Studien von Bitkom/KPMG und Capgemini

Die Big-Data-Rechnung geht nicht auf

17.06.2016
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Zwar breitet sich der Einsatz von Big Data in den Unternehmen immer weiter aus und immer mehr Entscheidungen basieren auf Erkenntnissen aus Big-Data-Analysen. Doch der konkrete Nutzen bleibt in vielen Fällen fraglich. Nur ein gutes Viertel der Big-Data-Projekte ist profitabel, hat Capgemini ermittelt.

Daten zu nutzen und auszuwerten, wird für immer mehr Unternehmen zur Selbstverständlichkeit im Geschäftsalltag. Die Verantwortlichen im Managment setzen verstärkt auf Datenanalysen, um möglichst treffsichere Entscheidungen zu fällen. So nutzt bereits gut ein Drittel (35 Prozent) der Unternehmen in Deutschland Big-Data-Analysen für die Auswertung großer Datenmengen. Ein knappes Viertel der Unternehmen (24 Prozent) verfolgt konkrete Pläne in Sachen Big-Data-Nutzung, weitere 18 Prozent diskutieren zumindest darüber. Das hat eine repräsentative Umfrage von Bitkom Research und KPMG unter 704 Unternehmen und 102 Verwaltungen mit mehr als 100 Mitarbeitern ergeben. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren war noch nicht einmal ein Viertel der Unternehmen (23 Prozent) in Sachen Big Data aktiv. "Innovative Datenanalysen werden als Grundlage für wirtschaftliche Entscheidungen immer wichtiger", sagte Axel Pols, Geschäftsführer von Bitkom Research, bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Allerdings liegt mit 22 Prozent der Anteil der Unternehmen, die sagen, Big-Data-Lösungen seien derzeit kein Thema, immer noch recht hoch.

"Big Data beschreibt die Fähigkeit, große Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen und mit unterschiedlicher Struktur in hoher Geschwindigkeit auszuwerten", umreißen die Bitkom-Verantwortlichen das Themenfeld ihrer jüngsten Umfrage. Demnach sammeln und analysieren alle befragten Unternehmen Stammdaten, die beispielsweise Basisinformationen wie Name und Anschrift von Kunden beziehungsweise Spezifikationen eines Produktes umfassen. 86 Prozent werten Kundendaten aus, 79 Prozent analysieren systemisch erstellte Daten, zum Beispiel Sensor- oder Standortdaten, und 70 Prozent nutzen öffentlich verfügbare Daten, beispielsweise Informationen zur ökonomischen Entwicklung. "Big Data ermöglicht es, Informationen aus verschiedensten Quellen zu einem Gesamtbild zu verdichten und daraus konkrete Maßnahmen abzuleiten", sagte Peter Heidkamp, Head of Technology der KPMG AG.

Big Data betrifft unterschiedliche Organisationseinheiten in den Unternehmen. Nach den Ergebnissen der Umfrage kommen in 85 Prozent der Unternehmen Datenanalysen in der Produktionsplanung beziehungsweise Projektabwicklung zum Einsatz. Im Marketing nutzen mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen (69 Prozent) Datenauswertungen für die Kundenanalyse. Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet ist darüber hinaus der Bereich Finanzen und Controlling: 91 Prozent der Unternehmen verwenden Datenanalysen im Risikomanagement, also bei der Identifikation und Bewertung potenziell geschäftsschädigender Entwicklungen. "Datenanalysen können in allen relevanten Bereichen eines Unternehmens einen Mehrwert generieren, indem sie beispielsweise die Produktion effizienter machen, eine zielgenauere Kundenansprache ermöglichen oder vor finanziellen Risiken warnen", lautet das Fazit von KPMG-Mann Heidkamp.

Viel Big-Data-Strategie - wenig Big-Data-Nutzen?

