Gehören File-Server zum alten Eisen?

24.07.2003
Von 
Wolfgang Sommergut ist Betreiber der Online-Publikation WindowsPro.

 Zentralismus versus Peer-to-Peer 

Die unlängst von Oracle auf den Markt gebrachte "Collaboration Suite" baut auf die hauseigenen Messaging- und Dateidienste auf und stellt Letztere ebenfalls in den Kontext von Teamarbeit und Workflow. Dort lassen sich Dokumente etwa durch vordefinierte Abläufe schleusen, an Kalendereinträge anhängen oder dank der integrierten Web-Konferenz-Funktionen gemeinsam bearbeiten. Die Unterstützung für Unified Messaging gilt nicht nur für Informationen, die per E-Mail eintreffen, sondern für alle in der gemeinsamen Datenbank abgelegten Dateien. So können sich Anwender etwa über das eingebaute Sprachnavigationssystem auch durch die virtuellen Verzeichnisse bewegen und das Versenden von Dokumenten per Fax veranlassen.

E-Mail statt File-Server? Als Medium zum Transport, Speichern und Verwalten von Informationen haben E-Mail-Systeme den File-Servern in vielen Unternehmen den Rang längst abgelaufen. Die Suche nach Dokumenten oder Kontaktdaten führt die meisten Benutzer zuerst zum Mail-Client. Die Speicher der populären Systeme "Outlook" und "Lotus Notes" fungieren schon längst als Dateisystem im Dateisystem. Viele Anwender legen dort in einer tiefen Ordnerhierarchie weit mehr Dateien ab als auf Netzlaufwerken von Datei-Servern. Innerhalb der Messaging-Systeme stehen ihnen nämlich bessere Tools für die Recherche und das Informations-Management zur Verfügung. Volltextabfragen, die auch Dateianhänge in allen möglichen Formaten berücksichtigen, gehören etwa zur Grundausstattung. Verschiedene Sichten auf die Daten helfen zusätzlich beim Auffinden von Informationen.

Nicht zuletzt bieten die genannten E-Mail-Systeme ausgereifte Replikationsmechanismen. Aus diesem Grund schicken Benutzer nicht selten Mails an sich selbst, nur um von auswärts oder zu Hause aus auf die angehängten Dokumente zugreifen zu können. Notes brillierte in puncto Replikation von Anfang an, Microsoft erlaubt nun in der Kombination von Exchange 2003 mit Outlook 2003 ebenfalls einen intelligenten Datenabgleich zwischen Client und Server. Zu den unterstützten Endgeräten zählen dabei nicht nur Desktop-Rechner, sondern über die entsprechende Synchronisierungssoftware auch PDAs oder Handys. Die neueste Exchange-Version beinhaltet zu diesem Zweck den bisher separat vertriebenen "Mobile Information Server", IBM bietet mit "Lotus Domino Everyplace" ebenfalls eine entsprechende Lösung.

Auch beim Zugriff auf Server-Datenbanken zeigen sich beide Produkte herkömmlichen Datei-Servern überlegen. So lassen sich in Lotus Domino oder Exchange Dokumente nicht bloß über die gängigen Mail-Protokolle abholen und speichern. Vielmehr können auch Dateianhänge über HTTP im Web-Browser abgerufen oder mittels WebDAV in Autorenwerkzeuge geladen werden. Nicht zuletzt bieten beide die Möglichkeit, auf Datenbanken über das Microsoft-eigene Protokoll "Server Message Block" (SMB) zuzugreifen. Deshalb können Windows-PCs derartige Datenbanken wie einen File-Server ansprechen. Interessant ist dieses Feature weniger für die persönliche Mail-Datei als für öffentliche Ordner und Groupware-Datenbanken, die dann für ausgewählte Benutzergruppen Dateidienste übernehmen können.

Oracles Ansatz konsolidiert File-Services und E-Mail auf Basis einer Datenbank und kann daher die Vorzüge eines modernen objektrelationalen DBMS durchgängig nutzen. Dazu zählen ausgeklügelte Sperrmechanismen für geöffnete Dateien, Versionierung, Synchronisierung, Skalierbarkeit, eingebaute Suchfunktionen oder Programmierung per SQL und Java. Ganz im Sinne der eigenen Firmenphilosophie folgt Oracle damit einem zentralistischen Modell, dessen Vorzüge durch eine Referenzinstallation im eigenen Haus untermauert werden soll. Ziel ist es dabei, E-Mail und Dateidienste für möglichst alle Niederlassungen weltweit auf einem großen Oracle-Cluster zu konsolidieren.