Agile Softwareentwicklung

Die neuen Entwicklertugenden

10.07.2012
Von 
Karen Funk ist Senior Editor beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind IT-Karriere und -Arbeitsmarkt, Führung, digitale Transformation, Diversity und Sustainability. Als Senior Editorial Project Manager leitet sie zudem seit 2007 den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT ein. Zusammen mit einer Kollegin hat sie eine COMPUTERWOCHE-Sonderedition zu Frauen in der IT aus der Taufe gehoben, die 2022 zum 6. Mal und mit dem erweiterten Fokus Diversity erschienen ist.

Die klassische Softwareentwicklung funktioniert nicht

CW: Warum wollen Sie die klassische Softwareentwicklung überhaupt ablösen?

Grund: Die klassische Softwareentwicklung hat sich selbst abgelöst, weil sie nicht funktioniert hat. Scrum ist de facto heute der Industriestandard für Projektsteuerung. Auch bei Großprojekten übrigens.

Was bei aller Begeisterung über Scrum oftmals vergessen wurde: Mit Projektsteuerung alleine entwickelt man noch keine Software, da gehört das angepasste Engineering dazu, und übrigens auch ein angepasstes Anforderungs-Management. Mit dem Programm ASE fokussieren wir uns auf die Engineering Skills und betten diese in den Scrum Rahmen ein. Wir erhöhen so nicht nur die Qualität der Software, sondern vor allem auch die Zuverlässigkeit der Planung.

CW: Was ist die Philosophie hinter ASE?

Grund: Wir lassen Planung und Ausführung eines Projekts zusammen, anstatt sie zu trennen. Damit treten anstelle eines langen Entwicklungsprozesses kleine Intervalle. Bei Scrum sind das die Sprints, an deren Ende jeweils ein Stück einsetzbare Software geliefert wird. Das jeweilige Back-Log dazu setzt das Team gemeinsam auf. Die Entwickler sind nicht mehr nur die Stelle, die ausführt, was woanders festgelegt wurde. Sie sind aktiv an der Planung und der Abschätzung beteiligt. Das erfordert die erwähnte Diskussionsfähigkeit, etwa beim Daily Scrum, einem kurzen, jeden Tag stattfindenden Team-Meeting. Dabei sagt jedes Team-Mitglied ganz offen, woran es gerade arbeitet und welche Hindernisse eventuell im Weg stehen. Über viele solcher Planungs- und Ausführungsrunden wird das Team immer exakter in der Abschätzung des real Möglichen und immer stärker.

CW: Nun hat, wer neu in ein Unternehmen kommt, nicht unbedingt Erfahrung mit Agilen Methoden. Wie bereiten Sie neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Agile Praxis vor?

Grund: Wir haben ein internes Programm unter dem Titel "In 10 Monaten zum Agilen Software-Ingenieur" konzipiert. Dazu gehört Training im Klassenraum ebenso wie die Teilnahme an den ASE-Kursen, wie wir sie für unsere Kunden halten. Außerdem schulen wir speziell die Soft Skills: Es gibt eigene Module für Themen wie Konfliktmanagement und Präsentationstechniken. Alle neuen Mitarbeiter bekommen einen Mentor, der sie nicht nur hinsichtlich der technischen Anforderungen betreut, sondern beispielsweise auch beim Umgang mit den Kunden berät. Wichtig ist uns vor allem, dass neue Kolleginnen und Kollegen Zeit bekommen, die Agilen Methoden kennen zu lernen. Wir setzten nicht voraus, dass, wer bei uns anklopft, schon langjährige einschlägige Erfahrung im Gepäck hat.