Partners Group kauft Forterro

Investoren wollen mit ERP Kasse machen

02.03.2022
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die ERP-Anbieter abas und myfactory haben einen neuen Eigentümer. Die Partners Group kauft die Dachmarke Forterro für eine Milliarde Euro von Battery Ventures.
Kassensturz bei Battery Ventures. Die Investoren verkaufen ihre ERP-Sammlung Forterro an die Partners Group.
Kassensturz bei Battery Ventures. Die Investoren verkaufen ihre ERP-Sammlung Forterro an die Partners Group.
Foto: Mikael Damkier - shutterstock.com

Das ERP-Konglomerat Forterro, zu dem auch die die deutschen Anbieter abas und myfactory gehören, wechselt den Besitzer. Die Investoren der Partners Group übernehmen das Unternehmen für eine Milliarde Euro von Battery Ventures. Letztere hatten in den vergangenen viel Geld in Übernahmen von Forterro gesteckt, und sehen nun offenbar eine gute Gelegenheit Kasse zu machen.

"In vielerlei Hinsicht bedeutet das starke Wachstum, dass sich das Unternehmen jetzt an einem Wendepunkt befindet", sagte Dave Tabors, Private-Equity-Partner bei Battery Ventures. "Die Leistung von Forterro als Teil unserer Software-Buyout-Strategie war bemerkenswert", so seine Bilanz.

Seit seiner Gründung im Jahr 2012 hat sich Forterro in aller Stille zu einem der größeren Softwareanbieter in Europa entwickelt. Der Hauptsitz des Anbieters liegt in London. Forterro beschäftigt eigenen Angaben zufolge mehr als 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von über 40 Niederlassungen aus rund 10.000 kleine und mittelständische Anwenderunternehmen mit ERP-Lösungen und -Services bedienen.

Ausverkauf im deutschen ERP-Markt

"Wir haben viel Zeit damit verbracht, Wachstumsstrategien zu entwickeln und in die Mitarbeitenden und die Infrastruktur zu investieren, die wir benötigen, um unsere Vision, die wir 'Forterro 3.0' nennen, zu verwirklichen", sagte Dean Forbes, CEO von Forterro. Dazu gehörten in den vergangenen Jahren auch zahlreiche Übernahmen. Erst im Dezember 2021 kaufte das Unternehmen den deutschen ERP-Anbieter myfactory. Zwei Jahre zuvor hatte Forterro den auf den Fertigungssektor spezialisierten mittelständischen deutschen Softwarehersteller abas geschluckt.

Neben Deutschland gibt es weitere Standbeine in Europa. In Frankreich die ERP-Hersteller Clipper, Helios, Silog und Sylob, in Schweden die Business-Software-Anbieter Jeeves und Garp, in Polen die ebenfalls auf die fertigende Industrie fokussierte BPSC, in England 123Insight, in der Schweiz Proconcept.

Dean Forbes, CEO von Forterro, will mit der Partners Group weitere Wachstumsstrategien entwickeln.
Dean Forbes, CEO von Forterro, will mit der Partners Group weitere Wachstumsstrategien entwickeln.
Foto: Forterro

Wie Forbes' Vision von Forterro 3.0 genau aussehen soll, bleibt derzeit noch unscharf. Man wolle mehr werden als die Summe der Einzelteile, sagte der Forterro-Chef anlässlich der Übernahme durch den neuen Investor. "Wir schließen uns heute mit Partners Group zusammen, um uns auf den Weg zu einer einheitlichen, abonnementbasierten und cloudfähigen ERP-Plattform mit einer breiteren Palette an Funktionen zu machen, die den industriellen Mittelstand noch besser bedienen wird."

Elf lokale ERP-Anbieter in Europa

Gleichzeitig will Forterro sein ERP-Angebot offenbar stärker an lokalen Märkten ausrichten. Erst kürzlich gab der Anbieter bekannt, "dass die Organisationsstruktur zur Betreuung seiner elf lokalen ERP-Anbieter in Europa künftig regional ausgerichtet sein wird". Für die Regionen Nord-, Mittel- und Westeuropa wurden dafür drei neue Verantwortliche ernannt. Die Rolle der Regional Presidents übernehmen Richard Furby für Nordeuropa (nordische Länder und Vereinigtes Königreich), David Coste für Forterro Western Europe (französischsprachige Länder sowie Spanien und Italien) und Marcus Pannier für Mitteleuropa (DACH, Polen und osteuropäische Länder).

