Seit Anfang des Jahres praktizieren wir eine 4-Tage-Woche. Der Freitag ist immer frei. An den anderen Tagen arbeiten wir stattdessen neun Stunden. Das Gehalt bleibt gleich, Überstunden gibt es kaum - dafür mehr Erholung. Uns geht es vor allem darum, Arbeitsprozesse so zu optimieren, dass die verbleibende Arbeitszeit besser und effizienter genutzt wird. Zum Beispiel, indem Rüst- und Leerzeiten vermieden, Templates und Tools stärker eingesetzt sowie Schulungsmaßnahmen gezielter gestaltet werden. Teil von "3F - 3 F-reie Tage" ist es zudem, nicht nur zeitlich flexibel, sondern auch mobil zu arbeiten, sprich: möglichst selbstbestimmt. Tatsächlich sind auch gar nicht alle Mitarbeitenden an unserem Standort in Karlsruhe ansässig, sondern in Deutschland verteilt. Insgesamt wollen wir mit dem Projekt eine agile und dynamische Arbeitsweise in einem diversen Team mit flachen Hierarchien und kreativen Gestaltungsmöglichkeiten fördern.
Die Entscheidung, freitags grundsätzlich nicht zu arbeiten, haben wir in einem internen Workshop im Herbst 2021 getroffen. Nachdem die ersten Jahre nach unserer Gründung 2014 ziemlich aufregend verliefen, war mehr und mehr Routine eingekehrt. Alles lief, wie es soll. Das war natürlich großartig. Dennoch hatten wir das Gefühl, dass uns als Unternehmen mal wieder ein neuer Reiz guttun würde. Dabei ist es genau dieser Drang nach unkonventionellem Neuem, der uns in den ersten Jahren erfolgreich gemacht hat. Zufällig hatte mir kurz vorher eine Mitarbeiterin mitgeteilt, dass sie künftig am Freitag nicht mehr arbeiten möchte. Im Workshop war dann auf einmal diese Idee im Raum: Wir haben hinterfragt, weshalb wir nicht alle nur vier Tage arbeiten sollten - um erfolgreicher zu sein.
Die Motivation hinter dem Projekt war schnell klar: Zeit für all das zu haben, was in einer herkömmlichen Arbeitswoche immer auf der Strecke bleibt, und sich auf das Wichtigste zu konzentrieren, das man hat - sich selbst. Den Arbeitsalltag achtsamer und bewusster zu gestalten sowie die Wertigkeit der Tätigkeiten selbst zu steigern, sind weitere Aspekte. Generell sehen wir in "3F - 3 F-reie Tage" die Zukunft der Arbeit.
Welche Herausforderungen es zu meistern galt
Eine Herausforderung war tatsächlich, alle Mitarbeitenden von der Idee zu überzeugen. Die eine oder der andere waren skeptisch, wie das gleiche Arbeitspensum in weniger Zeit zu schaffen sei. Um die Sorge vor zu viel Stress zu nehmen, haben wir in gemeinsamen Gesprächen entschieden, dass freitags auf freiwilliger Basis gearbeitet werden darf - aber keine Termine stattfinden. Diese Option wird von allen als "Ventil" genutzt, jedoch nicht regelmäßig. Zudem trifft sich das gesamte Team einmal im Quartal freitags persönlich zu einem besonderen Anlass - einem internen Workshop, einem Coaching oder Ähnliches.
Eine weitere Herausforderung war die Anpassung der Arbeitsverträge. Wir wollten sichergehen, dass diese so gestaltet sind, mühelos zum herkömmlichen Modell zurückwechseln zu können, wenn sich die Vier-Tage-Woche als nicht praktikable herausstellen sollte, denn 3F wurde von Anfang an als Experiment verstanden und das auch so gegenüber unseren Mitarbeiter:innen kommuniziert.
Unsere Arbeit lässt sich in der Regel so organisieren, dass der freie Freitag unsere Leistung für die Kunden nicht beeinflusst. Das ist leicht, weil in der Beratung der Freitag ohnehin meist für interne Aufgaben geblockt ist. Faktisch gibt es also keine Schwierigkeiten. Dass wir nur an vier Tagen arbeiten, ist aber dennoch immer wieder einmal ein Thema. Dabei scheint dann ab und zu auch mal ein Ethos vergangener Tage durch: Die 80-Stunden-Woche als Statussymbol und Ausdruck der eigenen Leistungsfähigkeit!
