Prozessorientierung braucht integrierte IT

06.05.2002
Von Claus Schmid

Die zweite Projektphase startete im August 2000 und zielte auf die Angebots- und Engineering-Prozesse. Die Angebotserfolge sollten steigen, indem sich die Angebotsphase - bei gleichzeitig erhöhter Qualität - verkürzte. Ein interdisziplinäres Team ersetzte den konventionellen Papierfluss durch ein digitales Dokumenten-Management - wiederum auf Grundlage von R/3. Dazu wurde die gesamte Prozesskette aus Anfragebearbeitung und Angebotserstellung digitalisiert und durch Workflow-Funktionen gesteuert.

Neu erstellte Produktunterlagen, beispielsweise Zeichnungen, lassen sich nun nach ihrer Freigabe in einem optischen Archiv speichern und sofort zur Verfügung stellen. Damit entspricht FAG der Nachweispflicht und den gesetzlichen Bestimmungen. Parallel wurden die gültigen Zeichnungsbestände vollständig digitalisiert und anschließend die Papierarchive aufgelöst. Großformatige Zeichnungen, die vor einem Jahr noch tagelang von Schweinfurt bis in die entlegensten Vertriebsregionen unterwegs waren, sind heute in Sekunden übermittelbar.

Doch auch in diesem Teilprojekt wurde deutlich, dass ein Unternehmen durch die Bereitstellung eines prozessorientierten IT-Systems allein noch nicht prozessorientiert wird. Die „alte“ Organisation muss sich an die digitalen Prozesse im Denken und in der Geschwindigkeit anpassen. Ein Beispiel: Wenn früher eine Offertzeichnung freigegeben wurde, so konnte durch den Faxversand immer noch geregelt werden, wer sie erhielt. Heute ist sie dank der digitalen Freigabe sofort weltweit verfügbar. Wo früher mehrere Abteilungen für Teilprozesse verantwortlich zeichneten, sind heute einzelne Mitarbeiter als Zuständige für den Gesamtprozess definiert.

Leider gab es während der Produktivsetzung der zweiten Stufe im April 2001 die üblichen unangenehmen Begleiterscheinungen: Das System stand zeitweise still, die Archivierung lief nicht ordnungsgemäß, Zeichnungen konnten dem Kunden nicht termingerecht zugestellt werden, Workflows liefen ins Nirwana. Doch anstatt wie andernorts gleich die ersten Schuldigen auszuspähen, hat FAG diese Probleme durch gemeinsame Bemühungen von Anwendern, Führungskräften und Projektteam gelöst. Inzwischen nutzen weltweit 1500 User in mehr als 30 Ländern auf vier Kontinenten die Funktionen der zweiten PLM-Stufe.

Gemäß dem ursprünglichen „Bebauungsplan“ wurden mittlerweile die dritte und die vierte Stufe des PLM-Programms gestartet. Phase drei integriert die Auftragskonstruktion mit neuen IT-Systemen in die Gesamtprozesse, im vierten Abschnitt ist der Einbezug externer Zulieferer in die FAG-internen Abläufe vorgesehen. Für die verantwortlichen FAG-Manager wird damit eine Vision zur Realität: ein System auf einer Hardwareplattform für alle FAG-Mitarbeiter rund um den Globus.

Viele Diskussionen zum Thema Prozessorientierung führen zu dem Ergebnis, die eigenen Anstrengungen in diese Richtung ließen sich besser mit neuen digitalen Technologien unterstützen. Der Einkauf denkt dabei an E-Procurement, der Vertrieb an Customer-Relationship-Management (CRM) und der Logistiker an Supply-Chain-Management (SCM). Doch am Ende setzt sich immer die Erkenntnis durch, dass alle diese Bereiche in dieselben Prozesse involviert sind und auf Daten zugreifen, die der Vorgänger im Prozess erzeugt hat und ein anderer Kollege in einem neuen Zusammenhang verwerten wird. Sobald alle das Handlungsprinzip - Informationen bereitstellen, um Informationen zu bekommen - verstanden haben, lässt sich auch das Kompetenzgerangel zwischen den verschiedenen Fraktionen vermeiden.