Pannier kam vom Konkurrenten IFS und trat sein neues Amt am 1. März an. In dieser Funktion ist er auch dafür zuständig, die Produkte abas, myfactory und BPSC zu betreuen. Furby, bis dato Leiter des abas ERP-Produktgeschäfts, wird in Zukunft in einer Doppelrolle agieren. Als President M&A wird er für die Gruppe arbeiten, sowie als President von Forterro Northern Europe die Produkte Jeeves, Garp und 123insight betreuen. Coste leitet derzeit die zur Forterro-Gruppe gehörenden Produktanbieter Sylob, Clipper, ProConcept, Helios und Silog und wird diese Aufgabe auch weiterhin als President von Forterro Western Europe wahrnehmen.

Marcus Pannier, President von Forterro für Central Europe, wird künftig auch als Managing Director die ERP-Produkte der abas Software GmbH bei Forterro verantworten.
Marcus Pannier, President von Forterro für Central Europe, wird künftig auch als Managing Director die ERP-Produkte der abas Software GmbH bei Forterro verantworten.
Foto: Forterro

"Unter dem Dach unseres Unternehmens führen wir spezialisierte ERP-Produkte, für die Teams in den einzelnen Ländern verantwortlich zeichnen, die die lokalen Rahmenbedingungen kennen und nah am Kunden sind", kommentierte Forterro-CEO Forbes die Neuorganisation. "Mit dieser Änderung bleiben wir unserem Grundsatz treu, dass jede Marke lokal ist." Gleichzeitig könne jede Region die Ressourcen und Gestaltungsmöglichkeiten der Forterro-Organisation als Ganzes nutzen und so schneller wachsen.

Wie diese lokale Ausprägung mit der von Forbes angedeuteten einheitlichen, abonnementbasierten und cloudfähigen ERP-Plattform zusammenpasst, ist unklar. Der Manager glaubt sich dennoch auf dem richtigen Weg und verweist auf seine Geschäftszahlen. Forterro habe zuletzt das stärkste Jahr in seiner Geschichte abschließen können und ein besonders bemerkenswertes Wachstum bei den wiederkehrenden Einnahmen und dem EBITDA verzeichnet.

Neuer Investor "besonders von den Wachstumsaussichten begeistert"

Das wird vor allem den neuen Eigentümer interessieren. Der Partners Group dürfte in erster Linie daran gelegen sein, dass sich ihre Investition weiter versilbert. "Besonders die Wachstumsaussichten der Gruppe - untermauert durch die hervorragenden Geschäftsergebnisse des Jahres 2021 - begeistern uns", sagte Bilge Ogut, Partnerin und Leiterin des Bereichs Private Equity Technology bei der Partners Group. Forterro habe sich von einem nordischen On-Premise-ERP-Anbieter für die Fertigungsindustrie zu einer gut geführten paneuropäischen Gruppe von spezialisierten ERP-Unternehmen entwickelt.

Der globale ERP-Markt hat in den vergangenen Jahren das Interesse verschiedener Investoren geweckt. 2017 stieg die Intermediate Capital Group (ICG) bei Proalpha ein. In den darauffolgenden Jahren wurde eine ganze Reihe weiterer Softwarehäuser geschluckt, wie zum Beispiel der MES-Anbieter Böhme & Weihs, der eProcurement-Spezialist curecomp und der Risiko-Management-Provider SKILL-Software.

Die New Yorker Investoren von Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR) haben neben anderen Softwareanbietern auch die ERP-Hersteller Exact Software und Epicor eingekauft. Der IT-Anbieter Aptean mit Vista Equity Partners, TA Associates und Vista Equity Partners im Rücken hat Anfang Dezember 2020 die Modula GmbH übernommen. Damit schluckten sie auch die vier mittelständischen Softwarehersteller cimdata Software, Logis, oxaion und Syncos, die ihre Angebote rund um ERP, Manufacturing Execution Systems (MES) und Computer-aided Quality (CAQ) unter der Dachmarke Modula zusammengeführt hatten.

Mitte 2019 hatte die heute über 80 Milliarden Dollar schwere Investmentgesellschaft EQT Partners, Eigentümerin des ERP-Anbieters IFS, die Akquisition von Acumatica, einem Spezialisten für Cloud-ERP, bekannt gegeben. Man wolle, so lautete die Ankündigung damals, gegen Anbieter wie SAP, Oracle, Microsoft, Infor und Sage antreten.