- Tipps zur Arbeitsplatzgestaltung und Kollaboration
Arbeitnehmer sind besonders produktiv und innovativ, wenn das Arbeitsklima stimmt. Unternehmen sollten deshalb für ein angenehmes Arbeitsumfeld sowie perfekte Bedingungen in Sachen Kommunikation und Teamwork sorgen. Acht Tipps worauf Sie achten sollten. - Mitarbeiterbedürfnisse sichern
Fragen Sie, was Ihre Mitarbeitenden wollen und brauchen, um gut arbeiten zu können. - Wünsche erfüllen
Setzen Sie erkennbar möglichst viele der Mitarbeiterwünsche um. - Infrastruktur bereitstellen
Sorgen Sie für eine gute Infrastruktur im und um Ihr Firmengebäude (Kita, Eltern-Kind-Raum, Parkplätze, E-Ladestationen, Arbeitsplatz-Ausstattung…) - Flexibles Arbeiten unterstützen
Seien Sie möglichst flexibel in Sachen Arbeitszeiten und Home-Office-Möglichkeiten. - Hybrides Arbeiten ermöglichen
Achten Sie darauf, dass Ihre Räumlichkeiten und Arbeitsplätze hybrides Arbeiten möglich machen. - Begegnungszonen einrichten
Schaffen Sie ausreichend Begegnungsflächen für Gespräche unter den Beschäftigten. Das fördert den Ideenaustausch und fördert Innovationen. - Freizeitangebote machen
Sorgen Sie für Möglichkeiten zur gemeinsamen Freizeitgestaltung. Das stärkt die Motivation, schafft Teamspirit und macht den Kopf wieder frei. - Perfekte Arbeitsatmosphäre bieten
Fördern Sie alles, was Ihren Mitarbeitenden den Job und Arbeitsplatz angenehm macht (viele Pflanzen, höhenverstellbare Schreibtische, flexible Gestaltungsmöglichkeiten…).
Die Erfahrungen nach 100 Tagen
Bislang sind wir sehr zufrieden. Der zusätzliche Freiraum tut uns allen gut. Wir - und das gilt sicher auch für all unsere Mitarbeitenden - mögen unsere Arbeit sehr. Dennoch haben wir verschiedene Rollen und Interessen. Die 4-Tage-Woche bietet uns den Spielraum, uns vollständig zu entfalten. Das klingt esoterisch, hat aber ganz handfeste Folgen. Auch für uns als Unternehmerin und Unternehmer: Ausgeglichene Mitarbeitende sind auf Dauer motivierter und kreativer. Und ihre physische und psychische Gesundheit bleibt erhalten. Wer ständig am Anschlag ist, bezahlt dafür früher oder später einen Preis.
Was die Prozesse angeht, sind wir derzeit noch in einer Lernphase. Und genau an dieser Stelle wird es für uns interessant: Wie kann Arbeit aussehen, die wirtschaftlich erfolgreich ist und uns als Menschen gerecht werden? Wir sind überzeugt, in diesem Jahr den Umsatz und den Gewinn des vergangenen Jahrs nicht zu unterschreiten - alles andere wird sich zeigen.
Wie sich die Zahlen entwickeln, analysieren wir übrigens ganz konkret. Unser langfristiges Ziel: Unser Geschäftsmodell so anzupassen, dass wir mit weniger Arbeit mehr Nutzen für unsere Kunden und mehr Umsatz für uns generieren. Dabei geht es auch darum, mehr produktive Zeiten und abrechenbare Leistungen zu schaffen.
Eine weitere Erfahrung ist, dass wir achtsamer mit der Auswahl neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgehen. Wir hatten nie Probleme, Stellen neu zu besetzen. Daher können wir es uns erlauben, nun noch genauer zu schauen, ob Bewerber:innen wirklich ganzheitlich zu uns und unserem Mindset passen.
