Outsourcing im Mittelstand

Fehler sind teuer

26.01.2006
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.

Doch solche Sorgen sind oft hausgemacht. Wer für die Suche nach einem angemessenen Partner keine Zeit aufbringt und in die Vertragsverhandlung zu wenig Sorgfalt investiert, darf sich nicht wundern, eines Tages wie die Münchener Südfleisch GmbH in existenzbedrohende Situationen zu geraten. Deren Lieferwagen, erinnert sich ein Insider, der nicht genannt werden möchte, konnte einen Tag lang nicht den Hof verlassen, weil plötzlich der Lieferscheindrucker ausgefallen war. Statt den unterbrochenen Geschäftsprozess umgehend wieder in Gang zu setzen, ergriff der für den Rechenzentrumsbetrieb zuständige Outsourcing-Partner erst dann die Initiative, als man in den beiden Chefetagen schon zum Nahkampf übergegangen war. Die Bilanz: ein Umsatzausfall empfindlichen Ausmaßes, gefolgt von einem langwierigen Rechtsstreit über unzureichend fixierte vertragliche Leistungen.

Die Ursache für solche Katastrophen ist oft mangelndes Gespür für die Bedeutung der IT auf Seiten der Anwender. "Unprofessionell gesteuerte Informationstechnik", warnt Rechtsanwalt Joachim Schrey von der auf IT- und Outsourcing-Recht spezialisierten Frankfurter Kanzlei Clifford Chance, "kann die Existenz eines Betriebs gefährden." Schrey entwirft ein Szenario, das jeden Mittelständler aufrütteln müsste: Könnten etwa die rund 380 Anwälte, mit denen Clifford Chance in Deutschland pro Jahr rund 160 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet, wegen eines IT-Problems nur einen Tag nicht arbeiten, gingen rund 800000 Euro Umsatz verloren. Kein Pappenstiel für mittelständische Firmen. Schrey malt den Teufel an die Wand: "Kommt das öfter vor, geht es ans Eingemachte."

Existenz steht auf dem Spiel

Marktbeobachtern zufolge lässt dieses Problembewusstsein bei den meisten mittelständischen Unternehmern zu wünschen übrig. Häufig interessieren sie sich weder für das in Betrieb befindliche IT-Inventar noch für die Frage, welch wichtige Rolle die Systeme eigentlich für ihre Geschäftsprozesse spielen. Vielen behagt die Informationstechnik einfach nicht, sie wollen sich lieber heute als morgen davon trennen. Statt die IT-Landschaft, wie Rodgers die zentrale Vorbereitung aufs Outsourcing konkretisiert, erst zu sanieren und dann zu konsolidieren, "werden diese Aufgaben dem Dienstleister überlassen, was nicht ratsam ist". Viele Unternehmer freilich, meint zumindest die Softwareentwicklerin Gisela Bolbrügge, "wollen schlicht Kosten sparen".

Doch mit dieser Strategie komme man nicht weit, erläutert die Geschäftsführerin der PerfectMatch GmbH aus dem oberbayerischen Garching. Während die Obhut über historisch gewachsene heterogene Landschaften mit vielen Schnittstellen nicht ohne ausführliche Vorbereitung an einen Dienstleister übertragen werden dürfe, drohten die Unternehmen zudem "Business-Know-how zu verlieren, das in Anwendungen steckt, die obendrein oft schlecht dokumentiert sind und deren Entwickler häufig nicht mehr in der Firma arbeiten".

Eine zu starre Fixierung auf den vermeintlichen Kostenvorteil beim Outsourcing ist aber selbst unter finanziellen Aspekten völlig haltlos, wie Karl Heinrichs, Rechenzentrumsleiter einer norddeutschen Dienstleistungsfirma, erläutert. Aufwendungen für die Mehrwertsteuer und den Personalbedarf zur Steuerung des Dienstleisters einschließlich dessen angestrebter Eigenkapitalrendite machen Outsourcing zu einem teuren Vergnügen. "Diese Kosten sind ohne jeglichen Mehrwert für das auslagernde Unternehmen." Trotz der eher ungünstigen Voraussetzungen nimmt der Wunsch, sich von Teilen der IT zu trennen, unter mittelständischen Firmen unvermindert zu. Laut einer aktuellen Studie des Niedersächsischen Industrie- und Handelskammertages (NIKH) wollen Entscheider nicht nur Kosten sparen.