Bayerns Polizisten warten auf "Diplaz"

18.01.2006
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

"Seitdem kommt P&I nicht in die Gänge", moniert Benker. Astrum habe rund 300 Mannjahre in die Entwicklung der Software gesteckt. Da könne man nicht erwarten, dass P&I diese Aufgabe innerhalb eines Jahres löse: "Das hätte jedem Experten klar sein müssen." Benker zweifelt offen daran, dass die Entscheider im Ministerium und dem Landeskriminalamt die Bedürfnisse und Anforderungen der Beamten im Praxiseinsatz richtig einschätzen können. Das Innenministerium habe ein Produkt eingekauft, das sich noch nie im Praxiseinsatz bewährt habe.

Axel Benscheidt, Vertriebsleiter von P&I in Deutschland, weist die Kritik der nach seinen Worten eher kleinen und un- bedeutenden Polizeigewerkschaft entschieden zurück. Hier versuche jemand, Politik mit Informationen zu machen, die zum Teil gar nicht stimmten. Zwar habe es Verzögerungen gegeben, räumte er ein. Allerdings sei der Anfang 2004 aufgestellte Projektplan lediglich eine grobe, nicht verbindliche Richtschnur gewesen. In diesem Plan seien keine Puffer- beziehungsweise Risikozeiten berücksichtigt. In der Regel müsse man dafür zusätzlich rund 30 Prozent des Zeitbudgets veranschlagen.

Polizei hat mit IT kein glückliches Händchen

Diplaz ist nicht das erste IT-Projekt der Polizei, das wegen Problemen in die Schlagzeilen gerät. So kostete beispielsweise das Vorhaben "Inpol-neu" den Steuerzahler laut einem Bericht des Bundesrechnungshofes statt der veranschlagten 40 Millionen mindestens 280 Millionen Euro. Als nach über zehn Jahren die Entwicklung des Fahndungssystems 2003 abgeschlossen wurde, monierten Kritiker, das neue System sei lediglich Inpol-alt mit neuen Geräten. Mit dem Linux-Projekt "Nivadis" wollte die niedersächsische Polizei 2001 ihr Informationssystem auf Vordermann bringen. Nach dem verzögerten Startschuss 2003 klagten die Beamten über Totalausfälle und miserable Antwortzeiten. Erst im Jahr 2005 lief die Software. Im Frühjahr 2005 beschwerten sich auch die Berliner Beamten über schlechte Reaktionszeiten ihres Informationssystems "Poliks". Das vom IT-Dienstleister Gedas in fünf Jahren entwickelte System stelle die Geduld der Polizisten auf eine harte Probe, hieß es. Während die meisten anderen europäischen Länder bereits mit digitalem Polizeifunk arbeiten, bekommen die deutschen Verantwortlichen das Vorhaben nicht richtig fertig. Pläne, das neue Funksystem bereits zur Fussballweltmeisterschaft einzusetzen, mussten die Innenminister mittlerweile begraben. Beamte fürchten ein Debakel, sollte das Vorhaben überstürzt umgesetzt werden.

P&I habe im Lauf des Projekts einige Feinjustierungen an der Software vornehmen müssen, die so nicht abzusehen gewesen seien, berichtete Benscheidt. So sollte das System beispielsweise auch gleitende Arbeitszeiten abbilden können. Zudem habe die bayerische Landesregierung beschlossen, das Bezügeverfahren auf das SAP-System "Viva" umzustellen, das derzeit von T-Systems implementiert wird. Hier musste P&I die entsprechende Anbindung entwickeln.