In der gemeinsamen Studie "Hidden Champions - Champions der digitalen Transformation?" haben IDG Research Services und das Hidden Champions Institute an der ESMT Berlin den Status quo der Digitalisierung in deutschen Unternehmen untersucht. Demnach liegen Hidden Champions in vielen Bereichen vor "normalen" KMU (kleine und mittlere Unternehmen) – aber in einigen Belangen auch hinter den großen Konzernen.
"Heimliche Gewinner" oder "unbekannte Weltmarktführer" hat Deutschland einige zu bieten, je nach Messlatte dürften es zwischen 1000 und 1500 Hidden Champions sein. Der Begriff kam Anfang der 1990-er-Jahre in Umlauf und beschreibt Unternehmen, die ihren Markt anführen, weniger als fünf Milliarden Euro Umsatz pro Jahr erzielen und dennoch einen relativ geringen Bekanntheitsgrad aufweisen.
Andere Kriterien sind ein überdurchschnittliches Umsatzwachstum sowie maximal 10.000 Mitarbeiter. Die überwiegende Mehrheit dieser "Perlen" ist in der Industrie angesiedelt, vorzugsweise im Maschinenbau oder in der Elektronikbranche. Alle jedoch vereint: Die Digitalisierung macht auch vor ihnen nicht halt.
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Analyse der wichtigsten Key Findings
Um die wichtigsten Ergebnisse der Studie zu analysieren, traf sich IDG-Research-Redakteur Simon Hülsbömer nach Abschluss des Projekts mit den Co-Autoren Johannes Habel und Bianca Schmitz vom Hidden Champions Institute zum Gespräch. Sehen Sie hier das Video dazu:
Individuelle Wege finden
In der Studie wurde untersucht, wie es um die digitale Transformation der heimlichen Gewinner bestellt ist. Als Vergleichsgruppen dienten "reguläre" Mittelständler und Big Player. Wichtigste Erkenntnis vorab: Allein aus der Zuordnung zum elitären Zirkel der Hidden Champions auf eine besonders hervorgehobene Position bei der Digitalisierung zu schließen, ist nicht gerechtfertigt.
Erstens ist die Transformation kein Wettlauf mit einem Sieger, zweitens liegen die Kennzahlen von Hidden Champions tendenziell zwischen kleinen und großen Unternehmen, und drittens lassen sich Hidden Champions nicht über einen Kamm scheren. Schließlich ist jede Organisation gefordert, einen individuellen Weg in die digitale Zukunft zu finden.
Dass rund 90 Prozent der Hidden Champions bereits die Phase der frühen Anfänge in der digitalen Entwicklung hinter sich gelassen haben, ist ein gutes Zeichen. Mehr als ein Viertel verfolgt dabei eine detaillierte, knapp die Hälfte orientiert sich an einer groben Digitalisierungsstrategie. Somit haben Hidden Champions einen höheren digitalen Reifegrad als KMU, aber sie liegen deutlich hinter Konzernen zurück.
Gleichstand gibt es bei der Zufriedenheit mit dem Verlauf der Transformation: Insgesamt zufrieden sind 71 Prozent der Big Player und ebenso viele Hidden Champions, jedoch nur knapp 51 Prozent der Mittelständler. Der hohe Wert der Zufriedenheit könnte darauf hindeuten, dass die "Perlen der Wirtschaft" nach dem Motto agieren: "Wenn schon, denn schon".
- Die Digitalisierung - Packen wir's an!
Nur knapp zwölf Prozent aller Befragten geben an, dass ihre Organisation die Digitalisierung nicht oder nur in Anfängen verfolgt. Bei den anderen Unternehmen sind die Initiativen teils aufeinander abgestimmt, teils wird an Insellösungen gearbeitet. <br />Die Hidden Champions hängen dem Durchschnitt etwas hinterher, allerdings liegen sie leicht vor der Vergleichsgruppe der Mittelständler. - Besonders die Großen arbeiten en detail
Bei der Frage nach der Digitalisierungsstrategie rangieren die Big Player klar vor den mittelgroßen Unternehmen. Vor allem die „normalen“ KMUs fallen gegenüber den Großen weit ab, während die Hidden Champions den Abstand durch relativ häufige Angaben einer "groben Strategie" etwas kürzer halten können. - Durchwachsene Zufriedenheit
Insgesamt zufrieden (ungewichtet) sind 71 Prozent der Konzerne, nur knapp 51 Prozent der KMUs sowie 71 Prozent der Hidden Champions. Damit schneiden diese zumindest hier besser als der Durchschnitt ab. Die hohe Zufriedenheit könnte darauf hindeuten, dass die „Perlen der Wirtschaft“ Nägel mit Köpfen machen. - Der Wandelpfad – First Mover und Follower
Knapp ein Viertel der Big Player sehen sich als "First Mover" in Digitalisierungsfragen, aber nur 11,5 Prozent der normalen KMUs. Die Masse der Hidden Champions ordnet sich den "Fast Followern" zu - getreu dem Motto: "Wir sind nicht Pioniere der digitalen Transformation, verlieren aber keine Zeit." - Externe Prozesse – den Kunden im Blick
Bei der Frage nach den kundenseitigen Prozessen ist das Feld der Antworten überraschend geschlossen. Die Dominanz der Konzerne lässt sich hier – im Gegensatz zu den vorigen Fragen – nicht feststellen. - Einbindung der Kunden
Die Einbindung der Kunden in die Transformation wird hingegen in Big Playern mit mehr Nachdruck verfolgt. Hier liegen Hidden Champions und KMUs nicht weit auseinander. - In ausgewählten Projekten
