, Videos, Diagramme, Haftnotizen und andere Elemente hinzuzufügen. Mehrere Plattformen bieten Integrationen mit Unternehmens-Tools wie Slack, Trello, Jira, Dropbox, Google Drive und Microsoft Teams.

Andrew Hewitt, leitender Analyst bei Forrester, sagte, dass virtuelle Whiteboards eine Möglichkeit für Unternehmen darstellen, die Reibung zwischen hybriden und entfernten Mitarbeitern zu reduzieren. Er merkte jedoch an, dass nur sehr wenige Menschen vor der Pandemie ein physisches Whiteboard als wichtig für ihre Arbeitsumgebung ansahen. Arbeitnehmer, die vor drei Jahren keinen Bedarf an einem Online-Brainstorming-Tool hatten, würden auch heute wahrscheinlich nicht auf dessen Einführung drängen.

Historisch gesehen besteht der Kundenstamm für digitale Whiteboard-Tools aus Entwicklern oder Personen, die in kreativen Bereichen wie Design arbeiten, und nicht aus allgemeinen Business-Nutzern. Im Gegensatz zu traditionelleren Tools für die Zusammenarbeit wie Videokonferenzen und Chat-Plattformen, die in Unternehmen zu fast 80 Prozent angenommen werden, haben sich digitale Whiteboard-Tools in der Unternehmenswelt also noch nicht durchgesetzt.

"Wie bei jeder anderen Technologie auch, ist es für die allgemeine Akzeptanz sehr wichtig, dass die Mitarbeiter diese Tools einsetzen und lernen, sie effektiv zu nutzen - vor allem in diesem Markt, in dem die Mitarbeiter aufgefordert werden, auf eine Art und Weise zusammenzuarbeiten, an die sie vielleicht nicht gewöhnt sind", so Hewitt.

Digital Whiteboard - nicht nur für die "Arbeit"

Im November 2021 schätzte Research Nester, dass der Markt für visuelle Zusammenarbeit bis 2028 einen Wert von 1,67 Milliarden Dollar erreichen wird. Ein Unternehmen, das in diesem Bereich tätig ist, ist Figma, das ein kollaboratives, Browser-basiertes Tool für die Oberflächengestaltung anbietet. Die Whiteboarding-Lösung FigJam des Anbieters wurde im April 2021 auf den Markt gebracht und zählt inzwischen Stripe, Twitter, Airbnb und Netflix zu seinen Kunden. Im September 2022 hat Adobe angekündigt, das Unternehmen für 20 Milliarden Dollar übernehmen zu wollen.

Laut Emily Lin, Produktmanagerin bei Figma, stellte das Unternehmen bereits vor 2020 diesen Trend bei den Figma-Kunden fest: Ingenieure und Projektmanager, die nicht zu den traditionellen Figma-Benutzern gehörten, begannen, das Tool zu nutzen, um mit Designteams auf eine bisher unbekannte Art und Weise zusammenzuarbeiten. "Wir sahen, dass die Leute anfingen, die Plattform über Dinge wie das klassische UI-Design hinaus zu nutzen und Figma stattdessen für Dinge wie Brainstorming verwendeten."

Daraufhin beschloss das Unternehmen, ein spezielles Tool auf den Markt zu bringen, das es all diesen verschiedenen Teams ermöglichen würde, an einem Ort zusammenzukommen und zusammenzuarbeiten. Als FigJam zum ersten Mal auf den Markt kam, gab es laut Lin zwei Hauptanwendungsfälle: Ideation und Brainstorming sowie Benutzerabläufe und grundlegende Diagramme. Nach der Markteinführung von FigJam stellte das Unternehmen jedoch fest, dass immer mehr Kunden die Plattform als Mittel zum Austausch mit anderen Teams nutzten. Die Benutzer begannen, ihre speziellen FigJam-Anwendungsfälle auf Twitter zu teilen und Teamrituale zu entwickeln, wie z. B. einen freitäglichen Kaffee-Chat oder einen Spieleabend. Jetzt bietet die Plattform neben den traditionellen Optionen auch spielerische Möglichkeiten, wie z. B. einen Photobooth, der digitale Polaroidfotos von den Teilnehmern einer Whiteboarding-Sitzung aufnimmt.

