SAP-Software einbinden und abgleichen

Unternehmens-IT nach Firmenübernahme richtig zusammenführen

09.01.2017
Von 


Henrik Hausen ist Geschäftsführer und Mitgründer der 100%igen Cloud-Company all4cloud. Er ist seit 20 Jahren im Vertrieb und in der Geschäftsführung von Software- und Service-Anbietern für den Mittelstand tätig. Zuletzt verantwortete er als Vorstand der ALPHA Business Solutions AG unter Anderem den Aufbau des Geschäftsbereiches Cloud-ERP und war Interims-Sprecher der führenden SAP-Partner für SAP Business ByDesign.
Nach einer Geschäftsübernahme ist das Abgleichen der meist unterschiedlichen Unternehmens-IT mit eine der schwierigsten Aufgaben. Sieben Tipps, was Sie dabei beachten sollten.

Ich habe neulich durch Zufall auf der Website eines Lifestyle-Magazins etwas über die Beziehung von Müttern und Töchtern gelesen. Keine andere Beziehung ist so prägend und birgt so viel Streitpotenzial.
Warum ist da so? Weil es kaum eine Mutter schafft, ihrer Tochter alles recht zu machen. Ob sie sich sorgt oder gelassen bleibt, lobt oder kritisiert, berät oder sich zurückhält - es kommt der Augenblick, wo alles zu viel oder alles zu wenig ist. Der Weg zur Versöhnung ist oft lang und steinig.

Mutter und Tochter müssen auch bei einer Unternehmenszusammenführung die richtigen Brücken finden.
Mutter und Tochter müssen auch bei einer Unternehmenszusammenführung die richtigen Brücken finden.
Foto: Gajus - shutterstock.com

Warum erzähle ich Ihnen das? Sie mögen es vielleicht nicht glauben, aber es gibt Parallelen zum Geschäftsleben. Auch dort wollen Mutter- und Tochterunternehmen stets das Beste für den jeweils anderen und dennoch kommt es immer wieder zu Spannungen. Es fehlt an Abstimmung, Kommunikation oder schlicht an den Möglichkeiten dazu. Das muss nicht sein.

Wie kommunizieren Mutter- und Tochterunternehmen aber richtig miteinander? Wie erhält die Mutter verlässliche Zahlen, Bedarfe und Berichte, um sie in ihrem SAP-System zentral abbilden und konsolidieren zu können? Und wie stellt sie sicher, dass die Tochtergesellschaft die gleichen Stammdaten nutzt wie sie selbst und Artikel nicht unter anderen Nummern führt?

Das ist im Grunde nicht so schwer, vorausgesetzt sie haben eine Strategie und die richtige Technologie. Cloud-ERP-Lösungen schaffen eine schnelle Anbindung, Aufwand und Kosten sind kalkulierbar. SAP Business ByDesign zum Beispiel ist durchschnittlich in nur 12 Wochen installiert. Währenddessen können die Geschäfte wie gewohnt weiterlaufen, die Mutter hat die Transparenz, die sie anstrebt, die Abläufe sind einheitlich, denn alle arbeiten auf der gleichen strategischen Plattform; die Stammdaten sind harmonisiert und die Inter-Company-Abwicklungen optimiert. Kann es etwas Besseres geben?

Im Folgenden sind sieben Aspekte aufgeführt, wie Sie Ihre Tochter mit einer Cloud-ERP-Lösung an Ihre Zentrale anbinden. Dabei gehen wir von einem klassischen Intercompany-Szenario aus: Das Tochterunternehmen bestellt bei der Muttergesell­schaft Teile oder Produkte, verbaut diese oder vertreibt sie an seine Kunden und/oder bietet diesen Serviceleistungen an.

1. Change Management: Sagen Sie, das sich etwas verändert

Führt das Unternehmen eine Software ein oder löst eine ab, heißt das Veränderung für die Mitarbeiter. Wenn diese nicht wissen oder verstehen, was ihnen das bringt, werden sie nicht voll bei der Sache sein und die gebotene Sorgfalt vermissen lassen. Die meisten Fehler im Change Management sind bei guter Planung und entsprechendem Know-how absolut vermeidbar.