Was wir anders machen würden
Wir haben die Idee, den Freitag immer freizumachen, zu Beginn zu wörtlich genommen. Und uns gedanklich sehr eingeschränkt. Mittlerweile geht es uns mehr um den Freiraum dahinter. Für uns zählt der Wille, etwas anders zu machen - Arbeit anders zu leben. New Work ist dabei kein vorgefertigtes, starres Konstrukt, sondern ein gemeinsamer iterativer Prozess, der Geduld und Anpassungen erfordert. Die Vier-Tage-Woche ist erst der Anfang. (pg)
- Flexibles Arbeiten in der IT-Brache
Nach dem Ende der Home-Office-Pflicht etablieren sich in den Unternehmen die unterschiedlichsten Arbeitsmodelle, wobei es viele Beschäftigte zumindest wieder teilweise vom Home-Office ins Firmenbüro zieht. Der Trend geht zum hybriden Arbeiten, wie eine Umfrage in der Digitalwirtschaft zeigt. - Rabea Thies, Head of People and Culture bei Meister
"Wenn wir jemandem vertrauen, dann glaube wir auch daran, dass diese Person selbst einschätzen kann, wann und wo sie am besten arbeiten kann. Daher haben wir uns letztlich entschlossen, sowohl auf eine Kernarbeitszeit sowie auf verbindliche Bürotage und -anwesenheitspflichten vollständig zu verzichten." - Julian von Blücher, Gründer und CEO von Talent Tree
"Bei Talent Tree gibt es keine Vorgabe, eine bestimmte Anzahl von Tagen im Firmenbüro zu arbeiten. Das alles funktioniert aber nur, weil bei uns ein sehr hohes Maß an gegenseitiger Unterstützung herrscht. Es gibt bei uns keine Trittbrettfahrer:innen, dafür aber eine Menge psychologischer Sicherheit." - Christian Deponte, Vice Präsident bei New Relic
"New Relic hat ein ein sogenanntes 'Flex First'-Modell eingeführt, mit dem es den Mitarbeitenden weltweit frei steht, dort zu arbeiten, wo sie möchten. Mit den richtigen Online-Tools und Ritualen bieten wir allen Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, den Anteil des remoten Arbeitens selbst zu bestimmen." - Linda Hoffmann, Senior Business Development Managerin bei Shopify
„Das Ende der Home-Office-Pflicht wird an unserem Digital-by-Design-Ansatz nichts ändern, da unsere Entscheidung von Anfang an über die Pandemie hinausgedacht war und wir gesehen haben, welche Vorteile sich für alle ergeben – besonders im Hinblick auf eine ausgewogene Work-Life-Balance.” - Lars Riehn, Practice Lead People & Culture bei Skaylink
"Bei Skaylink war auch schon vor der Pandemie hybrides und verteiltes Arbeiten üblich. Das Thema Anwesenheit wurde schon immer individuell geregelt. Auch unser Onboarding war stets hybrid und wird es auch nach der Pandemie bleiben." - Martin Baart, CEO ecoligo
"Wichtig ist es, dass alle Teammitglieder genau wissen, wie und wozu welche Tools verwendet werden. Regelmäßiger Austausch mit dem gesamten Unternehmen, lockere Coffee-Talk-Sessions und virtuelle Feiern haben bei uns den Teamgeist nicht nur erhalten, sondern sogar weiter gefördert." - Haiko van Lengen, CEO Diamant Software
"Für uns war klar, dass wir die Frage, wie wir mit dem Aus der Home-Office-Pflicht umgehen möchten, nur in einem sehr offenen Dialog klären und entscheiden können. Das Ergebnis war, dass die deutliche Mehrheit der Diamant-Mitarbeitenden zurück ins Büro möchte und sich ein hybrides Modell wünscht. Daher werden bei Diamant Software perspektivisch zwei Arbeitstage pro Woche im Büro angestrebt, wobei es auch individuelle Anpassungen je nach Abteilung gibt." - Johannes Woithon, Gründer und Geschäftsführer von orgavision
"Bei uns stand hybrides Arbeiten nie auf der Agenda. Es wurde bereits vor der Pandemie davon ausgegangen, dass im Büro gearbeitet wird, und das hat niemand hinterfragt. Hinzu kommt, dass unser Büro sehr schön ausgestaltet ist und Arbeiten im Büro das Wir-Gefühl des Unternehmens stärkt. Die Arbeit von überall und komplett virtuell hat eben auch Nachteile und ohne persönliche Begegnungen kann nur schwer eine Unternehmenskultur entstehen."