Insight-Konferenz

IBM verwettet seine Zukunft auf Cognitive Computing

29.10.2015
Von 
Harald Weiss ist Fachjournalist in New York und Mitglied bei New York Reporters.
IBMs Kundenkonferenz Insight in Las Vegas machte deutlich, wie sehr der seit nunmehr 14 Quartalen andauernde Abwärtstrend dem Unternehmen zusetzt. CEO Virginia Rometty setzt nun alles auf eine Karte: Das Cognitive Computing, in dessen Zentrum die Watson-Technologie steht.

Es ist noch gar nicht so lange her, da gab es auf IBM-Events für die Fachjournalisten Interviews mit Hardwareexperten und System-Spezialisten. Man diskutierte etwa über Converged Infrastructure, Software-Entwicklung oder RZ-Management-Tools. Diese Zeiten sind vorbei. Jetzt dreht sich bei Big Blue alles nur noch um Big Data und Analytics, Künstliche Intelligenz, Deep Learning und Cloud Computing (siehe auch: Watson übernehmen Sie, heißt es bei IBM).

Beeindruckende Kulisse auf der Insight-Konferenz 2015 von IBM in Las Vegas.
Beeindruckende Kulisse auf der Insight-Konferenz 2015 von IBM in Las Vegas.

"Wir haben im Wert von rund acht Milliarden Dollar Bestandteile unseres Business verkauft, um uns ganz auf neue Geschäftsfelder umzustellen", sagt IBM-Chefin Rometty. Doch bei den neuen Angeboten weht IBM ein scharfer Wettbewerbswind ins Gesicht. Anders als früher bei Hardware, proprietärer Middleware oder Anwendungssoftware ist es für Anbieter schwierig, sich im Bereich Analytics einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Alle arbeiten mit denselben mathematischen Formeln, zudem steht ein Großteil der entsprechenden Software unter einer Open-Source-Lizenz zur Verfügung.

Spark für Realtime Analytics

Beispielsweise kündigte IBM auf der Insight-Veranstaltung an, dass man inzwischen über 15 Analytics-Produkte auf Spark umgestellt habe und damit auch hausintern auf diese Open-Source-Software setzt, die sich vor allem für Realtime-Analytics eignet (siehe auch: IBM macht SPSS mit Apache Spark Dampf). "IBM wird Spark zur Basis seiner gesamten Analytics-Plattform machen", sagte Bob Picciano, IBMs Vice President für den Bereich Analytics, in seiner Keynote. Konkret wurde hierzu bereits die BI-Software Cognos Analytics einem Redesign unterworfen. So ist diese klassische Analysesoftware jetzt mit einem modernen User-Interface ausgestattet, das bessere Self-Service-Eigenschaften für Abfragen und Realtime-Reporting erlaubt.

Realtime Analytics steht jedoch derzeit auch bei anderen großen Anbietern im Mittelpunkt des Interesses. Microsoft hat hierzu im April das Startup Revolution Analytics aufgekauft, und Michael Dell stellte auf der jüngsten Dell World in Austin die Appliance Edge Gateway 5000 vor, die im Umfeld von Internet-of-Things-(IoT-)Netzen Auswertungen in Echtzeit vornimmt und damit die zentralen Server und das Netzwerk entlastet.

IBM: Cognitive Computing macht den Unterschied!

Die vielfältigen Analytics-Angebote sind zwar für die nächste Generation der IT bedeutend und vielversprechend, ob sie aber ausreichen, um ein Unternehmen auf Dauer konkurrenzfähig zu machen, ist eine andere Frage. Das ist auch dem IBM-Management bekannt, und deshalb hofft man, sich mit komplexeren Analysen vom Wettbewerb abheben zu können. "Cognitive Computing macht in Zukunft den Unterschied aus", lautet Romettys Strategie.

Watson soll es richten

Das zentrale Element von IBMs Ansatz ist das proprietäre KI-System Watson. Hierzu gibt es praktisch jede zweite Woche Neuankündigungen. Auf der Insight wurden Tools für die Datenabfrage und das Frage-und-Antwort-Verhalten vorgestellt. "Watson wurde in den letzten zwölf Monaten von rund einer halben Million Softwareentwickler aufgerufen", freute sich Picciano über den Nutzungserfolg der Analytics-Plattform.

Bob Picciano, IBMs Vice President für den Bereich Analytics, zeigte sich auf der Insight 2015 zuversichtlich.
Bob Picciano, IBMs Vice President für den Bereich Analytics, zeigte sich auf der Insight 2015 zuversichtlich.

Vor allem im Gesundheitswesen soll Watson bald weit verbreitet sein. "Das Gesundheitswesen ist teuer, veraltet und ineffizient. Mit Watson lässt sich diese Branche modernisieren und wesentlich effizienter gestalten", sagte Rometty.

Wetterprognosen und Twitter-Analysten

Andere Anwendungsfelder von IBMs Analytics sind Auswertungen von Twitter-Konversationen und Wetterdaten. Im ersten Bereich gibt es eine umfangreiche Kooperation mit Twitter, im zweiten wurde zum Ende der Veranstaltung die Akquisition der Wettervorhersage-Technologie der "Weather Company" bekannt gegeben(siehe auch: IBM übernimmt Teile von The Weather Company). Hierbei handelt es sich um die Muttergesellschaft des Weather-Channels, der weiterhin selbstständig bleibt, sich aber in Zukunft auf IBMs Prognose-Technologie stützt. Der Weather-Channel ist der weltweit größte Wetterdienst. Täglich bearbeitet deren Cloud-Dienst rund 26 Milliarden Anfragen. Für die Wetterprognosen werden drei Milliarden Wettermesspunkte und die Wetterdaten von 50.000 Flügen fortlaufend ausgewertet.

Mit Wetter-Know-how ins IoT

Diese Erfahrungen will IBM jetzt im Zusammenspiel mit Watson und dem IoT kommerzialisieren. "Das Know-how der Weather Company im Bereich Realtime-Datenverarbeitung und unser Wissen um moderne Auswertungen und Prognosen im Zusammenhang mit Watson bilden eine einmalige Basis für die zukünftigen Anforderungen von IoT im großen Stil", sagte IBMs Senior Vice President Mike Rhodin. Insofern passt auch diese Akquisition in die Zielvorgabe von Rometty, die aus IBM eine First-Class-Analytics-Firma machen will.

Noch nicht über dem Berg

Wer an IBMs neuem Kurs zweifelt, wird von Rometty an die Geschäftsergebnisse verwiesen. "Man muss sich nur die Zahlen anschauen. Im letzten Jahr haben wir 25 Milliarden Dollar mit unseren neuen Bereichen umgesetzt", lautet ihr Hinweis. Doch sie verschweigt dabei, dass das Engagement auf den neuen Betätigungsfeldern bislang nicht ausreichte, um neues Wachstum zu bewirken. So gab es zum Ende des jüngsten Geschäftsjahres bei der Software und den Business Services zusammen ein Minus von rund einer Milliarde Dollar gegenüber dem Vorjahr. Das entspricht einem Rückgang von etwa 2,2 Prozent - wobei allerdings ungünstige Wechselkurse die IBM-Zahlen deutlich eingetrübt haben. Fraglich ist nun zudem, ob man mit dem Fokus auf eine Produktfamilie auf Dauer 380.000 Mitarbeiter auslasten kann.