Darum sollten Unternehmen Ziel, Kontext und Verfahren ausführlich darstellen und aufzeigen, welche Prozesse und Abläufe geplant sind. Auch sollten die Mitarbeiter darüber informiert werden, dass es sich um ein strategisches Projekt handelt, das Personal und Kapital bindet. Es geht darum, die Softwarelandschaften unternehmensweit einheitlich zu gestalten und die Niederlassungen so zu unterstützen, dass sie Kunden den bestmöglichen Service bieten und intern zugleich ein transparentes Reporting etablieren können.

2. Das Team richtig zusammenstellen

Wer macht was? Wer verantwortet, wer begleitet das Projekt über alle Gesellschaften hinweg? Entscheidende Fragen, die Sie sich frühzeitig stellen und beantworten sollten.

Das richtige Team muss stehen! Sie brauchen:

Aus der Zentrale (Mutter):

  1. - ein Mitglied des Managements, der die strategische Bedeutung des Projektes "bestätigt"

  2. - einen Projektleiter, der das Projekt operativ plant und steuert

  3. - Prozess-Verantwortliche, die Prozess-Landschaften so gestalten, dass diese reproduzierbar sind und neue Geschäftsmodelle abbilden können

Aus der Landesgesellschaft (Tochter):

  1. - den lokalen Geschäftsführer, der die Interessen der Landesgesellschaft vertritt und zugleich die "Schirmherrschaft" der Standardisierung übernimmt

  2. - einen Prozess-Verantwortlichen, der um die lokalen Gegebenheiten (z. B. steuerrechtliche Regelungen) weiß

  3. einen IT-Experten, der die lokale Infrastruktur kennt.

In kleineren Tochtergesellschaften können der Prozess-Verantwortliche und der IT-Experte durchaus dieselbe Person sein.

3. Tochtergesellschaft mit einbeziehen

Wie Sie am Projekt-Team erkennen, ist es wichtig, Management und Mitarbeiter der Tochtergesellschaft aktiv einzubeziehen. Das motiviert. Dann werden diese die Veränderung zumindest mittragen, wenn nicht sogar mitgestalten. Entscheidungen per Dekret sind ungleich schwerer durchzusetzen. Beim Management ist es ratsam, sich die Unterstützung des Projektes auch in Form von Zielvereinbarungen zu sichern.

Durch einen offenen Austausch mit der Tochter erhält die Zentrale zudem wertvolle Informationen über landestypische Prozesse, Abläufe oder Kundenstrukturen. So ist in einem Land womöglich die Bezahlung per Scheck üblich, in einem anderen läuft dagegen bereits alles digital ab.

Ein Dialog mit den Mitarbeitern vor Ort fördert solche länderspezifischen Gepflogen­heiten zutage, sodass sich die zwingend notwendigen auch im ERP-System abbilden lassen.

4. Template-Ansatz fahren: Bevorzugen Sie Stereotypen

Ob und wieweit sich die lokalen Gegebenheiten im Standard abbilden lassen oder von diesem abweichen, hängt vom Einzelfall ab. Es ist ein wenig so, als ob Sie auf einem Schwebebalken turnen. Es gilt, die Balance zu halten: In unserem Fall zwischen der Standardisierung auf der einen und einer Freiheit für lokale Gegebenheiten auf der anderen Seite.

Generell lautet die Devise aber: Bei Kernprozessen so nahe wie möglich am Standard bleiben - am besten auf Basis so genannter Templates. In diesen "Blaupausen" sind Standards für Prozesse und Daten definiert, die für alle Tochtergesellschaften verbindlich sind. Stereotypen bevorzugt, lässt sich sagen. Es kann durchaus sein, dass der Tochtergesellschaft in Asien schon bald weitere in Brasilien, Russland oder anderswo folgen. Erfahrungsgemäß lassen sich schätzungsweise durchschnittlich 80 Prozent der Prozesse aus einem Template übernehmen.

Ein weiteres Plus standardisierter Prozesse: Wollen Sie einen Prozess optimieren, weil Sie zum Beispiel planen, ein neues Geschäftsmodell einzuführen, dann können Sie dies aufgrund des Template-Ansatzes in allen Tochtergesellschaften bequem tun. Die Kernprozesse sind ja überall gleich. Es empfiehlt sich dabei Land für Land vorzugehen, um Erfahrungswerte einfließen zu lassen. Darüber hinaus lassen sich durch den Template-Ansatz die Prozesse unternehmensweit und landesübergreifend vergleichen und bewerten.