Kleine Unternehmen, die nicht Hidden Champion sind, binden Kunden hauptsächlich nur bei isolierten Projekten ein. Daumenregel: Je größer das Unternehmen, desto enger ist die umfassende Absprache mit Kunden für die digitale Transformation. - Herausforderungen – viele Lösungen gesucht
Bei organisatorischen/strukturellen Herausforderungen liegt die Komplexität klar in Führung. Nur für KMUs ist der Druck nicht ganz so stark. Dafür leiden sie überdurchschnittlich unter unklaren Zuständigkeiten und unzureichender Kommunikation. Hidden Champions haben einen anderen Schwachpunkt: das stark ausgeprägte Silodenken. - Innovationen – Agile Thinking
Dass sich nicht nur die IT verändert, ist klar. Auch die Methoden und Vorgehensweise müssen sich dem Diktat der Digitalisierung unterwerfen. Dabei klafft bisweilen eine große Lücke zwischen kleinen und großen Unternehmen. - Fachkräfte – Nadeln im Heuhaufen
Angesichts des medialen Dauerläufers namens "Fachkräftemangel" ist es etwas überraschend, dass im Durchschnitt zwei Drittel aller Firmen der Meinung sind, zumindest eher gute Chancen für die Gewinnung der digitalen Fachkräfte zu haben. Bei Konzernen sind dies sogar über 80 Prozent. <br />KMUs hängen mit ihrer Einschätzung in Summe deutlich zurück, Hidden Champions liegen knapp unter dem Durchschnitt. - Konzerne suchen vor allem an Unis
Universitäten und Fachhochschulen sind erste Anlaufstelle auf der Suche nach frischen Skills. Hidden Champions und Big Player wildern gerne in fremden Revieren. Bei der Weiterbildung der Belegschaft liegen KMUs leicht in Front. - Die Zukunft
Die Frage nach der Zukunft und den Chancen beziehungsweise Risiken stellt das Bild der "digital fortschrittlichen" Big Player auf den Kopf. Hier ist die Sorge über den Ausgang relativ groß. Demgegenüber zeigen die KMUs Selbstbewusstsein. - Gewinner oder Verlierer?
Trotz der Sorgen sind die Konzerne bei der Frage nach den Gewinnern oder Verlierern sicher: Sie sehen ihre Organisation zu 77 Prozent eher auf der Gewinnerseite, zehn Prozentpunkte mehr als der Durchschnitt. Auch Hidden Champion schneiden hier mit 74 Prozent besser ab, während KMUs tendenziell unschlüssig sind.
Fast Follower statt First Mover
Jedoch sehen sich zehn Prozent der Konzerne, aber nur 2,5 Prozent der Hidden Champions laut Studie als "allerbestens für die digitale Zukunft aufgestellt". Untermauert wird die Zurückhaltung - nicht umsonst ist man "Hidden" - durch die Frage nach dem eigenen Selbstverständnis. Demnach bezeichnen sich knapp ein Viertel der Big Player als "First Mover", sechs Prozentpunkte mehr als bei den Hidden Champions.
Diese machen hingegen unter den "Fast Followern" die Mehrheit aus, deren Mantra lautet: "Wir sind nicht Pioniere der digitalen Transformation, verlieren aber keine Zeit." So punkten sie folgerichtig bei den zentralen Handlungsfeldern der digitalen Transformation: Hier ist die IT für Hidden Champions am wichtigsten, ebenso die Digitalisierung der Bereiche Vertrieb, Fertigung, Marketing sowie Forschung & Entwicklung. In diesen kritischen Feldern ist der Druck zum Wandel teils deutlich höher als bei Konzernen und KMU.
Diese Haltung zeigt sich ebenfalls beim Kundenfokus - ein Thema, das auf der Digitalisierungs-Agenda traditionell weit oben rangiert. In der Frage nach den kundenseitigen Prozessen als zentrale Handlungsfelder des Wandels liegen Hidden Champions leicht vor den Big Playern und teils deutlich vor den KMU. Das bezieht sich vor allem auf die Nutzung und den Kauf ihrer Produkte oder Services.
Die Einbindung der Kunden in die Transformation wird hingegen von Konzernen mit stärkerem Nachdruck verfolgt. Daumenregel: Je größer das Unternehmen, desto enger ist die umfassende Absprache mit Kunden für die Digitalisierung. Gerade der Kundenfokus ist jedoch eine traditionelle Stärke der Hidden Champions, und es ist notwendig, die starke Bindung auch in der digitalen Welt zu gewährleisten.
Herausforderungen für Hidden Champions
Allerdings gibt es auf dem Weg zur Digitalisierung ein paar Stolpersteine für die verdeckten Marktführer. In technologischer Hinsicht bemängeln immerhin 31 Prozent von ihnen die fehlende Möglichkeit, Daten auszuwerten. Konzerne und KMU kommen hier gerade einmal auf 18 beziehungsweise 19 Prozent. Zudem zählen relativ viele Hidden Champions die fehlende (interne) Offenheit zu den organisatorischen Herausforderungen. Laut Studie klagen 42 Prozent über stark ausgeprägtes Silodenken und treiben den Durchschnitt in die Höhe. Zum Vergleich: KMU kommen auf lediglich 23 Prozent, Big Player auf 28 Prozent.
Schaut man auf Maßnahmen zum Aufbrechen von Silos, um mittelbar Innovationen zu entwickeln, deutet sich ein Verweilen in der Komfortzone an: Lediglich jeder vierte Hidden Champion investiert in Co-Working Spaces, gegenüber 45 Prozent der Big Player. Und bei Methoden wie Jobrotation oder Jobshadowing sind Hidden Champions gerade einmal Durchschnitt. Erschwerend hinzu kommt eine gering ausgeprägte Bereitschaft zur Veränderung in kultureller Hinsicht, die immerhin von 54 Prozent der Befragten genannt wird.