Ein Blick auf die Branchen offenbart indes ein differenziertes und auch leicht widersprüchliches Bild der Big-Data-Nutzung in deutschen Unternehmen. Gut ein Drittel (34 Prozent) der Unternehmen verfügt laut Umfrage über eine Big-Data-Strategie. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Branchen. 56 Prozent der Medienunternehmen und 46 Prozent der Versicherungen haben demzufolge eine Big-Data-Strategie, während es in der Automobilindustrie nur 34 Prozent sind. Auch bei der Frage, inwieweit die Unternehmen fortgeschrittene Analysen von Daten unterschiedlichster Herkunft und Struktur nutzen, liegen die Medien mit einem Anteil von 35 Prozent vorn, gefolgt von der Automobilindustrie (30 Prozent) und den Versicherungen (26 Prozent). Schlusslichter sind Banken sowie die Chemie- und Pharma-Branche mit jeweils elf Prozent und der Logistik- und Transportbereich (acht Prozent).

Allerdings rangieren die Banken mit einem Anteil von 45 Prozent in Sachen Big-Data-Strategie relativ weit vorne. Und auch 40 Prozent der Logistiker verfolgen laut Umfrage eine dedizierte Big-Data-Strategie. Die Medien, die der Umfrage zufolge mit ihren fortgeschrittenen Analysen und ihren Big-Data-Strategien bereits viel gemacht haben, hinken wiederum an anderer Stelle deutlich hinterher. In den Fragen, inwieweit relevante Entscheidungen auf den Erkenntnissen aus den Analysen von Daten beruhen und konkreter Nutzen aus den Datenanlysen erzeilt wird, schneidet die Medien-Branche unterdurchschnittlich ab.

Es hat den Anschein, dass es in der Umsetzung von Big Data in die Prozesse der Unternehmen durchaus noch an der einen oder anderen Stelle hakt. So sagen zwar 70 Prozent der Befragten in der Bitkom/KPMG-Studie, dass sie Geschäftsrisiken durch den Einsatz von Datenanalysen verringern konnten. 54 Prozent hätten eine individuellere Gestaltung von Produkten oder Services erreicht und 51 Prozent ein gezielteres Marketing. Gut jeder fünfte Befragte (21 Prozent) gab an, dass es gelinge, die Erkenntnisse aus den Analysen auch in konkreten Nutzen für das Unternehmen umzumünzen. Vor einem Jahr waren es gerade einmal 12 Prozent. Wenn es um die Frage geht, was das Ganze unter dem Strich gebracht, kommt eine andere Studie allerdings zu einem etwas ernüchternden Ergebnis.

Nur ein Viertel der Big-Data-Projekte rechnen sich

Capgemini hat im Auftrag von Informatica mehr als 200 Führungskräfte aus dem IT- und Daten-Management in Europa und den USA befragt. Dabei kam heraus, dass gerade einmal gut ein Viertel (27 Prozent) der Big-Data-Projekte profitabel sind. 45 Prozent gaben an, dass die entsprechenden Projekte zumindest die Kosten wieder hereingespielt hätten und gut jeder Zehnte (12 Prozent) gab zu, mit seinen Big-Data-Initiativen Geld verbrannt zu haben.

Schlüsselfaktoren für die Profitabilität von Big-Data-Projekten sind Capgemini zufolge Organisation und Steuerung der Vorhaben sowie die Verankerung im Business. Demnach sei es mehr als doppelt so wahrscheinlich, dass ein Big-Data-Projekt gewinnbringend ist, wenn ein Chief Operating Officer (COO) oder Chief Data Officer (CDO) anstelle des CIOs die Leitung übernimmt. Diese Erkenntnis scheint sich indes immer stärker zu verbreiten. Zwar haben in etwa der Hälfte der Unternehmen nach wie vor die CIOs das Big-Data-Heft in der Hand. Allerdings verschieben sich die Zuständigkeiten hin zum operativen Geschäft: So übernehmen COO (20 Prozent), Chief Technology Officer (16 Prozent) und Chief Marketing Officer (16 Prozent) mehr und mehr die Verantwortung.