5. Prozesse automatisieren: Setzen Sie Middleware ein

Die Systeme von Mutter-Tochter zu koppeln, heißt auch die Prozesse zwischen den beiden zu automatisieren. Das Vorgehen ist klar: erst die Prozesse aufsetzen, dann diese leben. Wie im Fußball sind sie nach einer gewissen Zeit eingespielt. Es ist Zeit, die Prozesse systemübergreifend abzubilden.

Nutzen Sie hierfür eine Middleware als Datendrehscheibe - beispielsweise SAP HANA. Diese vermittelt zwischen den Anwendungen, also zwischen dem klassischen ERP der Mutter und der Cloud-ERP-Lösung der Tochter. Sie kommuniziert in alle Richtungen und greift dabei auf verschiedenste Datenquellen zu. Sie kann diese untereinander vergleichen, konsolidieren und verarbeiten.

Das ist ein Riesen-Vorteil: Zum einen meldet die Middleware Datenfehler - automatisch. Diese können auftreten, wenn Sie beispielsweise Kundendaten der Tochtergesellschaft in das zentrale ERP-System der Mutter übertragen.

Zum anderen erspart sie Ihnen zahlreiche Schnittstellen, denn Sie erhalten quasi eine Allround-Schnittstelle für Ihre Prozesse und Anwendungen. Und das gesellschafts­übergreifend, denn Sie können die Middleware auch für andere - existierende oder zukünftige - Töchter einsetzen.

6. Service richtig planen: Bestehen Sie auf einen Key User

Wenn Sie Ihrer Tochter schon zu standardisierten Prozesse verholfen haben, dann wollen Sie natürlich auch, dass alles reibungslos funktioniert. Bestehen Sie deshalb auf einen Key-User, der in der Tochtergesellschaft "sitzt". Alternativ kann dies auch ein Beratungsunternehmen übernehmen.

Als erster Ansprechpartner betreut der Key-User die IT-Prozesse und Mitarbeiter vor Ort. Darüber hinaus koordiniert er den First-Level-Support mit dem Software-Hersteller (Systemfehler) als auch den Second-Level-Support mit der Firmenzentrale oder einem extern beauftragten IT-Dienstleister (Bedien- oder Einrichtungsfehler).

Noch ein guter Tipp! Unterstützen sie Ihre Tochtergesellschaft auch nach Projekt-Ende. Bilden Sie ein Kompetenz-Team, das der Tochtergesellschaft auch nach der Einführung zur Seite steht und Fragen beantwortet. Beispielsweise, warum es zu dieser oder jener Anpassung kam oder Prozess XY so abgebildet wurde und nicht anders? Dadurch fühlen sich die Mitarbeiter weiterhin gut betreut und informiert.

7. Cloud-ERP-Lösung: So bleiben Sie up-to-date

Auch wenn sich eine Cloud-ERP-Lösung schnell an die Firmenzentrale anbinden lässt und Aufwand sowie Kosten kalkulierbar sind, so will auch sie up-to-date gehalten werden. Das geht allerdings schnell und einfach, denn es gibt quartalsweise Erweiterungen: etwa eine Funktion, die das Streckengeschäft abbildet oder ein Add-on, mit dem sich Anlagen, Maschinen und andere Assets verwalten lassen.

Wächst die Tochtergesellschaft, erweitert sie Prozesse oder Geschäftsmodelle, wächst die Cloud-ERP-Lösung mit. Rechtliche Neuerungen wie eine Anpassung der Spesensätze oder Buchungsregeln werden in aller Regel automatisiert durch die entsprechenden Lösungen zur Verfügung gestellt.

Fazit

Der Einsatz von Cloud-ERP-Systemen bei Töchtern bietet viele Vorteile. Befolgen Sie diese Anleitung, können auch Sie in deren Genuss kommen. Jahresabschlüsse, Prozesse, Daten- und Servicequalität - alles fußt dann auf der gleichen Plattform. Mutter und Tochter verstehen sich. Es gibt keine Missverständnisse, Medienbrüche oder unterschiedlichen Abläufe mehr.