Externe Entwickler, die FigJam beruflich nutzen, haben auch die Möglichkeiten der Plattform zur Kontaktaufnahme erweitert. Das Unternehmen beobachte, dass viele einzelne Entwickler sowie Partnerunternehmen Add-ons erstellen, berichtet Lin. Ziel der Erweiterungen sei, Teams zu helfen, sich besser verbunden und engagiert zu fühlen. "Jemand hat ein Widget erstellt, das verschiedene Kennenlern- und Gruppenspiele enthält, und es gibt sogar Dinge wie Stein, Schere, Papier. Es gibt jetzt alle Arten von Aktivitäten, die wirklich Spaß machen und neben den traditionellen JIRA- und Asana-Widgets eingesetzt werden können", sagte sie. Das Resultat: Obwohl die Figma-Plattform speziell für Designer entwickelt wurde, sagt Lin, dass 70 Prozent der neuen Nutzer von FigJam aus anderen Bereichen des Unternehmens stammen.

Einer der Kunden von FigJam ist das Finanzdienstleistungs- und Softwareunternehmen Stripe. Die Firma lehnte es zwar ab, die Tools zu nennen, die es verwendete, bevor FigJam auf den Plan trat, aber laut Talia Siegel, Produktdesignerin bei Stripe, hätten diese keine Templates geboten, die Brainstorming oder die gleichzeitige Arbeit mit vielen Kollegen erleichterten. Wie die meisten Kunden nutzte auch Stripe die Plattform ursprünglich für Team-Brainstormings, hat sich aber im Laufe der Zeit auf das eingelassen, was Siegel als die "spielerische Seite" von FigJam bezeichnet: "Illustrationen, Sticker und Emojis füllen jetzt unsere Brainstorming-Dokumente. Wir haben FigJam auch genutzt, um Aktivitäten für den Zusammenhalt im Team zu entwickeln, während wir aus der Ferne arbeiten."

Die Zukunft des Digital-Whiteboard-Markts

Trotz der Flut von Produkteinführungen zu Beginn des Jahres ist der Markt laut Hewitt noch relativ ungesättigt. Da die Popularität dieser Tools jedoch weiter zunimmt, werden wahrscheinlich weitere Anbieter in diesen Bereich einsteigen - Mitte August brachte beispielsweise die Grafikdesign-Plattform Canva als jüngstes Unternehmen ein Whiteboarding-Produkt auf den Markt, das nun auch Teil der neu vorgestellten Visual Worksuite ist. "Für Anbieter stellt sich immer die Frage: 'Entwickle ich es nativ? Integriere ich es oder kaufe ich etwas zu? Es gibt auch viele kleine Anbieter, die reif für eine Übernahme in diesem Bereich wären. Aber derzeit gibt es insgesamt nur etwa sechs Anbieter, die wirklich vorankommen", analysiert Hewitt.

Laut Hewitt wollen viele Anbieter in diesem Bereich nicht nur als Whiteboarding-Lösung gesehen werden, sondern sich stattdessen auf den breiteren Aspekt der visuellen Zusammenarbeit konzentrieren, der mehrere Arten der Zusammenarbeit ermöglicht, wie z. B. die Erstellung von Inhalten, Projektmanagement, Mind Mapping und Design-Sprints und vieles mehr. Da der Markt weiter wächst, können wir laut Hewitt erwarten, dass diese Plattformen mit anderen Technologien wie AR, VR und dem Metaverse integriert werden. "Es ist noch sehr, sehr früh - aber Experten vermuten, dass der Markt sich in diese Richtung bewegen wird und wir eine bessere Integration zwischen AR- und VR-Technologien und den visuellen Kollaborationswerkzeugen selbst sehen werden."

Der Forrester-Analyst warnt jedoch davor, dass die Mitarbeiter zwar die Vorteile des Zugangs zu einem visuellen Kollaborations-Tool erkannt haben könnten, eigenständige Plattformen in einem schwierigen wirtschaftlichen Klima jedoch Schwierigkeiten haben könnten, ihren Kundenstamm zu vergrößern. Wenn Unternehmen gezwungen seien, schwierige Budget-Entscheidungen zu treffen, könnte sich eine einmalige Plattform für visuelle Zusammenarbeit wirtschaftlich nicht rechtfertigen, verglichen mit einem einfacheren Whiteboard-Tool, das in den Lizenzkosten einer größeren Unified-Communication-Plattform enthalten ist, die auf die gesamte Zusammenarbeitsstrategie eines Unternehmens ausgerichtet ist. "Whiteboard-Tools sind eine Zusatzfunktion, aber es ist nicht so, dass man als Unternehmen scheitert, wenn man dieses Produkt nicht hat", so Hewitt. (mb/fm)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der US-Schwesterpublikation Computerworld.