Der Linux-Zug rollt weiter

03.07.2003

CW: Kommen wir zu Ihrer Person. Sie sind Anfang des Monats in den Verwaltungsrat der amerikanischen Handelskammer gewählt worden. Welche Aufgaben erwarten Sie hier?

CHEN: Das wichtigste, woran ich arbeite, ist, dafür zu sorgen, dass die US-Interessen in Übersee, insbesondere in den asiatischen Ländern, gewahrt bleiben. Beispielsweise versucht das Ministerium für Informationsindustrie in China die einheimische Softwareindustrie zu fördern, indem es den Unternehmen dort Beschränkungen auferlegt, wie viel Software aus dem Ausland bezogen werden darf. Das widerspricht den weltweiten Handelskonventionen.

CW: Welche Herausforderungen kommen durch die aufblühende IT-Industrie in Asien und durch Offshore-Dienstleistungen auf die westlichen IT-Unternehmen zu?

CHEN: Ihre Leser sollten diese Entwicklung nicht unterschätzen. Wir schaffen derzeit Arbeitsplätze in Übersee, die in Zukunft das Potenzial haben, mit unseren Jobs in Konkurrenz zu treten. Schauen Sie nach Indien: Firmen wie Wipro, Infosys und Tata sind sehr gut aufgestellt. Sie sind entstanden, weil wir gut ausgebildetes Technikpersonal brauchten, und zwar zu möglichst geringen Kosten. Irgendwann werden diese Unternehmen versuchen, uns nicht nur Personal zur Verfügung zu stellen, sondern auch Softwareprodukte zu verkaufen. Vom Standpunkt der Globalisierung aus ist das auch gut so. Aber auf Dauer sollten wir unsere eigenen Leute besser in Mathematik und Wissenschaften ausbilden, um die Führungsposition zu behalten. Das erfordert mehr Anstrengungen, als heute erkennbar sind.

CW: Sehen Sie in China eine ähnliche Entwicklung wie in Indien?

CHEN: Ja. Und das hat nicht nur Folgen für die Beschäftigungssituation. Die Industrie sollte sich unbedingt zusammensetzen und auf einen gewissen Standard an Softwaresicherheit einigen. Wenn so viele Ausländer Code entwickeln, der zurück in die USA geliefert wird, und wenn es Politik der US-Regierung ist, möglichst auf Standardpakete zu setzen, dann kann es passieren, dass wir unbewusst Sicherheitslücken im Softwarecode zulassen, die Unbefugten den Zutritt durch die Hintertür erlauben. Hacker könnten diese Lücken nutzen, um kompromittierenden Code ein- zuschleusen. Wir sollten vorsichtig sein, weil mehr und mehr Firmen aus Sachzwängen heraus ihren Code in Übersee erstellen lassen. Die Industrie sollte zusammenkommen und einen Standard definieren, vergleichbar etwa mit denen der International Organization for Standardization (ISO), welchen wir unsere ganze Entwicklung und Qualitätskontrolle unterwerfen. Das Problem in unserer Branche ist,